Frank Fröhlich

Feuertaufe


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abgeschottet und es ist schwer, Informanten zu platzieren oder gar Angehörige solcher Gruppierungen umzudrehen.“

      Dann erklärte er - wenn eine Observation zum Erfolg führt - wie der Ermittler Feind und Lage einschätzt, in gefährlichen Situationen ruhig bleibt und mental damit fertig wird, auch äußerste Mittel einzusetzen. In diesem Punkt herrschte bei Falk weiterhin Skepsis, seinen Kollegen machte dieser Aspekt anscheinend wenig Kopfzerbrechen. Bei einigen glaubte er sogar Erwartungshaltung, gepaart mit Vorfreude auszumachen.

      „Ich muss zugeben“, sprach der Kriminalbeamte, „dass der bürokratische Weg, den die offiziellen Dienste unseres Landes gehen, nicht immer den heutigen Erfordernissen der Terrorbekämpfung entspricht. Deshalb ist der Ansatz des Konsortiums, unter der Oberfläche den Kampf zu führen, die richtige Strategie. Gewalt darf natürlich nur das letzte Mittel sein.“ Die wärmenden Sonnenstrahlen machten die Zuhörer schläfrig und sie hörten nur noch halb hin. Auch Falk sah dem flimmernden Ballett zu, dass die Staubteilchen in den Leuchtbahnen tanzten, und erlebte einen Teil des Unterrichts wie im Wachkoma. Seine Augenlider schmerzten vom Aufhalten mehr als die Oberschenkel durch den mörderischen Lauf des Vormittags. Eigentlich nahm er sich vor, Alex am Abend mit Fragen zu löchern. Doch die Müdigkeit siegte über die Moral. Nach dem Abendessen und einer Duscheinheit fiel er groggy ins Bett, und noch bevor der Kopf das Kissen berührte, schlief er wie ein Stein.

      Weniger Probleme machte Falk anderntags das Fahrtraining, welches im Anschluss an den morgendlichen Waldlauf stattfand. Gemeinsam mit Alex stapfte er zu den Fahrzeughallen und durch geöffnete Rolltore sahen sie Monteure schweißen, schrauben und flexen. Funken flogen und es roch nach Öl und Fett. Mechaniker in verschmierten Anzügen machten sich unter Hebebühnen an Fahrzeugen zu schaffen und in einer Reihe standen Autos, die bereits durch die Hände des Instandsetzungstrupps gegangen waren. Aus dieser Sammlung händigte ihnen der Hallenmeister einen ausrangierten, aber ordentlich frisierten Opel Astra mit grüner Streifenwagen-Lackierung aus.

      „Verabschiedet euch schon mal von eurem Schätzchen“, lachte Alex die bekümmert drein blickenden Mechaniker an. Er pflückte den Zündschlüssel von einem Brett und schmiss ihn Falk zu. Sie enterten den Wagen, Falk rückte sich den Sitz zurecht, checkte die einzelnen Hebel und Knöpfe, dann startete er das Auto. Gemächlich rollten sie an den Hallen und Werkstätten vorbei bis zum Start. Das Konsortium hatte nach Übernahme der Kaserne eine Asphaltbahn anlegen lassen, auf der Kleinflugzeuge landen könnten. Zudem versah man die Strecke mit Schikanen und sie war im wahrsten Sinne des Wortes mit allen Wassern gewaschen. Er gab langsam Gas, ließ den Motor warmlaufen und erntete ein dumpfes Grollen. Endlich wieder ordentlich PS unter der Haube zu bändigen und das Lenkrad zu halten, bereitete ihm großes Vergnügen.

      Dann gab Falk der Maschine freien Lauf und heizte über die Strecke. Er wich Hindernissen aus, verhinderte ein Schleudern, lenkte gegen und vollführte eine Vollbremsung, sodass sie sich um die eigene Achse drehten. Mit quietschenden Reifen raste er zurück und ließ richtig Gummi auf der Piste. Diesen Turn wiederholte Falk noch einige Male, in immer kürzeren Zeiten, dann lehnte er zufrieden in seinem Sitz. Trotz Abstinenz hatte er das Autofahren nicht verlernt. Alex gähnte hinter vorgehaltener Hand.

      „War das etwa alles? Sag mal, hast du überhaupt in den höchsten Gang geschaltet? Das kann selbst ein dressierter Schimpanse besser.“

      Er übernahm das Steuer, ließ die Reifen auf der Stelle drehen und qualmen, damit sie heiß wurden und Bodenhaftung bekamen. Vielleicht hatte er auch nur einen Knall, dachte Falk. Mit halsbrecherischem Tempo jagte Alex durch die Gasse aus Schikanen, vollführte am Ende eine doppelte Drehung und erreichte dennoch schneller als Falk das Ziel. Danach setzte er einen drauf und ließ die Fahrbahn aus der versteckten Sprinkleranlage wässern. Das Auto schleuderte hin und her, Gischt spritzte, aber zu keinem Zeitpunkt verlor Alex die Kontrolle über das Fahrzeug. Zum Schluss fuhren sie den gedemütigten Astra wieder in die Obhut der Mechaniker, die sich sofort an die Inspektion des geliebten Kleinods machten. Einer der Monteure hob die Motorhaube an, zog die Schweißerbrille hoch und schüttelte den Kopf. Falk kam es beim Verlassen der Halle so vor, als ob der Mann weinte.

      „Bist du im früheren Leben Rennfahrer gewesen oder was? Na, bei deinem kantigen Kinn wundert es mich nicht, liegt wohl in den Genen“, foppte Falk den Kollegen auf dem Weg zur Unterkunft.

      „Nee, ich nutze nur jede Gelegenheit, wenn keine Ehefrau neben mir sitzt und über meinen Fahrtstil nörgelt. Musst du dir vorstellen, schenkt mir einen Alfa Romeo und meckert, dass ich zu schnell fahre. Korrigiere - angeblich zu schnell. “

      Wieder ein Hinweis auf Krafts Privatleben, von dem er wenig sprach und sich wie eine Matroschka nur schichtweise enthüllte. Falk bohrte nicht in den Kollegen; seine eigene Vergangenheit dokumentierten Akten und bedurfte keiner weiteren Erläuterung. Er akzeptierte, dass Alex um Privates einen Bogen machte und sie beschränkten ihre Unterhaltungen auf das Dienstliche. Dabei gab es ausreichend zu besprechen, auch wenn Alex bei manchen Auskünften so geheimnisvoll tat, als schütze er den Heiligen Gral oder das Bernsteinzimmer.

      „Immer zwee Schuss, direktemang hintereinander“, wies der Schießausbilder Falk an. „Du darfst dem Jegner keene Chance lassen, es könnte nämlich deine Letzte sein.“

      Mit Doppelschüssen durchlöcherten die Schützen auf der Schießbahn die Pappfiguren. Trotz der Ohrenschützer drang das Dröhnen der Waffen an Falks Trommelfelle und die Luft stank nach Kordit. Er führte ein neues Magazin ein, lud durch und fasste das Ziel ins Auge.

      „Am besten is natürlich, den Appel zu treffen, dann muckst der nich mehr“, schrie ihm die Aufsicht, Feldwebel a. D. Icke, in dem Lärm zu. „Aber falls de unsicher bist, hälste voll uff die Wampe, da is jenüjend Treffermasse. Wenn de verstehst, wat icke meine?“

      „Klar Chef“, antwortete Falk, dem der pensionierte Soldat nun auf die Schulter klopfte. Von wegen klar, in Wahrheit behagte ihm die ganze Angelegenheit überhaupt nicht. Damals herrschte beim Sondereinsatzkommando die unausgesprochene Regel: Stürmte die Truppe eine Wohnung mit Verdächtigen, allem Anschein nach gefährlichen und bewaffneten Verbrechern, dann brüllten die Männer und rammten jeden Anwesenden zu Boden. Erst hinterher, wenn sie die Lage kontrollierten und den Festgenommenen Säcke über den Kopf gezogen hatten, stellte man Fragen. Manche Spezialeinheit drang aus Versehen in die falsche Bude ein. Obwohl schlampige Vorarbeit von Ermittlern daran schuld war, verursachten derartige Vorkommnisse in den Medien einen gewaltigen Rummel. Rambotruppe und Polizeigewalt hieß es und Falk verstand die Aufregung. Allerdings ließen sich diese Fehler größtenteils wiedergutmachen, es folgten Suspendierungen und hohe Entschädigungen. Hier schienen solche Gedanken eine untergeordnete Rolle zu spielen, nach einem Doppelschuss gab es kein Frage- und Antwortspiel mehr. Gehörte er tatsächlich zu den Guten?

      Beim Waffenreinigen sprach Falk seinen Kollegen auf dessen überragende Ergebnisse an, jede von Alex Zielfiguren schaute aus zwei zusätzlichen Augen.

      „Macht ihr eigentlich Gefangene? Sieht nicht danach aus.“

      „Selbstverständlich, wir brauchen ja Informationen, mehr als alles andere. Die Schießerei täuscht, das meiste, was uns an Aufgaben zufällt, ist stinklangweilige Nachrichtenermittlung.“ Sie zerlegten die Pistolen und wienerten die Einzelteile, entfernten jedes Atom Ruß und der ganze Raum roch nach Waffenöl. Aus vielen Ecken ratschte und klackte es, wo Kollegen Waffen montierten.

      „Und warum diese Übungen zum Todesschuss?“

      „Also, kommt es zu einer Auseinandersetzung, haben wir es nicht mit normalen Kriminellen zu tun, die wissen, wann sie aufgeben müssen. Unsere Gegner kennen null Angst vor dem Tod und nehmen dich mit Freude mit. Mach dir keine Sorgen, ein Bodycount findet keinesfalls statt.“ Alex inspizierte den Lauf, baute ihn ein, zog den Schlitten zurück und entspannte die Waffe. Erst danach führte er das leere Magazin ein.

      „Na ja, kommt es mal zum Gefecht, wirst du wohl der Beste sein, wenn ich mir deine Trefferquote ansehe“, meinte Falk, der noch mit einem Putzlappen am Verschluss rieb. Dann setzte er seine Schusswaffe ebenfalls zusammen.

      „Beileibe nicht, in unserem Team gibt es einen Scharfschützen und eine Amazone, gegen die bin ich blind wie ein Maulwurf.“

      „Es