Rechtfertigungsgründe für die Regelung wurden nicht akzeptiert. Das Urteil stieß auf heftige Kritik.[126] Als Folge aus dem Urteil führte Österreich ein allgemein für Unionsbürger eröffnetes Zulassungsverfahren in Studiengängen ein, für die mehr Bewerber als Studienplätze vorhanden sind.[127] Für die Zustimmung zum Vertrag von Lissabon erhielt Österreich seitens des Kommissionspräsidenten die Zusicherung, das an sich gebotene und auch seitens der Kommission eingeleitete[128] erneute Vertragsverletzungsverfahren (Art. 260 AEUV) für fünf Jahre zu suspendieren.[129] Diese Frist wurde von der Kommission am 18. Dezember 2012 bis Dezember 2016 verlängert.[130] Im Urteil Bressol, das Zulassungsbeschränkungen für medizinische Studiengänge betraf, bestätigte der EuGH, dass vom aus Art. 21 I AEUV folgenden Recht von Unionsbürgern, im Anwendungsbereich der Verträge nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert zu werden, auch Situationen erfasst werden, „die die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung betreffen, wobei sowohl das Hochschul- als auch das Universitätsstudium eine Berufsausbildung darstellen“.[131] Dieses Verbot erstreckt sich auch auf mittelbare Diskriminierungen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis einer besonderen Benachteiligung führen, sofern die nationale Regelung nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht.[132] Die Prüfung, ob dies der Fall ist, überlässt der EuGH dem jeweils zuständigen nationalen Gericht, das dabei an die vom EuGH vorgegebenen Kriterien gebunden ist.[133]
bb) Gleichbehandlung zugelassener Studierender
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Das Recht auf Gleichbehandlung hat zur Folge, dass zugelassene Studierende grundsätzlich wie Inländer behandelt werden müssen. Daher dürfen ihnen z.B. nicht höhere Studiengebühren abverlangt werden als inländischen Studierenden.[134]
cc) Recht auf Stipendien
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Im Urteil Bidar revidierte der EuGH angesichts der seither erfolgten Entwicklung des (damaligen) Gemeinschaftsrechts seinen Standpunkt, den er in den Urteilen Lair[135] und Brown[136] vertreten hatte, dahingehend, dass die Förderung, die Studenten für ihren Lebensunterhalt gewährt wird, dem Anwendungsbereich des Vertrages und daher dem Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 18 I AEUV) unterfällt. Zwar haben auch danach Studierende, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben, um dort ein Studium aufzunehmen und dort zu diesem Zweck nach der Studentenrichtlinie[137] aufenthaltsberechtigt sind, auf Grundlage dieser Richtlinie keinen Anspruch auf eine Unterhaltsbeihilfe. Dies hindere einen Angehörigen eines Mitgliedstaats, der sich gemäß Art. 20 II lit. a, Art. 21 I AEUV und der Richtlinie 90/364[138] rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalte, wo er beabsichtige, ein Studium aufzunehmen oder fortzuführen, nicht daran, sich während dieses Aufenthalts auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu berufen. Zwar sei es legitim, dass ein Aufnahmemitgliedstaat eine derartige Beihilfe nur Studierenden gewährt, die nachgewiesen haben, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert und sich für eine gewisse Zeit im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben. Art. 18 AEUV stehe aber einer nationalen Regelung entgegen, die Studierenden den Anspruch auf Beihilfe zur Deckung ihrer Unterhaltskosten verwehrt, auch wenn sie sich rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten und dort einen großen Teil ihrer Ausbildung an weiterführenden Schulen erhalten und folglich eine tatsächliche Verbindung zu der Gesellschaft dieses Mitgliedstaates hergestellt haben. Auf einen finanziellen Beitrag der Studierenden oder ihrer Angehörigen zum Hochschulsystem dürfe nicht abgestellt werden.[139] Vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt besteht aber gemäß Art. 24 II der Richtlinie 2004/38/EG kein Anspruch auf Studienbeihilfen „in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens“.[140]
dd) Berufsrecht der Hochschullehrer
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Hochschullehrer sind Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV. Die Bereichsausnahme des Art. 45 IV AEUV (öffentliche Verwaltung) ist eng auszulegen und erfasst – abgesehen von Leistungsfunktionen wie Rektor bzw. Präsident – nicht den Hochschulbereich (s.o. Rn. 79). Mobilitätsbeschränkungen ergeben sich ungeachtet entsprechender unionsrechtlicher Regelungen[141] durch Probleme bei der Anrechnung von Versorgungsansprüchen.[142]
ee) Lehrinhalte
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Die Festlegung der Lehrinhalte bleibt an sich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Vorgaben können sich freilich aus den Berufsanerkennungsrichtlinien ergeben, wenn und soweit für die gegenseitige Anerkennung berufsqualifizierender Diplome bestimmte Anforderungen gestellt werden. Weitergehend sind die „freiwillig“ vorgenommenen Anpassungen im Rahmen des sog. Bologna-Prozesses (s.o. Rn. 70).
f) Die Frage der Kompetenzabgrenzung
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Die erheblichen Auswirkungen des „allgemeinen“ Unionsrechts auf die Hochschulen zeigen die eingeschränkte Wirkung des Prinzips der begrenzten Ermächtigung (Art. 5 II EUV), des hier regelmäßig nicht greifenden Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 III EUV) und auch des in Art. 165 IV, Art. 166 IV AEUV enthaltenen Harmonisierungsverbots.[143] Daran hat auch die Festlegung von Kompetenzbereichen im Reformvertrag von Lissabon (vgl. Art. 1 ff. AEUV) grundsätzlich nichts geändert.[144] Dies ist seitens der deutschen Länder, aber auch in der Wissenschaft auf Kritik gestoßen.[145] Umso verwunderlicher ist, dass man sich im Rahmen des Bologna-Prozesses „freiwillig“ in weitere, nicht unbedingt sinnvolle Vorgaben zwängt (s.o. Rn. 70).
1. Kapitel Grundlagen › II. Rechtsgrundlagen › 5. Bundesrecht
a) Verfassungsrechtliche Vorgaben der Grundrechte
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Verfassungsrechtliche Vorgaben der Grundrechte bestehen für das Hochschulzugangsrecht und für das Hochschulorganisationsrecht.[146] Besonders bedeutsam sind für das Hochschulzugangsrecht Art. 12 GG und für das Hochschulorganisationsrecht Art. 5 III GG. Daneben sind auch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG)[147], der Gleichheitssatz (Art. 3 I GG), die Glaubens-[148] und Gewissensfreiheit (Art. 4 I GG)[149], die Meinungs- und Pressefreiheit[150], die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 I und II GG)[151] und das Eigentumsrecht (Art. 14 GG)[152] relevant. Ferner sind Art. 33 II und V GG zu beachten.
aa) Hochschulzugangsrecht
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Die Hochschulzulassung unterliegt den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die das BVerfG im Numerus-clausus-Urteil aufgestellt hat. Danach folgt aus dem in Art. 12 I 1 GG gewährleisteten „Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip“ ein „Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium, das nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschränkbar“ ist. „Absolute Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger einer bestimmten Fachrichtung sind nur verfassungsmäßig, wenn sie in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden und wenn Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber und unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsortes erfolgen“.[153] Gefordert wird die völlige Ausschöpfung der Ausbildungskapazität. Obwohl das BVerfG einen absoluten numerus clausus