Yuna Stern

I#mNotAWitch


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er nie wieder mit mir durch die Welt reisen würde, erschütterte mich.

      Der Vampir, der sich umgezogen hatte - jetzt trug er einen Smoking aus den Siebzigern -, nickte. »Absolut.«

      Im Keller hatten wir seine Geschwister gefunden, denen Trixie und Zach dasselbe Gift verabreicht hatten wie Jack. Beide rührten sich nicht mehr. Im Gegensatz zu Jack waren ihre Augen voller Entsetzen. Hand in Hand waren Bruder und Schwester gestorben, zusammen.

      Ich dachte an die Hexe Emilia Murdock, die ihre einzige Freundin verloren hatte. Ich nahm mir vor, mein Versprechen einzuhalten. Dass ich sie an Weihnachten besuchte, auch wenn mich die Erinnerung an Cork vermutlich schmerzte.

      Aiden stand etwas abseits von uns, er lehnte gegen den Maschendrahtzaun, sein Gesicht war der Straße zugewandt. Zu so später Stunde waren kaum noch Autos unterwegs, insbesondere nicht in dieser abgelegenen Gasse.

      »In Ordnung«, sagte ich zu Finley. »Hast du ein Feuerzeug?«

      »Ja.« Er kratzte sich am Kinn, ergänzte: »In der Abstellkammer im Erdgeschoss müssen auch noch ein paar Benzinkanister sein. Felicia war immer vorbereitet, weißt du, auf den Fall, dass so etwas ...« Er unterbrach sich und senkte den Blick. »Jetzt hat alles keinen Sinn mehr.«

      »Sag doch nicht so etwas«, knurrte Aiden von hinten. »Was hat schon einen Sinn?!«

      »Die Wissenschaft«, murmelte Finley. »Die Medizin. Die Physik. Die Che ...«

      »Schön für dich«, schnitt ihm Aiden das Wort ab. »Du hast unzählige Jahre studiert und etliche Doktortitel gesammelt. Gehen wir jetzt endlich?!«

      »Gleich«, sagte ich. »Hab doch ein wenig Geduld. Die Zeit wird uns schon nicht davonlaufen.« Dann wandte ich mich an Finley, der sich mit den Fingern über die Augen rieb, so als ob er gleich zu weinen anfing, und fragte behutsam: »Möchtest du, dass ich die Benzinkanister hole und alles vorbereite?«

      »Nein, ich denke, das muss ich selbst erledigen.« Finley O'Donoghue ballte seine Hände zu Fäusten, schickte ein Stoßgebet in den Himmel und marschierte zurück ins Gebäude.

      Wenige Minuten später kehrte er zurück, schmiss die leeren Benzinkanister achtlos auf die Sträucher im Hof, zückte aus seiner Jackentasche ein silbernes Feuerzeug, das er mir mit zitternden Händen überreichte, und sagte: »Es ist alles bereit. Doch ich habe mich geirrt. Das kann ich nicht. Tu du es bitte.«

      »Okay.« Mit dem angezündeten Feuerzeug folgte ich seiner verschütteten Treibstoffspur, auf der Treppe vor dem Eingang hatten sich Pfützen aus Benzin gebildet, die bis hinein ins Foyer des Gebäudes reichten und noch viel weiter. Dort ließ ich das Feuerzeug aus meiner Hand fallen, sprang zurück.

      Es dauerte nicht lange, bis sich das Feuer einen Weg hinauffraß, das Gebäude erreichte, woraufhin Flammen die Türrahmen bestiegen, und weiter hinein wanderten, bis sie sich überall verbreitet hatten. Sobald der Brand die Etage erreichte, in der sich Jack - nein, nur noch seine leblose Hülle - befand, schloss ich die Augen, denn ich konnte es mir nicht länger ansehen.

      Finley neben mir versuchte sein Schluchzen zu unterdrücken, was ihm misslang. »Wieso haben sie mich am Leben gelassen?«, fragte er sich zum wiederholten Mal an diesem Tag. »Das erschließt sich mir nicht.«

      Ich legte ihm den Arm um die Schulter. »Egal. Was auch immer sie mit dir vorhatten, sie können dir nichts mehr antun.«

      Als der Rauch bis in den Himmel stieg und die ersten Feuerwehrsirenen zu hören waren, kehrten wir dem Anwesen der O'Donoghues den Rücken zu.

      Es war Zeit, um zurück nach Bethel, in meine Heimat, zu reisen.

      Finley begleitete uns, denn er sagte, dass er seine Heimat für immer verloren hatte. Er konnte nicht länger in Cork bleiben. Ich hinterließ eine hastig niedergekritzelte Nachricht für Emilia Murdock, in der ich ihr erklärte, was mit den O'Donoghues geschehen war. Vermutlich hatte sie damit schon gerechnet. Und dass ich abreisen musste, um zu sehen, was mit meiner eigenen Familie passiert war. Zum Schluss dankte ich ihr für ihre Gastfreundschaft, die ich gerne irgendwann wieder aufgreifen wollte.

      Unsere Rückreise verlief größtenteils schweigend. Wir alle waren in unseren eigenen Gedanken versunken. Und teilweise waren die Landschaften, selbst zu späteren Stunden, dermaßen atemberaubend schön, dass es auch gar nicht nötig war, Worte darüber zu verlieren.

      Wir durchquerten Island, dessen unberührte Natur mich immer wieder aufs Neue faszinierte. In einer Nacht begegneten wir Polarfüchsen, die sich auf ihre Beute stürzten. Aiden jagte sie, kümmerte sich nicht um meine Einwände, um ein wenig Blut zu sich zu nehmen.

      Finley hingegen schlürfte ständig aus seiner Thermoskanne, in die er das Gebräu seiner Familie geschüttet hatte. Ich probierte es einmal, doch es schmeckte bitter und gefiel mir überhaupt nicht.

      Stattdessen ging ich eines Tages, den wir in Reykjavík verbrachten - innerhalb einer finsteren Höhle, die hinter einem Wasserfall versteckt lag -, alleine zu einer Tankstelle. Geld besaß ich keines. Und da ich nicht stehlen wollte, fragte ich um eine Möglichkeit, wie ich dem Besitzer den Sandwich, den ich mir ausgesucht hatte, bezahlen könnte. Misstrauisch war er zuerst, doch schließlich ließ er sich erweichen und bot mir an, mir die Mahlzeit zu spendieren, wenn ich seinen Kleinbus wusch. Als ich innerhalb weniger Minuten fertig war, staunte er nicht schlecht und überreichte mir das in Plastik verpackte Brötchen, das mit Käse und Salat belegt war.

      Stolz trat ich aus seinem Geschäft und biss herzhaft in das Essen, das ich mir eigenständig verdient hatte. Die Sonne schien mir ins Gesicht, vor mir lag eine weite hügelige Ebene, die zu einem Vulkan führte. Auch wenn ich die Hitze auf meiner Haut nicht spürte, auch wenn mir das Essen nicht schmeckte, so genoss ich doch den Umstand, am helllichten Tag draußen herumspazieren zu können. Mich mit meiner üblichen Nahrung versorgen zu können. Im Gegensatz zu Finley und Aiden.

      Denn ja, Emilia Murdock hatte recht behalten: Zwar fand ich die Speisen der Menschen scheußlich, doch sie halfen mir über meinen Durst nach Blut hinweg. Und sie sättigten mich, sodass ich nicht mehr ganz so schwach auf den Beinen war wie noch einige Monate zuvor.

      Sobald ich in die Höhle zurückkehrte, wartete Aiden mit verschränkten Armen auf mich. Ich hatte ihm von der Theorie der Hexe berichtet, dennoch schien er seine Zweifel zu haben.

      Finley lag beim prasselnden Wasser, das uns als Eingang diente und gleichzeitig die Sonne abschirmte.

      »Das hat ja lange gedauert«, sagte Aiden.

      »Ich habe gearbeitet«, erklärte ich knapp.

      Er legte seine Stirn in Falten und schien über meine Worte nachzudenken. »Ich verstehe dich nicht.« Sein Blick war wie hypnotisiert vom Feuer, das er in der Höhle angezündet hatte.

      »Was denn? Vielleicht kann ich dir einiges begreiflicher machen«, bot ich an und setzte mich zu ihm.

      Seine Nähe irritierte mich nicht mehr. Es fühlte sich richtig an. Seine Hand zuckte an meinem Knie vorbei, er wich jedoch nicht vor mir zurück. »Ich habe ...«, begann er und überlegte es sich offenbar anders.

      »Ich auch«, sagte ich, denn ich meinte zu wissen, was ihm auf der Zunge lag. Ich hatte ihn auch vermisst. Erst jetzt begriff ich es, spürte es in meinem gesamten Körper, das sich bei seiner Anwesenheit irgendwie vollständig anfühlte. So als ob ich freier war, mich nicht mehr davor hüten musste, was ich tat oder sagte. »Wie hast du mich eigentlich gefunden?«

      »Ich habe dich nie verloren«, raunte er, so als ob es vollkommen selbstverständlich war, dass er mir durch die halbe Welt gefolgt war.

      Danach verzogen sich seine Lippen zu einem schiefen Grinsen. Seine Augen fixierten mich, seine linke Braue schoss in die Höhe. »Und wie ich sehe, hast du letztendlich doch Gefallen am Vampirsein gefunden.« Wie? Was meinte er? Mit betont ruhiger Stimme fragte er: »Liam, so hieß er doch, richtig?«

      Ich spürte, wie mir die Röte das Gesicht flutete. Oh, nein. Als er lachte, stieß ich ihn sanft mit dem Ellbogen an. Und schämte mich unheimlich.

      »Ich