Christin Thomas

Hope


Скачать книгу

Doch diese Bilder waren noch fern, denn sie liefen bislang nur in den Nachrichten. Der Professor wollte nicht der Grund für ein solches Szenario werden. Sky sollte ihnen nicht den Krieg bringen. Sie sollte sie in ein neues Leben führen. Wenn der Rat beschließen würde, dass Sky tatsächlich eine Gefahr darstellte, würde dieser von ihm verlangen sie zu vernichten, sie und jeden einzelnen Cyborg ihrer Serie. Doch er konnte das nicht. Er wollte um das Anrecht kämpfen, die Entscheidung der Menschheit zu überlassen. Sie sollten das Wesen erst kennenlernen dürfen, bevor man über es richten würde. Welche Fragen der Rat stellen würde, konnte er sich kaum ausmalen. Doch in einem war er sich ganz sicher: Sam musste ihn morgen unbedingt begleiten.

      Kapitel 4

      Sky trat zum ersten Mal hinaus. Sie sah zum Himmel hinauf und sie erkannte, wie Recht Sam mit seiner Aussage hatte. Die gelbliche Farbe sah trocken aus.

      „Wir sind von einem Schutzschild umhüllt, einer Art Glaskuppel, die uns vor Angriffen und der Atmosphäre schützt. Außerhalb der Stadt können wir nicht atmen. In diesem Punkt bist du ein viel weiter entwickeltes Wesen als wir.“ Der Professor grinste sie an. „Komm, wir fahren jetzt zum Stadtrat. Sam wartet im Fahrzeug auf uns.“

      Vorsichtig stieg sie ein. Die Sitze waren weich und sie ließ sich in den Stoff sinken. Freundlich winkte ihr Sam begrüßend zu, doch sie war gar nicht in der Lage etwas zu sagen. Zu fasziniert war sie von dem Anblick des großen Platzes, der von schützenden Zäunen umringt war. Die Kontrolleure prüften vor der Ausfahrt noch einmal den Wagen und Sky wich zurück, als ihre Laser sie erfassten.

      „Schon gut. Das dient nur der Sicherheit“, beruhigte Sam sie.

      Als ihr Blick den seinen traf, erkannte er, dass ein weißes Licht aus ihren Augen erstrahlte. „Dad?“, erklang seine Stimme voller Sorge.

      Der Professor blickte auf die Rückbank. „Beruhige dich, Sky. Es ist alles in Ordnung. Diese Maßnahmen wirst du noch oft erleben, sie dienen unserem Schutz.“

      Nur langsam wich das Licht und Sam erkannte, wie sich ihr Körper wieder entspannte.

      „Nun kennst du auch ihren Verteidigungsmodus, das passiert auch im Angriffsmodus. Sie prüft, ob von einem Objekt Gefahren ausgehen und würde notfalls reagieren. Ich sagte ja bereits, dass sie dich auch beschützen wird, Sam.“

      Bislang hatte Sam sie nicht als eine kampffähige Maschine betrachtet. Er war bei den Testläufen nicht dabei gewesen und war im Augenblick sehr froh darüber. Der Gedanke, dass sie zu töten in der Lage war, beunruhigte ihn irgendwie. Sie diente seinem Schutz, er wusste, dass sie so programmiert war. Doch was, wenn sie eine Fehleinschätzung treffen würde? Sie könnte einen Streit ja falsch deuten oder eine harmlose Situation missverstehen. Sam hatte keine Vorstellung davon, inwieweit ihre Kenntnisse solcher Dinge ausreichten, um die Lage immer richtig einzuschätzen. Er versuchte sich gedanklich abzulenken, doch er wackelte nervös mit den Beinen.

      Als sie das Tor passierten und das Fahrzeug an Höhe gewann, klebte Sky hingegen an der Scheibe. Von Sams Nervosität bekam sie nichts mit. Zu aufgeregt war sie, als sie die vielen Gebäude erblickte. Von dort oben konnte sie Tausende von Menschen erkennen, die sich ihren Weg durch Cyron bahnten. Andere Gleiter rauschten an ihnen vorbei oder über sie hinweg. Sie war so fasziniert, dass ihr der Mund vor Staunen weit offen stand. Erst als sie langsam hinabglitten, spürte Sam plötzlich ihre Hand auf seiner.

      „Sieh mal!“ Sie deutete auf das entfernt gelegene Stadtarchiv, dessen Hologramm der Erde von überall her zu sehen war.

      „Das ist ein Abbild unserer Heimat“, sagte Sam.

      Sky lächelte. „Es ist wunderschön.“ Ihre Hand löste sich und sie strich berührt über das Glas der Scheibe, als streichelte sie den Planeten, der sich in der Ferne friedlich berühren ließ.

      Nein, sie war kein Monster. Sam erkannte nichts Bösartiges. Zu sehr entdeckte er in jenem Augenblick sich selbst in ihr wieder.

      „Wir sind da“, riss sein Vater beide aus ihren Gedanken. Er hatte sich zu ihnen hinübergelehnt. „Ihr sagt nichts, solange ihr nicht gefragt werdet. Überlegt euch eure Antworten gut, bevor ihr sie aussprecht. Der Stadtrat könnte in jeder kleinsten negativen Andeutung einen Grund sehen, die Freigabe der R2-Serie abzulehnen. Versteht ihr das?“

      Sam und Sky nickten stumm. Sie waren beide etwas nervös, denn es war nicht nur die erste Anhörung für Sky. Auch Sam hatte sich noch nie vor dem Rat der Stadt verantworten müssen. Er war ja auch eigentlich gar nicht eingeladen worden, doch sein Vater bestand darauf, dass er für ihren Zuspruch von Nutzen sein könnte.

      Als sie die Stufen des Regierungsgebäudes emporstiegen, vergrub Sam die Hände in seinen Manteltaschen. Er rieb sich mit dem Zeigefinger die Daumen, eine Geste, die ihn irgendwie stets zu beruhigen wusste.

      Sie betraten die große Eingangshalle, deren Boden aus Glas bestand und in dem man auf ein Aquarium hinabsah. Sam erkannte unter seinen Füßen einen Blaugunder, einen sehr großen Fisch, der sich mit seinen sechs Flossen vorantrieb und seinen hell erleuchten blauen Schwanz hinter sich herzog. Sky kniete sich augenblicklich nieder und legte die Hände auf dem Boden ab. Doch der Professor bat sie aufzustehen und so hatte sie kaum Zeit sich die Fische genauer anzusehen.

      „Wir müssen in den Anhörungssaal. Dieser befindet sich weiter oben“, erklärte der Professor und leitete die beiden zu einem Röhrenaufzug. „Fünfter Stock“, sagte er, als sie sich alle darin befanden und ohne, dass etwas von der Fahrt spürbar gewesen wäre, ging nur einen Wimpernschlag später die Tür auf.

      Sky hätte die Eindrücke als Mensch kaum sammeln können. Sie entdeckte so viele Kleinigkeiten, die ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. In diesem Gang gab es einen dunkelgrauen Boden, der mit kunstvollen Lichtelementen verziert war. Die Wände waren strahlend weiß und die Decke war zum Greifen nah. Sie schwebte über ihren Köpfen und ließ durch eine dahinterliegende Glaskuppel einen kleinen Blick in den Himmel zu. Erstaunt sah sie auf, während sie den Gang hinabgingen. Das Sonnenlicht erleuchtete die Wände und die Schatten der Gleiter, die über das Gebäude hinwegflogen, tanzten auf diesem herrlichen Anblick. Die weißen Türrahmen waren mit Schnitzereien des Stadtwappens geschmückt und die Türen selbst waren aus dunklem Holz. Sie wirkten wie ein Schatten im grellen Licht ihrer strahlenden Rahmen. Doch da war noch etwas, das mit den Augen nicht wahrzunehmen war. Der Duft in den Räumlichkeiten war blumig und frisch. Als befände man sich inmitten eines Gartens. Sky schien es, als könnte sie jede einzelne der etlichen Blumen riechen. Das gesamte Regierungsgebäude wirkte anmutig und wunderschön auf sie. Nur zu gern wäre sie stehengeblieben und hätte all das auf sich wirken lassen. Doch als der Professor eine der Türen öffnete, war es soweit. Hier würde man über ihre Zukunft entscheiden und obwohl die Faszination noch immer in ihr lag, so erweckte dieses Wissen etwas Furcht in ihr. Das konnte einfach noch nicht alles sein.

      Robert trat dem Stadtrat entgegen. Dieser bestand aus fünf Männern und sein Oberhaupt war Mister Winson. Es waren alles alte und erfahrene Männer, die durch die Stadt zum Rat erwählt worden waren. Wichtige Entscheidungen wurden von ihnen gefällt und nun sollten sie über die Zukunft der R2-Serie richten. Sky und Sam blieben an der Tür stehen, nachdem Sams Vater ihnen gedeutet hatte anzuhalten. Nur er selbst ging bis zum Pult des Rates und verneigte sich kurz.

      Mister Winson, der in der Mitte der Stadträte saß, erhob sich und warf einen prüfenden Blick am Professor vorbei. „Sie soll ebenfalls nach vorne treten“, entschied er und Professor Stanson nickte bereitwillig.

      „Geh schon“, flüsterte Sam ihr zu. Also trat Sky näher zu den Männern, die sie durchdringend musterten.

      „Das, meine verehrten Ratsmitglieder, ist Sky. Sie ist der erste erweckte Cyborg der R2-Serie und, wie Sie alle wissen, die erste künstliche Intelligenz, die in der Lage ist Gefühle zu empfinden.“

      Einer der Männer sah ziemlich beeindruckt aus, die anderen wirkten eher skeptisch.

      „Nun, Professor, beginnen wir also mit den Fragen. Ich