Frank Fröhlich

Feuertaufe


Скачать книгу

und unsere Lady ist eine absolute Granate, in jeder Hinsicht.“

      „Da bin ich gespannt“, sagte Falk und ließ den Schlitten nach vorne schnappen.

      „Mach dir keine Hoffnung“, grinste Alex, „und jetzt beeil dich. Ich will noch was von der Mittagspause haben. Danach geht es in die Sporthalle, uns was die Birne weich kloppen.“

      Einen Brummschädel und gleichzeitigen Eklat gab es beim Nahkampftraining tatsächlich. Hierbei simulierten die Teilnehmer das Abwehren von Angreifern, die sich mit Fäusten, Messern und Stöcken auf sie stürzten. Das Ganze auch gegen mehrere Gegner, welche den Verteidiger umkreisten und von allen Seiten überraschend attackierten. Einige Schüler gingen rasch zu Boden und die Ausbilder fixierten sie im Handumdrehen.

      „Was ist los, Mädels?“, brüllte ein Schleifer, „das ist keine Krankengymnastik im Müttergenesungsheim. Bewegt gefälligst den Arsch, sonst reiße ich ihn euch auf, dass man einen Wagen drin parken kann.“

      Die Sporthalle stank nach Schweiß, der in vielen Jahren geflossen war, hallte vom Quietschen der Sohlen auf dem Boden und aufeinandertreffende Bambusstöcke klackten. Fäuste hämmerten gegen Pratzen und eine Gummimatte klatschte, als ein Körper aufprallte. Vor allem ertönte Kampfgeschrei, mit dem sich die Kontrahenten anstachelten oder Mut machten. In Abständen erklangen Schmerzenslaute und Schüler klopften auf Matten, wenn sie aufgaben. Das Opfer des Tages fiel aber fast lautlos mit einem Röcheln zu Boden. Ein Ausbilder griff zu forsch an, löste bei Falk Reflexe aus und dieser schlug ihm so heftig auf die Kehle, dass der Mann für Minuten nach Luft ringend auf der Erde lag. Zudem hatte er dem Fallenden noch den Ellbogen an den Kopf gerammt. Sofort entschuldigte er sich, aber Alex grinste zufrieden. Er wusste aus der Akte, Falks Augen, die kurz vor Wut aufgeblitzt waren, müssten eigentlich schlitzförmig sein. Denn von frühster Jugend an wuchs dieser mit asiatischen Kampfsportarten auf und hatte sich später zusätzlich Krav Maga, die israelische Variante der Selbstverteidigung angeeignet. Die kleine Einlage würde abends das Gespräch in der Kantine sein und alle sahen den Neuen mit deutlich mehr Respekt an. Mit dem Mann im Rücken ging Alexander Kraft gerne in den Einsatz, aber vorher musste er selbst dran glauben und leiden. Mit mächtigen Tritten, die auf seine Beinschoner droschen, scheuchte ihn Falk durch die Halle.

      „Was ist los Kleiner, fehlt dir die Knarre?“, provozierte Falk, doch sein Kollege winkte ab und lehnte keuchend an der Hallenwand.

      Nach dem Abendbrot hockten sie auf Alex Stube, der missmutig die blauen Male auf seinen gebräunten Beinen betrachtete. Er drehte und wendete sich, hängte den Waschspiegel aus der Halterung und inspizierte jeden Quadratzentimeter seines geschundenen Leibes.

      „Wir erkläre ich meiner Frau, woher die Dinger stammen?“, fragte er Falk, der es sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Stuhl bequem gemacht hatte und an einer Flasche Wasser nuckelte. Dieser setzte sein Getränk ab, pulte kleine Fetzen vom Etikett und lachte.

      „Sag ihr einfach, es wären Knutschflecke, von einer netten Kollegin.“

      „Prima, genau das wird sie vermuten, sie denkt ich arbeite normalerweise am Schreibtisch. Habe ich ihr jedenfalls erzählt. Auf die Art spar ich wenigstens die Sonnenbank und in die Sauna gehe ich so auf keinen Fall.“

      „Eben, wo willst du überhaupt ein Solarium auftreiben? Das Camp macht nicht den Eindruck eines Kurbetriebs und im Dorf nebenan lohnt sich so eine Einrichtung wohl kaum.“

      „Zu Hause, am Wochenende, meine ich. Mein holdes Weib und ich besitzen alles vom Feinsten in ihrer all-inclusive Villa. Im Kaff gibt es wirklich nichts, da hast du recht. Außer Diskretion.“ Alex zog die Hose hoch. Als sie über die Hämatome an den Oberschenkeln rutschte, biss er die Zähne zusammen und sog pfeifend Luft ein. Danach war er in seinem Element, feilte Nägel, pickte Stoppeln aus den Ohren und rasierte sich.

      „Das wollte ich dich sowieso fragen - wie ist das Verhältnis zu den Einheimischen; was sagt die Bevölkerung zum Treiben des Konsortiums?“

      „Machst du Witze? Der Dorfbäcker liefert die Brötchen, der Schlachter Fleisch, wir tanken an der Tankstelle im Ort und Handwerker kommen ins Camp für Reparaturen. Ein paar Bürger arbeiten fest in der Küche oder beim Wachpersonal. Als die Bundeswehr nach der Wiedervereinigung Standorte abbaute und den Laden dichtmachte, herrschte hier absolut tote Hose. Bis das Konsortium kam. Wenn wir nur versuchen würden abzuziehen, errichten die Leute brennende Barrikaden vor dem Tor.“

      „Außer, dass einige Menschen durch den Betrieb ihr Geld verdienen, gibt es keine festen Kontakte, oder?“

      „Was ist los, einsam? Suchst du ein amouröses Abenteuer?“

      „Quatsch, rein interessehalber. Der Gedanke kam mir heute beim Lauf. Dachte, wenn beides nahe beieinanderliegt.“

      „Ich habe gehört, dass Kollegen einem Rudel Skinheads in der Dorfkneipe eins auf die Nase gebraten haben. Hat sich zwar keiner ernsthaft drüber aufgeregt, aber seitdem halten wir uns nur noch im Camp auf. Zuviel Werbung können wir nicht brauchen. Im Übrigen glauben alle, hier bildet eine Sicherheitsfirma Personenschützer aus.“

      Das Zischen eines Sprays erfüllte die Luft sowie der Geruch von Alex Lieblingsduftnote. Er war fertig für die Nacht und Falk verschwand auf seine Bude.

      Beim morgendlichen Waldlauf stampften Falks Beine im Gleichklang auf die angefrorene Erde. Die Strecke führte ihn aus dem Wald raus über die Pampa des früheren Truppenübungsplatzes und er kämpfte sich den Hügel hoch. Ein Schwarm Vögel stieg auf und schimpfte wegen der Störung. Unter seinen Sportschuhen knirschte es, denn in der Nacht hatte es Bodenfrost gegeben und Reif bedeckte die Gräser. Vorboten der dunklen Jahreszeit, die dem Herbst mit raschem Schritt folgen würde. Dennoch durchströmte ihn ein Wohlgefühl. Das Laufen an der frischen Luft flutete seine Lungen mit Sauerstoff und Glückshormone marschierten durch die Blutbahnen zur Schaltzentrale, stellten dort die Hebel auf gute Laune um. Er hielt einen Moment inne, betrachtete aus der Ferne das im Morgennebel liegende Dorf, während die Sonne aufging. Genauso wie der Dunst über dem Ort legten sich Schatten aufs Gemüt. Jenna war eine Sonnenanbeterin gewesen, sie hätte diese Morgenröte geliebt. Falk dachte an seine Frau und musste schlucken. War es tatsächlich richtig, was er hier tat? Ein kalter Tropfen hing an seiner Nase, löste sich und segelte zu Boden; Atemwolken schwebten in der Luft. Im Rücken hörte er das Schnaufen der anderen Läufer, es wurde Zeit, das Tempo wieder anzuziehen und er rannte los. Gegen Ende der letzten Runde stand die Sonne am Himmel und schmolz den Raureif weg.

      Weitere Lehrgänge füllten den dritten Tag aus. Sie erlernten Techniken des lautlosen Tötens, wobei die Ausbilder Falk mit gemischten Gefühlen gegenübertraten. Einfache, dennoch tödliche Dinge wie Messer, Draht, Kugelschreiber und bloße Hände fanden Verwendung.

      Anschließend rasten sie mit Geländemotorrädern über den Fahrparcours und durch den Wald. Für Observationen boten die auffälligen Maschinen nur Nachteile, waren dagegen bei Verfolgungsjagden schwer abzuhängen.

      Die Gruppe studierte im Unterrichtsgebäude Aufzeichnungen über konspiratives Verhalten, wie man falsche Identitäten annahm und in einer anonymen Masse verschwand. Danach sahen sie einem Kampfmittelräumer beim Entschärfen von Sprengfallen zu.

      „Die meisten Bomben, mit denen wir zu tun bekommen, stellen nichts Raffiniertes mehr dar“, führte der Sprengstoffexperte aus. „Früher beschäftigten uns Konstruktionen, wo es Fingerspitzengefühl und Erfahrung brauchte, um sie unschädlich zu machen.“ Zwei fehlende Finger und ein Gesicht, über das ein Rasenmäher gefahren schien, zeugten davon - er wusste, worüber er sprach und die Teilnehmer hörten gebannt zu.

      „Heutzutage geht es den Bombenlegern darum, einfach zu beschaffende Materialien, am besten frei verkäuflich, zu technisch minderwertigen Sprengsätzen zu verarbeiten. Im Klartext, jeder Nachwuchsterrorist, der keine Vollniete in Chemie ist, kann sich seine Höllenmaschine mit Hilfe von Anleitungen aus dem Internet basteln.“ Der Experte wies auf die Chemikalien und Geräte, die er auf einem Tisch ausgebreitet hatte: Kosmetika und Haushaltsflüssigkeiten, Behältnisse aus Rohren, Drähte, Klebeband, Splittermaterial und verschiedene Zündquellen.

      „Ob