Yuna Stern

I#mNotAWitch


Скачать книгу

diese Nichtsnutze.« Er verstellte seine Stimme, ließ sie tiefer klingen, als hätte er Halsschmerzen. »Zach, hat er zu mir gesagt. Ich werde dir die Krone überreichen. Und Trixie als deine Königin einsetzen.« Die Erinnerung an diese Worte schmerzte ihn offensichtlich, denn er schluchzte. »Und du«, sein irrer Blick wanderte zu mir, »hast alles kaputt gemacht.«

      Bevor er sich auf mich stürzen konnte, warf sich Finley von hinten auf ihn. Doch er war zu schwach. Der Vampir, dessen Namen ich nun erfahren hatte, Zach, schüttelte ihn von sich und trat ihm in die Eingeweide. Er fiel rücklings auf den Boden, heulte vor Schmerz.

      Ich spannte meinen Körper an, wappnete mich vor seinem nächsten Angriff, der mich jedoch letztendlich viel heftiger traf, als ich es erwartet hatte. Er schleuderte mich durch die Hinterwand des Gebäudes, das Mauerwerk zerbarst durch die Wucht, sodass ich auf dem Hof landete. Auf dem taufeuchten Gras.

      Wie ein Vogel folgte er mir durch die Luft, landete neben mir. In seinen Augen funkelte der pure Hass. Er war bereit, alles zu tun, um den möglichen Tod seiner Geliebten zu vergelten.

      Ich wollte aufspringen, doch er hinderte mich daran. Presste meine Schultern gegen den Erdboden. Drückte mir mit seinem Arm gegen die Kehle, wie um mir die Luft abzuschnüren. Ich stöhnte, war kurz davor, ihm die Wahrheit zu sagen. Dass ich Trixie nicht getroffen hatte.

      Doch dann ... tauchte jemand in der Dunkelheit auf. Die Gestalt eines Mannes. Ich nahm an, dass es Finley war, der sich wieder erholt hatte.

      Er trat näher, seine Silhouette wirkte mit einem Mal so vertraut. Trotz meiner vor Schmerzen zusammengekniffenen Augen konnte ich die Lederjacke erkennen. Er ... war es. Natürlich. Hatte ich es nicht wenige Stunden vorher gesagt? Er war immer da gewesen, ich hatte es irgendwo tief in meinem Inneren gewusst.

      Aiden trat ins Sonnenlicht, das sich plötzlich einen Weg durch die Wolken bahnte. Er ließ sich nicht davon erschrecken. Es nieselte nur noch, die Regentropfen benetzten seine Wangen. Ohne dass er etwas sagen musste, bemerkte mein Angreifer von selbst, dass sich jemand hinter ihm befand, der meine Aufmerksamkeit für sich beanspruchte.

      Zach wandte sein Gesicht um, zischte beim Anblick des Neuankömmlings: »Wer bist du?!«

      »Der Mörder deiner Trixie«, entgegnete Aiden und zog aus seiner Jackentasche eine Kette mit einem Medaillon, die zuvor um den Hals der Vampirin gehangen hatte. »Wenn du willst, vereine ich dich mit ihr.«

      Einen Moment lang wirkte Zach, der mich noch immer festhielt, perplex. Diesen Moment machte ich mir zunutze. Ich nahm all meine Kraft zusammen, stützte mich mit meinen Fäusten auf dem Gras ab, bevor ich seinen Körper mit einem ruckartigen Salto von mir schmetterte. Rasch hob ich den Pflock, den ich bei meinem Sturz aus der Dachkammer verloren hatte, wieder auf. Und bevor Zach aufstehen konnte, warf ich mich mit der Waffe auf seine Brust, traf ihn, bohrte die Spitze des Pflocks durch seinen Oberkörper.

      Er erstarrte und versteinerte unter meinen Händen, ohne sich fortbewegen zu können, ohne flüchten zu können. Und ohne dass ich Aiden darum bat, zog er aus seinem Rucksack eine Axt, um ... Ich wandte das Gesicht ab, um es nicht sehen zu müssen. Dennoch hörte ich das kratzende Geräusch, das die Axt beim Abtrennen des Kopfes vom Rumpf verursachte.

      Nach einigen Minuten war es vorbei, geschafft. Wir hatten sie besiegt. Der Kampf war zu Ende.

      »Geht es dir gut?«, fragte Aiden, ohne mich anzusehen.

      »Ja«, antwortete ich, »danke.«

      Und dann dachte ich nur, dass ich zurück zu Jack musste. Ihm ein Heilmittel beschaffen musste, um ihn zu retten, wiederzubeleben. Ich hatte es ihm versprochen.

      Durch den Hof hastete ich zurück zum Eingang des Gebäudes, nahm erneut die Treppe, blieb im ersten Stock stehen. Panisch stellte ich fest: Da war er nicht mehr. War er aufgestanden? Oder ...?

      »Jack?!«, schrie ich.

      Konnte es sein, dass das Gift nicht gewirkt hatte? So wie bei mir? Dass er aufgestanden war und ... sich irgendwo ein sicheres Versteck gesucht hatte? »Jack?!«

      »Er ist bei mir«, hörte ich die Stimme von Finley aus einem Raum in der Nähe, den ich bei meiner Suche nach den Vampiren schon entdeckt hatte. Sofort eilte ich dorthin, stieß die angelehnte Tür auf. Ganz hinten befand sich immer noch die Gefriertruhe, deren Klappe jetzt geöffnet war. Ihr Inhalt war leergeräumt. Auf dem Boden lag ... Jack. Der Vampir schüttete ihm Tropfen aus einer Porzellanflasche in den grau angelaufenen Mund.

      »Was tust du mit ihm?«, rief ich wütend.

      Er hob abwehrend die Hände, ließ die Flasche fallen, sie zersplitterte. Ihre Flüssigkeit verteilte sich auf dem Boden. »Ich habe ihm nur helfen wollen«, erklärte er. »Aber es ist ... zu spät.«

      »Nein«, rief ich. Ich sauste zu dem leblosen Körper von Jack, der sich nicht rührte. Kein bisschen. »Wach auf.« Mit beiden Händen schlug ich auf seine Brust ein, die sich nicht hob und senkte. Als würde ich Reanimationsversuche machen, versuchte ich ihm Luft einzuhauchen. Oder das Gift irgendwie aus seinem Körper zu saugen. Ich biss ihm in den Nacken. Doch seine Haut zerbarst wie Pulver unter meinen Fangzähnen. »Nein. Nein.« Ich warf dem fassungslosen Finley neben mir einen flehenden Blick zu. »Tu doch etwas«, bat ich ihn.

      »Es ist nicht möglich«, entschuldigte er sich. »Er ist ... weg. Für immer.«

      »Doch er ist nicht ...« Ich wollte es nicht glauben. Er war nicht geköpft worden! Konnte es denn nicht noch eine letzte Möglichkeit geben, ihn zu erwecken? Ich betrachtete seine reglosen Lider, die nicht vibrierten, wie sonst, wenn er schlief oder entspannte. Und seinen Mund, auf dem zwar noch ein Lächeln haftete, das jedoch so maskenhaft wirkte, dass mir ein Schauer über den Rücken lief.

      Ich legte meine Arme um ihn, presste mein Gesicht gegen seine Brust, lauschte auf sein Herz, das vor allzu vielen Jahren zu schlagen aufgehört hatte.

      »Lass ihn los«, erklang Aidens Stimme. Er stand an der Tür und sah mich stirnrunzelnd an. »Hör auf damit.«

      Wie meinte er das? Ich sollte aufhören? Er war doch selbst sein Freund gewesen? Verspürte er denn gar keine Trauer?!

      »Nein, er wird aufwachen«, flüsterte ich. »Es muss eine Möglichkeit geben. Es muss einfach.«

      »Nein«, erwiderte Aiden. Er marschierte auf mich zu und packte meine Schultern, riss mich von Jacks Leichnam zurück. Ich kämpfte gegen ihn an, doch meine Kraft war aufgebraucht. »Du machst dich lächerlich«, gab er mir mit verärgerter Stimme zu verstehen. »Hör auf, dich wie eine Wahnsinnige aufzuführen. Er ist tot. Jetzt lass ihn in Frieden.«

      »Wie kannst du das sagen?« Dennoch gehorchte ich ihm und weinte stumm.

      »Quinn«, sagte er. »Jack hat ein langes, erfülltes Leben hinter sich. Sieh ihn dir an. Wirkt er traurig auf dich? Nein, er lächelt. Weil ... du bei ihm warst. Verstehst du denn nicht? Sein Leben hat im richtigen Moment aufgehört. Wer kann das schon von sich behaupten?« Aiden seufzte. »Und glaub mir, er hat länger durchgehalten als so mancher Sterblicher. Also hör auf, ihn zu bemitleiden. Seinen Tod zu betrauern. Das würde er ... und da bin ich mir sicher ... wirklich nicht wollen.«

      Ich wischte mir mit meinem Ärmel über die Augen, wohl eine alte Angewohnheit von früher, als ich noch echte Tränen vergießen konnte, und schniefte. Dann blickte ich auf Jack, der seelenruhig dalag und lächelte. Er hatte recht. Jack schien seinen Frieden gefunden zu haben. Ohne mich.

      Kapitel 6

      »Lasst es uns verbrennen«, flüsterte Finley um Mitternacht.

      Gemeinsam standen wir auf dem Hof der Anlage, die hintere Wand war durch meinen Sturz eingerissen, Schutt und Scherben lagen überall verstreut auf dem Boden, einige Fenster im oberen Geschoss waren durch unseren Kampf zerstört worden. Über dem Dach schwebte der Mond, wie ein Unglücksbote schimmerte er das Hospiz von der Rückseite an. Silbernes Licht tauchte uns ein.

      »Bist du dir sicher?«, fragte ich. Meine Tränen flossen nicht mehr, schon lange