Frank Fröhlich

Feuertaufe


Скачать книгу

besonders unschuldig zu gucken.

      „Namen und Vergangenheit sind Schall und Rauch. Bei manchem Vorleben ist dies besser“, sagte Alexander Kraft, was Falk innerlich bestätigte. Einzig die Mitglieder eines Einsatzteams kämen sich näher, führte sein Kollege aus. Falk winkte dem Boxergesicht an der Bar und orderte eine Einstandsrunde, während Kraft weiter erklärte.

      „Insgesamt ist das Konsortium neben der ganzen Logistik aus Planungsstab, Finanzwesen und Datenverarbeitung sowie ein paar technischen Abteilungen in drei operative Gruppen aufgeteilt.“

      Der Boxer brachte die Flaschen an den Tisch und die Männer stießen miteinander an, hießen den Neuen in ihren Reihen willkommen.

      „Jede Operationsgruppe ist flexibel einsetzbar, es gibt keine Beschneidung durch Ländergrenzen wie bei der Polizei. Die Gruppen werden von Einsatzleitern geführt, denen mehrere Teams unterstehen. Wir gehören dem Echo-Team an, Chef davon ist der Alte. Die Zentrale ist natürlich in Berlin angesiedelt, wo sonst.“ Kraft nahm einen tiefen Zug aus der Pulle und wischte sich Schaum von den Lippen. Er schnippte mit den Fingern, verlangte im Voraus schon Nachschub. Ein Mann am Nachbartisch donnerte seine Faust auf die Holzplatte, sodass die Flaschen klirrten, und ging auf den Fernseher zu. Vor der Flimmerkiste schüttelte er den Kopf und schimpfte. „Mist. Ausgleich kurz vor dem Abpfiff.“

      Die Runde an ihrem Tisch war unmerklich zusammengezuckt, fasste sich aber schnell. Peinlich berührt nahmen sie das unterbrochene Gespräch wieder auf.

      „Wer ist denn noch in unserem Team und wann lerne ich die Kollegen kennen?“ Falk unterdrückte ein Aufstoßen der mittlerweile ungewohnten Menge an Kohlensäure.

      „Den anderen Mitgliedern wirst du in den kommenden Wochen und Monaten, nach der Ausbildung im Camp, über den Weg laufen. Für den Anfang musst du mit mir alleine auskommen“, schloss Kraft, aber das fiel Falk nicht schwer. Die letzten Jahre hatte er in Gemeinschaften gelebt und Alexander Kraft erwies sich als sympathischer Zeitgenosse. Nach fünf Runden Bier lallte Falk angeheitert, Kraft hieß jetzt Alex und die beiden Männer kehrten mehr oder weniger schwankend in die Unterkunft zurück.

      Kapitel 5

      Den Tag begannen Falk und die anderen Kursteilnehmer mit harten Tests der körperlichen Verfassung und ihrer Schießkunst. Morgens weckte ein schriller Pfiff die Männer und schmiss auch ihn aus dem Bett. Er eilte ans Waschbecken, spritzte sich kaltes Wasser gegen den aufkommenden Kater ins Gesicht und verfluchte Alex mitsamt seiner bierseligen Geselligkeit. Mit Zahnbürste und Mundwasser bekämpfte er seine Fahne, würgte Schaum, während ein Bohrer im Gehirn die Arbeit aufnahm. Nach dem Sprung in die Sportklamotten hetzte er in die Kantine zum Frühstück. Als er die Eingangstür öffnete, klopfte jemand von hinten auf die Schulter und ein grüßender Alex joggte vergnügt vorbei. Im Speisesaal empfingen ihn Düfte von Kaffee, frischen Backwaren und Rührei. Falk fasste am Buffet ordentlich zu und packte einen Eierberg auf den Teller; ein langer Unterrichtstag lag vor ihm und er wollte gestärkt sein. Mit Unmengen schwarzen Gebräus bekämpfte er den Kopfschmerz, dagegen begnügte sich Alex mit einem Brötchen und einer Tasse Tee. Falk, der ihm gegenübersaß, registrierte es mit Schadenfreude: Dem Kollegen ging es augenscheinlich auch nicht besonders gut - mochte dieser grinsen, wie er wollte. Dann hieß es Abmarsch und in Gruppenformation rannten sie in den Wald. Dort kletterten sie auf der Hindernisbahn über die Eskaladierwand und ähnliche Schikanen, balancierten auf Balken, seilten sich von einem Holzturm ab und hangelten an Tauen über breite Gräben. Bei der Abseilübung surrten die Stricke durch die gepolsterten Schutzhandschuhe und es roch verbrannt. Karabinerhaken klapperten und Falk lernte wieder, sich auf einen Kollegen zu verlassen, der von oben sicherte. Die Ausbilder brüllten, nahmen an allen Stationen die Zeiten auf und kritzelten eifrig Notizen auf Klemmbretter. Falks Füße trafen federnd auf den mit Kiefernnadeln bedeckten Waldboden, gleichmäßig pumpte die Lunge klare Luft und er fühlte sich fitter. Das Gehirn schaltete ab und er lenkte die Konzentration auf das Laufen; die gewohnte Methode, mit der er schon eine Erdumrundung an Kilometern rennend hinter sich gebracht hatte. Alles gar nicht so schwer, wie zu anfangs befürchtet. Doch nach drei Runden kommandierte ihn ein Treiber auf Seite.

      „Na, warm geworden, Kamerad? Hast dich genug aufgelockert, nun geht es ans Eingemachte“.

      Falk nickte wortlos und der Schleifer verpasste ihm einen sandbeschwerten Rucksack, dessen Riemen in die Schultern schnitten, und er dachte, bei den Marines gelandet zu sein. Weitere Runden später zitterten seine Beine, die Muskeln waren mit Blei ausgegossen und es fühlte sich an, als ob sein Kreuz brach. Er kotzte das Frühstück in den Wald und wusste jetzt, warum Alex am Buffet Verzicht geübt und gegrinst hatte.

      Nach jedem Lauf spurtete die Gruppe in den unterirdischen Schießstand. In dem Gewölbe verballerten sie kiloweise Munition durch Schusswaffen verschiedenster Fabrikate, sodass Hülsen klingelnd zu Boden regneten und Haufen bildeten. Pistolen knallten, Maschinenwaffen ratterten und Pulverdampf brannte in stechenden Luftröhren. Noch mehr Unbehagen bereitete es Falk, auf die Pappkameraden zu zielen, stellten sie doch in entfernter Weise Menschen dar. Dann verdrängte er den Gedanken, betrachtete die Schießerei von der sportlichen Seite und erzielte für seine Verhältnisse ganz gute Ergebnisse. Vor allem wenn er den Zeitdruck beachtete und die von der körperlichen Schinderei zitternden Hände. Die Ausbilder zeigten sich ebenfalls zufrieden und Falk dankte es jahrelanger Trainingsdisziplin. Verwundert nahm er zur Kenntnis, dass der schmächtigere Alex mit ihm Schritt hielt und noch besser schoss. Der geschniegelte Pfau machte sich mit Wonne dreckig und Defizite an Körperkraft kompensierte er mit eisernem Willen.

      Am Nachmittag lief es ruhiger an, es stand Theorie auf dem Plan und sie rückten in einen der Unterrichtsräume ein, dessen Wände im freundlichen Gelb gestrichen waren. Psychologisch anerkannt hob dies die Stimmung, Meister Feng-Shui ließ grüßen. Die Wandfarbe reflektierte das hereinfallende Sonnenlicht und Staubteilchen schwebten darin. Am Kopf des Hörsaals befand sich eine große Leinwand, auf die der Dozent während seiner Wanderschaft durch den Raum mittels Fernbedienung Bilder und Grafiken warf. Der Professor für Politikwissenschaft, der jung für sein Lehramt wirkte und sonst vor überfüllten Studiensälen gelangweilter Studenten referierte, erklärte die Profile und organisatorische Zusammensetzung möglicher Gegner. Er legte dar, wie diese sich Reisefreiheit, ungehinderte Geldtransfers und freie Datennutzung in den westlichen Staaten zunutze machten.

      „Terroristen, die versuchen mit einer radioaktiven Bombe im Reisegepäck über die Grenze zu schleichen, gibt es nicht. Jedenfalls zurzeit. Auch wenn solche Gruppen daran arbeiten - das Verschwinden gefährlicher Substanzen erregt mehr Aufmerksamkeit der Geheimdienste, als diesen Herren lieb ist. Aber gut organisierte Zellen, mit ausgebildeten Leuten, unerschöpflichen Geldmitteln und technischen Möglichkeiten, besorgen sich alles was sie benötigen in dem Land, das sie angreifen. Lassen Sie sich auch nicht vom steinzeitlichen Auftreten und mittelalterlich anmutender Kleidung täuschen, was das Verwenden neuester Technologien, Medien und Kommunikationsmittel angeht, herrschen keine Berührungsängste. Da sind die Islamisten längst im 20. Jahrhundert angekommen.“ Spannend und bildreich legte er dar, wie leicht es den Gegnern gemacht würde, sich zu sammeln und Aktionen vorzubereiten. Alex fand, dass der Mann jeden Euro wert war, den das Konsortium für seine Forschungsarbeiten im Gegenzug springen ließ. Der Gelehrte wies daraufhin, dass Terror beabsichtigte, Angst zu schüren.

      „Attentate oder die Bedrohung durch solche lähmen die Allgemeinheit, behindern Wirtschaft und Verkehr, schaffen eine psychologische Stresssituation bei den Bürgern, die auf das politische Verhalten Einfluss nehmen soll. So hart es klingt - ein paar Todesopfer verkraftet unsere Gesellschaft, aber keine Änderung der Lebensweise.“

      Danach kam ein älterer Beamter des Verfassungsschutzes an die Reihe. Als routinierter Ermittler sah er kein Problem darin, für einen Zusatzverdienst, der seinen über Beamtentarif angesiedelten Lebensstandard ermöglichte, die Truppen des Konsortiums zu schulen. Die Kursteilnehmer lernten technische Überwachungsgeräte und moderne Kommunikationsmethoden kennen; wie man unauffällig observiert und das sich die Geheimdienste schwertaten, V-Leute in die Terrorgruppen neuster Prägung einzuschleusen.

      „Bei den früheren radikalen Organisationen vom rechten und linken Spektrum handelte es sich um Personenkreise