Yuna Stern

I#mNotAWitch


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mich irgendwann fragte: »Geht es dir jetzt besser? Verträgst du das Blut?«

      Nein, es half alles nichts. Mal wieder spürte ich, wie mich der Brechreiz überwältigte. Zitternd drehte ich mich auf die Seite, zog die Beine an. Wünschte mir mit krächzender Stimme eine Decke. Es war plötzlich so kalt.

      Ich schloss die Augen.

      Die Gesichter meiner Familie erschienen hinter meinen Lidern. Abweisung spiegelte sich in ihren Blicken. Meine Mutter, die mich dafür verabscheute, was aus mir geworden war. Ich konnte mir schon denken, was sie von mir hielt, auch wenn ich sie nach meiner Verwandlung nicht mehr gesehen hatte. Savannah, Samuel und Phoebe: meine Geschwister.

      Ich wollte es mir nicht eingestehen, nicht an sie denken, doch ja, verdammt, ich vermisste sie.

      Während ich mich meinen Erinnerungen hingab, bemerkte ich erst einmal nicht, wie Felicia mit ihren Aufzeichnungen aufgehört hatte. Erst als ich ein Räuspern vernahm, blinzelte ich sie an.

      Sie stand mit einem seltsamen Glanz in den Augen neben mir und lächelte. Schwerfällig hob ich den Kopf und bat darum, dass sie die Heizung aufdrehte. Oder irgendetwas tat, nur damit es nicht mehr so eisig kalt war. »Und eine Schüssel, Eimer ... oder ... Waschbecken.«

      Sie nickte, half mir auf, stützte mich und führte mich hinüber zum Waschbecken. Nachdem ich all das Blut wieder ausgespuckt hatte, brachte sie mich zurück zu der Liege.

      »Gift«, flüsterte sie. »Es wirkt wie Gift bei dir.«

      »Wie meinst du das?« Meine Stimme hörte sich so weit entfernt an. Erneut fielen mir die Augen zu.

      Eine Weile sagte sie nichts mehr, während ich schlief. Hatte sie mir etwa zusätzlich zur Blutkonserve ein Medikament zur Ruhigstellung verpasst? Auch wenn mich der Gedanke einen Moment lang beunruhigte, so dachte ich nicht länger darüber nach.

      Es war angenehm, mich endlich einmal zurücklehnen zu können. Meine kräftig gewordenen Sehnen und Muskeln, die seit meiner Verwandlung derart angespannt waren, entspannen zu lassen. Zu ... träumen.

      Aiden.

      Irgendwann war er alles, was mich innerhalb dieser Sekunden beschäftigte. Nur noch er. Sein Lächeln, das ich vermutlich nie wiedersehen würde. Seine Umarmungen, die mir ein unwiederbringliches Gefühl von Sicherheit spendeten. Hitze stieg mir ins Gesicht, weil ich mich so schuldig fühlte.

      Er hatte mich nur nicht verlieren wollen, deshalb hatte er es getan.

      Warum hatte ich das nicht sofort begreifen können? Warum hatte ich solch eine Angst verspürt, als ich nach meiner Verwandlung in seiner Gegenwart war?

      Es war nur ein Instinkt gewesen, verstand ich plötzlich. Mein Körper wehrte sich gegen das, was er mir angetan hatte. Die Schmerzen wollte er nicht erneut durchleben müssen. Es war eine Art Abwehrmechanismus, mit dem ich mich, ohne es damals wirklich zu begreifen, selbst zu schützen gedachte.

      »Aiden«, flüsterte ich. Wo war er nur? Was tat er jetzt?

      »Aiden«, wiederholte Felicia. »Wer ist das?«

      Ohne wirklich bei Sinnen zu sein, erzählte ich ihr von ihm. Und dass ich ihn gemocht hatte. Sehr sogar.

      »Und er?«

      »Er hat mich getötet«, entgegnete ich. »Das ist alles.«

      Danach schwieg sie eine Zeit lang. Und gab mir schließlich die Antwort zu der Frage, die ich ihr davor gestellt hatte: »Er wird dich immer wieder töten, Quinn. Indem er dich zu einem Vampir gemacht hat, hat er dir einen noch größeren Fluch bereitet. Denn Blut wirkt wie Gift bei dir. Irgendwann wird es dich zugrunde richten.«

      Dass sie zum Schluss darüber lachte, das merkte ich nicht mehr.

      Kapitel 3

      Ich wachte in einem Nebenzimmer auf, aufgeschreckt durch Jacks laute Stimme, die aus dem Flur zu mir hereindrang. Er diskutierte mit Francis und Felicia darüber, dass sie mir ohne meine Einwilligung Medikamente verabreicht hatten.

      Sie stritten das selbstverständlich ab.

      Mit klarerem Kopf richtete ich mich auf, schlich zur Tür und lugte hinaus. Dort draußen stand er, mit fuchtelnden Armen und Flüchen auf den Lippen, die ich so nie bei ihm erwartet hätte. Sein Beschützerinstinkt machte ihn mal wieder zu meinem Verteidiger, ohne dass ich ihn darum gebeten hatte.

      »Hör auf«, rief ich.

      Er stockte und drehte sich zu mir um.

      Hinter seinem Rücken trat Felicia hervor und marschierte auf mich zu. Mit in den Hüften gestemmten Händen blieb sie vor mir stehen. »Ich hoffe, dass es dir besser geht, Quinn.« Ihre Stimme klang kalt. Mit ihrem intensiven Blick fixierte sie mich, betrachtete mich von Kopf bis Fuß.

      »Ja«, sagte ich. »Vielleicht.«

      »Aus dem Weg.« Jack schob Felicias abgezehrten Körper mit der Hand zur Seite, drängte sich an ihr vorbei und kam zu mir ins Zimmer. Bevor er die Tür zuschlug, fauchte er den Vampirärzten zu: »Ihr bleibt draußen.«

      Hier drinnen war es hell und sauber, im Gegensatz zu den restlichen Zimmern, die wir bisher in der Hospizanlage gesehen hatten. Ein Hochbett stand an der Wand, die Bettlaken darauf wirkten frisch bezogen. Auf der anderen Seite hing ein Bild, was Corks historische Gebäude in der Nacht darstellte. Es war nur in Blautönen gehalten, schien mit Aquarell gemalt worden zu sein. An der Decke hing eine Leuchtstoffröhre, die surrte. Einige Minuten lang war dies das einzige Geräusch im Zimmer.

      Jack schlang seine Arme um mich, hielt mich so fest er konnte, ohne irgendwelche Worte über die letzten Stunden zu verlieren.

      Ich ließ ihn gewähren, platzierte meine linke Wange auf seiner Schulter.

      Ich lauschte auf die Schritte von Francis und Felicia, die sich allmählich entfernten. Nur ihr Wispern konnte ich hören, die ausgesprochenen Worte jedoch nicht näher identifizieren. Waren sie wütend?

      Irgendwann, ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, löste Jack sich von mir, strich mir über den Haaransatz und murmelte: »Verdammt, Quinn. Du hattest von Anfang an recht. Das sind ... Spinner. Ich glaube nicht, dass sie dir helfen können.« Er trat zurück mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck.

      »Du brauchst dir nicht so viele Sorgen zu machen«, begann ich leise, »wirklich, Jack. Du wirst mich nicht ewig beschützen können.« Ich musste es schließlich selbst lernen, wie ich mich verteidigen konnte.

      Er stöhnte, wandte seinen Blick von mir ab. »Ich habe alles gehört«, sagte er und rieb sich über die Stirn, »was du über ihn erzählt hast.« Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Quinn, nach alldem, was er dir angetan hat. Wie kannst du nur?«

      Schuldbewusst zuckte ich zusammen. Öffnete den Mund, um zu antworten. Doch keinerlei Worte gelangten über meine Lippen. Ich zögerte, bevor ich zugab: »Ich kann es dir nicht erklären. Er ist einfach irgendwie ... immer noch da. Ich merke es hier.« Ich zeigte auf mein Herz. »Verstehst du das?« Gleichzeitig dachte ich nur: Was für ein romantischer Unsinn. Warum verletze ich ihn immer wieder?

      »Nein. Nein, Quinn. Das tue ich nicht.«

      Ich konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen, senkte den Blick. Schämte mich so unendlich. Jack wirkte: Getroffen, wie von einem Pfeil. Mit schmerzverzerrter Miene huschte er vor mir davon, so als ob ich gefährlich war. Blieb vor einer Kommode stehen, die mit einem Schloss versehen war, drehte sein Gesicht weg. Verbarg seine Emotionen vor mir, leider nicht geschickt.

      »Es tut mir leid«, sagte ich zum gefühlt hundertsten Mal. »Ich wünschte, es wäre anders.«

      Vermutlich hatte ich diese Worte zu oft gesagt, denn sie schmeckten bitter, abgestanden. »Doch dagegen kann ich nichts tun, dass Aiden ...«

      Jäh unterbrach er mich: »Bitte, sag seinen Namen nicht mehr ...« Und dann schlug Jack die Hände über dem Kopf zusammen und sank auf den