Christin Thomas

Hope


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die Erde zeigen.“ Es war ein Satz, der ihm das Herz erwärmte und er lächelte.

      „Das machen wir. Gleich nachdem du hier raus kannst. Versprochen.“

      Kapitel 3

      Wasser prasselte auf Sam ein. Langsam lief es ihm die Haut hinab, als er sich den Tag vom Körper wusch. In Gedanken war er noch immer im Forschungszentrum. Er fragte sich, ob Sky ebenfalls über die letzten Stunden nachdachte und ob sie vielleicht sogar dabei war in der Vorstellung der Erde zu versinken. Sam schaltete auf den Trockenmodus um und wartete, bis alle Feuchtigkeit die Dusche verlassen hatte. Dann stieg er vorsichtig aus der Duschkammer und griff nach seiner Unterwäsche. Zügig schlüpfte er hinein. Er wollte vor dem Schlafen noch einmal zu seinem Vater. Leise schlich er durch den dunklen Flur und betrat das Wohnzimmer, in dem noch immer Bilder eines Films auf die Glasfront projiziert wurden. Sein Vater hatte sich auf das großzügige schwarze Sofa gelegt. Das und der Liegesessel waren die einzigen dunklen Möbelstücke im ganzen Haus. Sam ging zu seinem Vater, der überrascht schien.

      „Kannst du nicht schlafen?“ In den Augen des Professors lag Müdigkeit.

      „Nein, das ist es nicht. Ich wollte dich nur etwas fragen.“ Sam war sich plötzlich unsicher, ob sein Vater sein plötzliches Interesse an dessen Cyborgs nicht als seltsam empfinden würde.

      „Nur zu, mein Sohn! Was möchtest du denn wissen?“ Sein Vater setzte sich auf.

      „Kann sie träumen und nachdenken?“

      Der Professor räusperte sich kurz. „Nun ja, dazu sollte sie fähig sein. Sie ist eine K.I., also ist sie in der Lage Wissen aufzunehmen und es zu verarbeiten. Das passiert in einem Prozess, der dem Nachdenken sicher ähnelt. Aber ich glaube, sie ist sich dessen nicht so bewusst wie wir. Verstehst du das?“

      Sam nickte und sein Vater fuhr mit seiner Erklärung fort.

      „Ähnlich ist das mit ihren Träumen. Die anderen Forscher und ich haben sehr wohl auch das bedacht. Fällt sie in den Ruhemodus, erhält sie die Wiederholung erlebter oder gelernter Daten. Ein Cyborg kann nicht schlafen und somit wird sie in einen Zustand versetzt, der unserem Schlaf ähnelt. Ihre Funktionen laufen während dieser Zeit vollkommen weiter. Der Körper ist dabei jedoch ruhiger und sie bewegt sich kaum. In ihrem Inneren wiederholen sich die Daten, um sich in ihrem künstlichen Bewusstsein zu verankern. Sofern sie lernt damit umzugehen, wird sie schon bald die Möglichkeiten entdecken sich Szenarien vorzustellen und eine künstlich geschaffene Erinnerung in dieser Art Traum zu erleben. Das macht auch unser Gehirn so. Es experimentiert und dabei kommen die seltsamsten Dinge beisammen, weil es Erinnerungen, Vorstellungen, Wünsche oder Ängste zusammenwirft. Aber das ist ein sehr komplexes Thema und nicht die geeignetste Gute-Nacht-Geschichte. Du scheinst dich für sie zu interessieren. Das erste Mal bist du scheinbar mit deinen Gedanken hier und nicht auf der Erde.“

      Sam hatte geahnt, dass sein Vater seine Fragen kommentieren würde. Er verdrehte erneut genervt die Augen. „Es war nur einmal interessehalber, Dad.“

      Und sein Vater lächelte sogleich. „Interessehalber. Aha. Noch vor einigen Stunden warst du in deinem Hologramm versunken und danach sagtest du mir, dass dich meine Forschungen nicht interessieren. Ich bin wohl einfach erstaunt darüber, dass das so schnell anders aussieht.“

      Sein Sohn zuckte mit den Schultern. „Das liegt sicher noch an der Aussage von Frank. Wenn alle Wissenschaftler so wären, würden mich ihre Gesellschaft und Arbeit wohl weit mehr interessieren.“

      Das Grinsen seines Vaters wurde breiter. „Es liegt nun also an Frank.“

      Sam gab ein zustimmendes „Ja, genau“ und wünschte seinem Vater eine gute Nacht.

      Als sein Sohn den Raum verlassen hatte, blieb der Professor noch einige Zeit nachdenklich sitzen. Er wusste, dass es nicht an Frank lag. Es war Sky, die Sam beschäftigte, und sein Vater empfand großen Stolz. Zum ersten Mal zeigte Sam Interesse für seine Arbeit und etwas so Modernes. Eigentlich war er schon immer ein Träumer gewesen. Er jagte den Schätzen der Erde nach, las die Geschichte seiner Vorfahren und studierte ihre verschiedenen Kulturen. Sam wusste es vielleicht nicht, aber sein Vater hielt ihn für unheimlich clever. Er wollte, dass sein Sohn dies selbst erkannte. Würde er es ihm einfach sagen, würde dies mit dem altbewährten Augenrollen und einer plumpen Antwort, die von seinem Kompliment ablenken würde, quittiert. Sam schien sich kaum eingestehen zu können, was für ein Wunderkind er war. Seine Belesenheit und sein dadurch erlangtes Wissen reichten über das vieler Stadtarchivhalter hinaus. Sky würde seinem Sohn hoffentlich die Augen öffnen und sie hatte heute bereits einen großen Schritt in diese Richtung gemacht. Ihre Bekanntschaft könnte tatsächlich zu einer Freundschaft werden und Sam brauchte dringend einen wahren Freund. Die Jungs, die ihn aufzogen und ihn dazu drängten an verbotenen Partys teilzunehmen, waren alles andere als das. Der Professor lehnte sich entspannt zurück. Die Idee mit Sky war seine bisher größte Errungenschaft und das nicht nur für die gesamte Menschheit. Er hatte die R2-Serie nicht für Fremde geplant, er hatte sie für seinen Sohn entworfen. Und der heutige Tag hatte gezeigt, dass seine Idee die ersten Früchte trug.

      „Gute Nacht, Sam“, murmelte er zufrieden, ehe er in den Schlaf sank.

      „Guten Morgen, Professor Stanson“, ertönte die freundliche Stimme Verones, als Robert den langen Flur des Forschungszentrums betrat.

      „Ihnen auch einen guten Morgen, Verone. Hat unser R2 die erste Nacht gut überstanden?“

      „Alle Werte sind normal, die Phase des Ruhemodus’ haben wir erst vor Kurzem beendet. Sie erhielt soeben die Freigabe freiwillig in den Schlaf zu fallen oder aufzuwachen. Alle Tests sind nun abgeschlossen. Sie hat nach ihrem gestrigen Aufbruch auch die Gedächtnisprüfung sowie die Kampf- und Verteidigungsübungen erfolgreich absolviert.“

      „Das sind gute Neuigkeiten an diesem Morgen. Dann bereiten wir sie umgehend für ihren Alltag vor. Lassen Sie Sky von jemandem in den Medienraum bringen und stellen Sie mir einen Energiedrink zur Verfügung. Ich hatte keine Zeit für das Frühstück, Verone.“

      „Sehr gern, Professor.“ Sams Vater passierte die Sicherheitskontrollen und bahnte sich seinen Weg durch die Zentrale. Viele seiner Kollegen gratulierten ihm zu den erfolgreichen Testergebnissen. Einige sprachen sogar von Auszeichnungen, für die er schon bald nominiert werden würde. Doch der Professor ließ sich bislang noch eher ungern mit Lorbeeren schmücken. Sky musste es erst schaffen sich in den Alltag Cyrons zu integrieren und ihre Gefühlswelt würde auf die Probe gestellt werden. Würden die Menschen sie nur annähernd als gleichgesinnte Gesellschaft akzeptieren, würde dieser Welt eine völlig neue Zukunft offen stehen. Hope wäre dann Heimat der Menschen und Cyborgs, ein Ort, an dem man die Technik nicht nur als Diener ansehen würde. Man würde sie als neue Spezies anerkennen, lebendige Wesen, die der Mensch selbst geschaffen hatte.

      Die Türen glitten auf und wie erwartet saß Sky bereits in einem der vielen Sessel. „Guten Morgen, Sky!“

      Als sie sich zum Professor umdrehte, lächelte sie zufrieden. „Guten Morgen, Professor Stanson!“

      Doch er winkte umgehend ab. „Du kannst mich gern Robert nennen. Lassen wir das mit dem ganzen Professor-Gehabe. Du wirst bald bei uns leben und wenn du zu unserer Familie gehören möchtest, sollten wir gleich damit anfangen.“ Er griff nach dem Energiegetränk und nahm einen großen Schluck. „Hat man dir bereits etwas Nahrung gegeben?“ Der R2 nickte. Körperlich war sie darauf keineswegs angewiesen, doch sie besaß die Fähigkeit der Nahrungsaufnahme und Ausscheidung, um sich in diesen typisch natürlichen Prozessen nicht von ihren Schöpfern zu unterscheiden.

      „Nun denn“, der Professor stellte sein Getränk ab, „wir sehen uns gleich einige kurze Filme an. Sie zeigen dir typische Verhaltensweisen unserer Gesellschaft: Begrüßung, Verabschiedung, allgemeines Benehmen in der Öffentlichkeit, Höflichkeitsfloskeln und so weiter. Sieh dir das ganz genau an und versuch diese Dinge in der Zukunft umzusetzen! Du wirst eine wichtige Rolle spielen, Sky. Dein Verhalten entscheidet über die Aufnahme