Yuna Stern

I#mNotAWitch


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wie sie. Und genau solch einen ... wie soll ich ihn beschreiben ... unerschütterlichen Blick.« Sie räumte einige Zeitschriften auf dem Holztisch vor ihren Füßen beiseite und stellte ihr ausgetrunkenes Glas ab. »Möchtest du, dass ich danach suche? Irgendwo in meinem Kleiderschrank muss ich es noch haben.« Bevor sie aufstehen konnte, schüttelte ich hastig mit dem Kopf.

      »Also ...« Sie lehnte sich zurück und schob sich ein selbstbesticktes Kissen mit Blumenmuster hinter den Rücken. Auf der Sofakante hinter ihrem Kopf erschien eine schwarze Katze, die sich mit einem zielsicheren Sprung auf ihren Schoß warf. »Was hast du angestellt?«

      »Wie bitte?«

      Sie lachte leise und offenbarte ihre schiefen Zähne, direkt auf ihrem abgebrochenen Schneidezahn klebte ein silbernes Steinchen. »Vor einigen Monaten habe ich gemerkt, wie ich mit einem Mal wieder zaubern konnte. So wie damals ... bevor die Geschichte mit Theresa Donovan passierte. Doch dann ... nur wenige Wochen später«, sie schnippte mit ihren Fingern, »alles wieder futsch.« Sie streichelte ihrer Katze über den Kopf, die mich feindselig musterte. »Es kann kein Zufall sein, dass du jetzt hier auftauchst. Also ... was hast du verbrochen?«

      Bevor ich ihr antworten konnte, holte mich meine Sünde von vorhin wieder ein. Ich sprang auf, murmelte: »Tschuldigung. Mir geht's schlecht.« Und rannte zurück in den Flur, wo mir zuvor die halb geöffnete Tür zum Bad aufgefallen war.

      Eine Viertelstunde später kehrte ich mit leerem Mageninhalt wieder zurück. Ließ mich nach hinten gegen die Couch fallen und seufzte. Ich musste scheußlich aussehen, bleich angelaufen, mit schweißdurchnässten Haaren und Augen, die aus ihren Höhlen sprangen. So fühlte ich mich jedenfalls.

      Emilia Murdock hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sie sah mich nur wesentlich besorgter an, fast schon großmütterlich. In ihrem Kopf schien es zu arbeiten, wie sie mir helfen könnte. Stirnrunzelnd berührte sie meine Wange, als ob sie meine Temperatur überprüfen wollte, und sagte frei heraus: »Das hat aber gar nicht gut geklungen, Mädchen. Trägst du etwa Satans Spross in dir?« Ihre Frage war durchaus ernst gemeint, mitleidig blickte sie mir auf den Bauch. Doch irgendwie brachte sie mich dazu, dass ich auflachte, sobald ich das hörte.

      »Nein«, kicherte ich. »Zum Glück: Nein.«

      »Puhh.« Sie zog ihre Hand zurück und hob die Augenbrauen. »Da haben wir also den Grund, weshalb ich meine Kräfte wieder verloren habe.«

      Ich nickte und begann ihr zu erzählen, was vor einigen Monaten passiert war. Und dass ich mich zum Schluss, bevor ich mein sogenanntes Schicksal erfüllen musste, in einen Vampir verwandelt hatte.

      Während meiner Schilderung öffnete sich ihr Mund, entgeistert starrte sie mich an. Nachdem ich geendet hatte, stotterte sie: »Du bist ... jetzt ... eins von diesen Wesen?« Ihr prüfender Blick wanderte über meinen Körper, als ob ihr das irgendetwas über meinen Zustand verraten würde. »Unglaublich.«

      Sobald ich ihr davon berichtete, dass ich das Hauptnahrungsmittel der Vampire jedoch nicht vertrug, stieß sie ein »Ach, nein, wie furchtbar!« aus.

      Eine Weile schwieg sie und schien über meine Worte zu grübeln, während ich vorsichtig die Hand hob, um ihre Katze zu kraulen. Sie kreischte auf und kratzte mich mit ihren Krallen, ohne dass ich mich dabei verletzte. Das schien sie zu irritieren, denn sie wandte sich um und zog sich mit eingezogenem Schwanz wieder hinter der Couch zurück. »Hast du es schon mal probiert«, begann Emilia Murdock vorsichtig, »ganz normales Essen zu dir zu nehmen? Wie früher?«

      Ich schüttelte den Kopf. Darauf hatte ich seit meiner Verwandlung wahrlich keinen Appetit.

      »Hm, lass uns das mal ausprobieren.« Sie stand auf, wobei ihre Gelenke knackten, humpelte zum Küchenschrank und durchsuchte die Schubladen. Mit einer raschelnden Tüte kehrte sie zu mir zurück. Darin enthalten waren Mini-Nussschokoriegel. »Probier mal.« Auffordernd hielt sie mir die Tüte hin.

      »Lieber nicht«, murmelte ich. Schon der Anblick verursachte einen Brechreiz bei mir.

      »Besonders helle bist du nicht, was?«, beleidigte sie mich, ohne es wirklich böse zu meinen. Hoffte ich jedenfalls. »Ich versuche, dir zu helfen. Damit du nicht verhungerst. Nimm schon.«

      Ich gab auf und zog eine der Süßigkeiten heraus. Wie eine tote Fliege hielt ich sie zwischen meinen Fingerspitzen und konnte mich nicht dazu durchringen, die Verpackung zu lösen.

      »Brauchst du Hilfe, oder was?«

      Emilia Murdock verdrückte nacheinander drei der (für sie jedenfalls) Leckereien. Ich wollte es mir überhaupt nicht vorstellen, wie das schmeckte. Auch wenn ich es früher wohl gemocht hätte, jetzt bereitete es Gänsehaut auf meinen Armen, während ich die Plastikhülle entfernte und die klebrige Schokolade ertastete.

      »Und ab damit. Mach schon.« Die Hexe klopfte mir bekräftigend auf die Schulter. »Wenn du es nicht probierst, weißt du nicht, ob du es vielleicht verträgst. Und auch wenn es schrecklich schmeckt, stell dir vor es ist ...«, sie zuckte mit den Achseln und schaute zur Decke, wo eine Lampe mit gelb angelaufenem Glasschirm hing, unter dem sich tote Fliegen befanden, »ein saftiges Blutsteak.«

      Der Vergleich half mir ebenfalls nicht weiter. Blut empfand ich als genauso widerlich, auch wenn mir die Jagd an sich, wohl wegen meines Vampirinstinkts, ausgesprochen gut gefiel. Ich warf die Schokolade wie eine Pille ein und kaute auf ihr herum. Der Geschmack war genauso, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Unerträglich. Hastig spülte ich mit Eistee nach, was alles nur umso schlimmer machte, und hustete.

      »Siehst du«, sagte Emilia Murdock. »So schlimm war es doch gar nicht, oder?«

      »Und jetzt?«, krächzte ich.

      »Jetzt warten wir ab, ob die Schokolade dieselben Reaktionen bei dir hervorruft wie Blut. Oder ob dein Körper sie als Lebensmittel für dich akzeptiert und womöglich sogar von früher erkennt.«

      Sie erklärte mir ihre Theorie: »Ich habe noch nie von einer Hexe gehört, die sich in einen Vampir verwandelt hätte, daher gibt es wohl keine Präzedenzfälle. Doch ich nehme an, dass du dadurch keine vollständige Umgestaltung erhalten hast, da du bereits auf gewisse Weise ein ... übersinnliches Wesen warst. Wenn du also jetzt nicht nur Vampir bist, sondern ein Teil von dir noch genauso ist wie früher, dann vertragen sich diese beiden Faktoren nicht und sorgen dafür, dass du kein Blut verträgst, auch wenn der Wille zur Aufnahme besteht. Vermutlich hat sich das Gift durch dein ursprüngliches Erbgut als Hexe ... geändert. Somit trägst du jetzt Vampirmerkmale, so wie die Fangzähne et cetera. Aber gleichzeitig bleibst du noch Hexe. Sag mal«, sie zwängte sich direkt neben mich und brachte damit den Bücherstapel zum Umfallen, »hast du Probleme mit Sonnenlicht?«

      Nein, hatte ich nicht! Jetzt verstand ich, was sie meinte. Und wenn sie recht hatte? Dann bedeutete das, dass ich tagsüber herumspazieren konnte, ohne vom Sonnenlicht gestört zu werden. Und stinknormales Essen einnehmen durfte, auch wenn es für mich wie Pappe schmeckte. Das ergab so viele Möglichkeiten! Ich konnte vielleicht ... ein relativ normales Leben führen! Alles tun, was andere Menschen auch taten und was ich seither so schmerzlich vermisste! »Das würde bedeuten«, meinte ich, »dass ich nur eine Art Kreuzung dieser beiden Gattungen bin?«

      »Genau, das nehme ich jedenfalls an«, sagte Emilia Murdock zustimmend, »ein Hybride.«

      Sie legte mir wie eine Freundin den Arm um den Nacken, die Silberreifen an ihrem rechten Handgelenk klimperten. Ihr hauteigener Geruch nach Essig strömte mir entgegen. Doch ich schreckte nicht zurück. Ich war ihr so dankbar und hoffte sehr, dass es stimmte.

      »Und wie genau hast du von mir erfahren, Quinn?«, fragte sie.

      Ich erzählte ihr, dass ich eigentlich wegen der O'Donoghues nach Irland gereist war.

      »Oh.« Abrupt ließ sie mich los und stieß mit ihrem Ellbogen das Eisteeglas auf dem Tisch um. Der restliche Inhalt kippte auf ihre Zettel, die dort herumlagen. Werbeprospekte sowie aufgerissene Briefumschläge.

      Ich stand auf und rannte zur Küche, um mit einem Papiertuch zurückzukehren und alles zu säubern. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte ich.

      Erst