Yuna Stern

I#mNotAWitch


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daneben befanden sich nur eine Gefriertruhe sowie Regale mit Pappkartons. In der Ecke türmte sich der Müll auf: Leere Whiskeyflaschen, Scherben, Papiertaschentücher und Zeitschriften aus dem vergangenen Jahrhundert.

      Nachdem ich die letzte Tür aufgerissen hatte, die zum Zimmer mit den Hochbetten führte, erstarrte ich. Aus diesem Raum war ich vor einigen Stunden geflohen, hier hatte ich mich mit Jack unterhalten und ihn im Anschluss daran im Stich gelassen. Jetzt bekam ich die Abrechnung dafür. Wütend auf mich selbst schlug ich mit meiner Hand gegen den Türrahmen, Schutt bröckelte auf mich nieder.

      Aus meiner Hosentasche zog ich den Pflock, den ich Jack abgenommen hatte, krallte mich daran fest zur Beruhigung. Trat rückwärts aus der Tür, bog in den angrenzenden Gang ein, in dem kein Licht brannte. Dort führte eine Treppe in den nächsten Stock. Ob sie sich dort aufhielten? Und wer waren sie überhaupt? Was hatten sie mit den O'Donoghues angestellt? So viele Fragen prasselten auf mich ein. Doch letztendlich war all das überhaupt nicht wichtig, außer dass ich sie bekämpfen musste: Für Jack. Ich schlich die Stufen hinauf, auch wenn mich die Vampire wahrscheinlich längst gehört hatten.

      »Ich fürchte mich nicht vor euch«, flüsterte ich, nur um mir selbst ein Gefühl von Sicherheit zu verschaffen. Ob das stimmte? Wohl eher nicht.

      Auf der Türschwelle blieb ich stehen, umklammerte den Pflock noch etwas fester, bevor ich eintrat in die leergeräumte Dachkammer. Am hinteren Ende des Raums befand sich ein Käfig mit Gitterstäben aus Silber, darin kauerte jemand, der mir bekannt vorkam. Das war doch ... einer der Brüder von der Ärztefamilie? Der mit dem Kotelettenbart, den er sich vermutlich im Laufe der Jahre abrasiert hatte. In einem aufgeknöpften Hemd, der seinen Oberkörper offenbarte, saß er im Schneidersitz in dem Käfig. Mit geschlossenen Augen, so als ob er meditierte. An seinem Arm hing eine Nadel, die zu einem Infusionsschlauch führte, der an einem Beutel mit rötlicher Flüssigkeit angebracht war. Sobald er mich bemerkte, zuckte - Finley, so hatte ihn Jack zuvor genannt, richtig? - er zusammen. »Hinter dir«, warnte er mich mit heiserer Stimme rechtzeitig.

      Ich wirbelte herum, aus der Dunkelheit trat Francis ... nein, so hieß er gar nicht, dachte ich ... der Vampir und griff mich mit solcher Schnelligkeit an, dass ich nicht mehr zurückweichen konnte. Er traf mich auf meinem Brustkorb, stieß mich davon, sodass ich gegen die Wand krachte. Ein Schmerzenslaut entwich meiner Kehle.

      Doch der Gedanke an Jack, dem dieser Widerling irgendetwas angetan hatte, gab mir Kraft. Was nur? Ich musste ihm doch irgendwie helfen können.

      »Wer bist du?«, fauchte ich, sobald ich mich wieder aufgerichtet hatte.

      Er zog die Augenbrauen hoch und grinste. »Ah, da begreift ja jemand sehr schnell.«

      »Spar dir dein Getue.« Ich nahm Anlauf, sprang auf und rammte ihm mein Knie ins Gesicht. Er taumelte zurück, wirkte jedoch unbeeindruckt, denn er lachte noch immer. »Was ist mit Jack?«

      »Frag doch den Typen da hinten«, grunzte er. »Trixie hat einfach die Beutel benutzt, die seine Spinnerfamilie im Gefrierfach aufbewahrt hat. Darauf stand: Tödliches Gift konzipiert für Vampire.« Er legte den Kopf schief. »Hat sie dir auch in die Blutkonserve gemischt, wieso stehst du eigentlich noch hier?« Dann gab er ein weiteres wieherndes Lachen von sich. »Und dein Kollege, der hat sich das Zeug reingezogen, weil er gehofft hat, dass sie ihm das Blutersatzzeugs oder so spendiert. Sooo dumm von ihm. Die O'Donoghues haben jedenfalls interessante Sachen kreiert. Teilweise sogar Rauschmittel, die uns Trips ermöglichen, so wie LSD. Hammerhart, glaub mir.«

      »Darum ging es uns nicht«, hörte ich die verzweifelte Stimme von Finley O'Donoghue aus dem Käfig. »Es ging um die Wissenschaft.«

      »Klar doch.« Der Vampir tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe, als ob er ihn für verrückt hielt.

      Was hatte er gesagt? Tödliches Gift hatte seine Freundin Jack verabreicht? Das konnte nicht sein. Irgendeinen Ausweg musste es doch geben.

      Als er gerade weiterprahlen wollte und nicht aufpasste, stürzte ich mich auf ihn und riss ihn zu Boden. Dort prügelte ich mit meinen Fäusten auf ihn ein, bis sich tatsächlich eine Schramme auf seiner Wange bildete. Er warf mich von sich, fluchte. »Weißt du, Teufelsmädchen, meine Verletzung wird wieder heilen! Dein Kumpel hingegen ... der wird es nicht mehr schaffen.«

      Erneut prallte ich mit voller Absicht gegen ihn, diesmal knackten seine Rippen. »WER BIST DU?«, brüllte ich.

      Er hatte mich Teufelsmädchen genannt. Also musste er meine Vergangenheit kennen. Es war nicht nur Zufall, dass ich hier auf ihn stieß. Es war von Anfang an geplant gewesen. Wer steckte dahinter?

      Der Vampir krümmte sich und schoss mit schmerzverzerrter Miene davon, in die andere Ecke, in der sich eine Stehlampe mit einer zerbrochenen Glühbirne befand. »Du bist nicht stärker als ich«, meinte er mit leicht gekränktem Unterton. »Ich verhalte mich nur wie ein Gentleman. Trixie kann dich erledigen, wenn sie will.«

      »Trixie ist tot«, log ich plötzlich. »Ich bin ihr begegnet, vorhin. Es ist ganz schnell gegangen.«

      »Was?!« Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht möglich. Als sie nach dem Gespräch mit Jack gemerkt hat, dass du fort bist, ist sie dir hinterher gejagt, um dich zu finden. Sie ist viel zu geübt, als dass du Frischling sie ...« Er kaute auf seiner Unterlippe herum. Schien sich nicht mehr ganz so sicher zu sein.

      »Also«, meinte ich, »sag mir, wer du bist und wer dich geschickt hat. Sofort.« Ich zeigte auf den Pflock in meiner Hand. »Sonst wird dich dasselbe Schicksal ereilen wie Trixie.«

      »Nein«, murmelte er, »nein. Sie ist meine ...«

      »Geliebte gewesen?«, ergänzte ich mit einem gespielten Lächeln. »Das hab ich gemerkt.«

      Statt ihn zum Aufgeben zu bewegen, provozierte ich ihn dadurch noch mehr. »Nimm ihren Namen nicht in deinen dreckigen Hexenmund«, bellte er und preschte in meine Richtung. Mit seinen Fingernägeln erwischte er mich an dem Augenlid. Ich riss meinen Kopf zur Seite, boxte ihn zurück in seinen Magen, woraufhin er gegen den Käfig von Finley knallte. Das Schloss fiel ab, doch der Gefangene bewegte sich nicht von der Stelle.

      »Hau ab«, schrie ich ihm zu. Doch er ignorierte mich und blickte stattdessen auf den Vampir, der ihm zu Füßen lag. Der sprang zurück auf die Beine, mit schief gewordener Nase, die er sich an den Gitterstäben aufgestoßen hatte.

      »Er bewegt sich nicht, weil er süchtig ist«, erklärte er mir. »Siehst du diese Flüssigkeit, die in seinen Körper läuft? Das braucht er, sonst dreht er durch. Du denkst ... wir haben ihm das angetan? Weit gefehlt. Seine eigene Schwester hat ihn dort eingesperrt, weil sie seine Abhängigkeit für zu riskant hielt. Mit dem Stoff ... damit haben wir ihn versorgt. Und dafür hat er uns nicht verraten, als ihr auf unserer Türschwelle aufgetaucht seid.«

      »Das interessiert mich alles nicht«, zischte ich. »Sag mir einfach endlich, was du hier verloren hast.«

      »Du weißt es noch nicht, was?«

      Ich runzelte die Stirn. »Was?«

      Er richtete sich seine Nase, die gräulich angelaufen war. Dann verschränkte er die Arme und lehnte sich zurück. Mit dem Hinterkopf stieß er gegen die schräge Decke. »Es hat alles angefangen, nachdem du dich verwandelt hast, Quinn Donovan.«

      Hinter seinem Rücken riss sich Finley die Nadel aus dem Arm, legte seinen Zeigefinger an die Lippen, damit ich nichts sagte. Wollte er mir etwa helfen?

      »Du bist weit weggezogen, hast nicht mehr mitbekommen, wie unser Herr deine Familie malträtiert hat. Und sich neue Diener gesucht hat, denen er Versprechungen gemacht hat.« Er stockte und zog sich eine Zigarre aus der Hosentasche, deren Oberfläche er zärtlich mit seinen Fingern berührte. »Sein Ziel ist es, dich zu bestrafen. Alles auszulöschen, was du liebst. Deine gesamte Rasse. Deine Verwandten. Deine Freunde. Und sämtliche Vampire noch dazu.«

      »Vampire?« Er kämpfte gegen seine eigene Spezies? Wie krank war das denn bitte schön?

      »Lucien ...«, bei der Erwähnung seines Namens formte er seine Hände zu einem Dreieck, »hat uns versprochen, einer Reihe