Tilmann A. Büttner

Adam Bocca im Wald der Rätsel


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besonders prächtig, er ist für die Pflege der Landschaft ein besonderer Schatz. Ich bin auch nicht sehr häufig dort, für einen Fußmarsch von hier aus ist es etwas zu weit, aber wenn ich da bin, machen mir die Wege keine Angst. Was da im Wald lebt, lebt ganz für sich.“

      „Und was lebt da?“

      „Keine Menschenfresser jedenfalls.“

      Und so spann sich ihr Gespräch fort, Frau Piyol beantwortete seine Fragen nach ihrem Leben hier draußen und er erzählte ihr auf ihre Gegenfragen davon, wie gerne er mitten drin in der Stadt wohnte. Die Getränke waren geleert und sie wurden durch ein Pfeifen wie von Wind und ein Geräusch schwankender Bäume unterbrochen.

      „Also doch“, sagte Frau Piyol, „auf den Wetterbericht ist eben Verlass. Es ist ein Sommersturm mit für heute Nacht vorhergesagt, vielleicht kommt mit dem Wind sogar ein Gewitter auf.“

      „Dabei sah es heute gar nicht nach Gewitter aus“, bemerkte Adam.

      „Ich weiß, aber hier draußen kann es etwas schneller umschlagen als in der Stadt. Sagen Sie, wollen Sie wirklich noch heute Nacht zurückfahren? Ich will Sie natürlich nicht davon abhalten, aber die Route bis zur Schnellstraße kann bei Sturm nicht ganz ungefährlich sein. Gerade die Stelle, von der wir gerade sprachen, da wo die Straße direkte durch den dichten Wald führt, ist leider nur selten weit genug von brüchigem Geäst freigeschnitten und jedenfalls derzeit weiß ich nicht, ob da nicht doch etwas herunterkommt. Da hilft Ihnen dann auch kein Verkehrssystem etwas.“

      Die Vorstellung, bei Sturm durch den nachtschwarzen Wald zu fahren, nahm sich im Vergleich zu der Möglichkeit, hier im Hotel zu übernachten und morgen früh die Gelegenheit zu haben, Frau Piyol noch einmal wiederzutreffen und vielleicht ein weiteres Mal mit ihr zu plaudern besonders wenig einladend aus.

      „Sie wären natürlich mein Gast, nicht mein Hotelgast. Der Sturm ist keine Akquisemethode von mir, um spätnachts noch einen Übernachtungskunden zu ergattern.“

      „Das ist wirklich sehr freundlich.“ Adam sah sich um, als könnte er in ihrem Büro etwas entdecken, was ihm aus seiner Unschlüssigkeit helfen könnte. Aber hatte er sich denn für den Rest des Abends etwas anderes vorgenommen, als so schnell wie möglich nach Hause zurückzufahren und sich noch eine Weile wegen des abrupten abgebrochenen Rendezvous mit Stella zu bedauern? Dann konnte er eben so gut warten, bis es wieder hell war, und dann in aller Ruhe in die Stadt zurückfahren.

      „Wenn Sie es sagen, dass eine Rückfahrt jetzt nicht ratsam wäre, dann wäre es wohl unklug, mich nicht auf Ihre Ortskenntnis zu verlassen. Ich nehme Ihr freundliches Angebot natürlich sehr gerne an.“

      „Abgemacht.“ Frau Piyol erhob sich, schaltete mit einer lässigen Handbewegung ihren Computer aus. „Ich bringe Sie zu einem der Hotelzimmer, Sie finden dort alles, was Sie zum Übernachten brauchen, von der Zahnpasta bis zum Schlafanzug. Wenn Sie morgen noch ein Fitnessprogramm mitmachen möchten...?“ Sie lächelte ihn liebevoll spottend an.

      „Oh danke, nein, morgen muss ich dann wirklich los.“

      „Ja, natürlich. Vielleicht müssen Sie noch jemandem in der Stadt Bescheid geben, dass Sie heute Nacht hier bleiben?“

      Verdammt, das war natürlich ein Punkt. Er hatte nicht einmal Stella angerufen, als er angekommen war, und nun war er schon über eine Stunde hier. Vielleicht machte Stella sich schon Sorgen, sie dachte doch immer in allem mit.

      „Ja, hm“, antwortete er, „das stimmt, das sollte ich wirklich gleich noch tun.“

      „Machen Sie nur, ich gehe eben zur Rezeption vor und suche ein nettes Zimmer raus und fahre für die Nacht alles runter. Die Pflichten einer Hotelière, die sich nicht dazu überwinden kann, sich auf andere zu verlassen.“

      Damit ging sie hinaus und schloss die Tür hinter sich. Es half ja nichts, er musste sich jetzt bei Stella melden, sonst brauchte er es nie wieder zu tun und sie würde, völlig zu Recht, bis in alle Ewigkeit sauer auf ihn sein. Er nahm sein Handy raus, wählte ihre Nummer, nur zwei Freizeichen, dann war sie schon dran.

      „Hallo Adam.“ Sie klang müde, vielleicht auch resigniert.

      „Hallo. Habe ich dich geweckt?“

      „Nein. Aber ich gehe gleich schlafen. Bist du schon wieder bei Dir?“

      „Nein, noch im Hotel. Es stürmt hier draußen ziemlich.“

      „Ja. Hab ich gesehen. Im Wetternetz.“ Sie dachte wirklich immer in allem mit. wahrscheinlich hatte sie, nachdem sie mehr als zehn Minuten auf seinen Anruf gewartet hatte, alle möglichen Infosparten über die Gegend des Lupinentals im Netz überprüft. „Das wird wohl auch noch heftiger, sagen die vom Wetterdienst. Du solltest entweder sofort losfahren oder dort bleiben.“

      „Der Hotelmanager meinte, es wäre besser, wenn ich hier bliebe, ich könnte hier für heute Nacht gut unterkommen.“

      „Wer? Ach so, Frau Piyol.“ Natürlich wusste Stella, dass das Hotel von einer Frau geleitete wurde und Adam wunderte sich über seinen dämlichen Ansatz, Stella etwas vorzuschwindeln.

      „Ja, Frau Piyol. Ich werde also besser hier bleiben.“

      „Gut.“

      „Ich ruf morgen an, sobald ich wieder in der Stadt bin.“

      „Mach das. Gute Nacht.“

      „Gute Nacht“ antwortete Adam, aber Stella da hatte schon aufgelegt.

      Adam seufzte. Jetzt hatte es ja doch keinen Sinn, sich noch mehr zu bemitleiden, wenn man kein Glück hat, kommt gerne noch Pech dazu. Das mit dem Sturm hatte er sich ja nun wirklich nicht so ausgesucht, und wenn er einfach nur den Token genommen und auf dem Absatz kehrt gemacht hätte, wer weiß, ob er es vor dem Aufziehen des Sturmes bis in die Stadt zurück geschafft hätte. Obwohl er die leise Ahnung hatte, dass er sich da nur schon einmal vorsichtshalber auf eine neue Ausrede für Stella vorbereitete. Seufzend steckte er das Handy ein und ging zur Rezeption vor.

      Frau Piyol sortierte dort Papiere in Ablagefächer ein, auf dem Tresen hatte sie einen Zimmerschlüssel bereit gelegt. Sie drehte sich lächelnd zu ihm um.

      „Entschuldigung“, sagte er „es hat etwas gedauert.“

      „Ganz und gar nicht, immerhin mussten Sie ja erklären, warum Sie heute in der Wildnis übernachten, nicht wahr? Beim Zimmer haben Sie die große Auswahl, es ist nicht sehr viel los, wie immer bei gutem Wetter, da finden die Leute genug Ausflugsziele in der Stadt. Ich empfehle Ihnen ein Zimmer im ersten Obergeschoss, es hat einen schönen Blick nach Osten. Meine Wohnung ist auf derselben Etage in derselben Richtung gelegen und ich freue mich immer wieder über den herrlichen Sonnenaufgang.“

      „Vielen Dank, das ist sehr liebenswürdig.“

      „Kommen Sie, ich zeige Ihnen noch Ihr Zimmer.“

      Er folgte ihr durch das von der Eingangshalle abgehende große Treppenhaus, hinauf in die erste Etage und durch einen Korridor, der heimeliger wirkte, als Adam es in einem Hotel vermutet hätte.

      „So, da ist es. Hier ist das Zimmer und da am Ende des Ganges wohne ich.“ Sie öffnete die Zimmertür, die Abendbeleuchtung einer Nachttischlampe und einer Leseleuchte gingen an. „Hier finden Sie wie gesagt alles, was Sie brauchen. Gute Nacht also.“

      Wie sie dastand, neben dem säuberlich abgedeckten Hotelbett, den Zimmerschlüssel in der Hand, sah es eher aus, als verabschiede sie ihn aus ihrem Zimmer. Adam wusste, dass nicht nur das täuschte. Sie musste ihm noch keine gute Nacht sagen, sie würden in dieser Nacht, später, viel später, nebeneinander einschlafen. Er machte einen Schritt auf sie zu, und sie atmete tief ein, straffte sich, schien ihm stehend entgegenzustreben. Sie hob die rechte Hand mit dem Schlüssel darin. Ließ den Schlüssel fallen, im tiefen Teppichboden klirrte er nur leise, setzte die Bewegung in einem Zug fort und ergriff ihn am Oberarm zog Adam, zu sich heran. Noch näher kam er, bis sie in mühelos mit der Linken umschlingen konnte, ihn hinabziehen auf das Bett, auf das sie sanft hinglitt, noch in der Bewegung hinab fanden ihre Münder sich, begannen einen endlosen Kuss in raumloser