Christin Thomas

Hope


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dass die Technik mehr als ein Diener der Menschen sein wird. Du und deine ganze Serie sollen zu Begleitern, oder treffender gesagt, zu Freunden werden.“

      Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Was ist, wenn ich das nicht schaffe, Robert?“

      Er lächelte und setzte sich in den Sessel neben ihr. Dann griff er nach ihren Händen. Aufmerksam beobachtete sie jede seiner Taten. „Zweifle nicht an dir, Sky. Du hast bereits einen zweifelnden Menschen überrascht und du wirst noch viele weitere überraschen.“

      Um ihre Mundwinkel spielte ein Lächeln. Sie wollte nur zu gern wissen, wen der Professor meinte, doch sie wollte ihn nicht von seiner Arbeit abhalten. Sky nahm sich fest vor, ihn später danach zu fragen. Seine Hände glitten von ihren und er gab Verone einige Anweisungen. Das Licht wurde gedimmt und vor ihnen bauten sich räumliche Bilder auf. Sie sah Menschen, die einander die Hand gaben, so wie sie sich am Tag zuvor vorgestellt hatte. Sie fragten einander nach ihrer Arbeit, ihrem Tag, der Schule oder unterhielten sich über die Nachrichten. Sky erkannte schnell, dass es viele Kleinigkeiten gab, auf die die Menschen Wert legten. Sie schauten sich aufmerksam in die Augen oder gestikulierten im Gespräch mit den Händen. Spannend wurde es, als man ihr einen Film über die Gefühle der Menschen zeigte, die, von denen sie bislang nur wenig selbst erfahren hatte. Sie war überrascht, als sie erkannte, wie stark der Mensch zu lieben fähig war, wie wichtig ihm dieses Gefühl war und welche Unterschiede die Menschen dabei machten. Ihre Familie liebten sie ganz anders als ihre Freunde und wenn sie einen Partner fanden, schien dies mehr körperlicher und intensiverer Natur zu sein. Einen Kuss gab es auf vielen dieser Ebenen, doch stets anders: Auf die Wangen oder die Stirn schien er mehr lieblich gemeint zu sein, auf den Mund dagegen wesentlich vertrauter. Ein Kuss auf die Hand erschien ihr in diesem Film Dankbarkeit oder Zufriedenheit auszustrahlen, wie ein Zeichen des Respekts und der Ehrerbietung, doch der Professor klärte sie schnell darüber auf, dass dies zu ihrer Zeit eigentlich niemand mehr machte. Sky war etwas enttäuscht von dieser Information, weil es in ihren Augen eine sehr schöne Geste war. Schließlich hatte auch der Professor sie mit seinen Händen geschaffen. Er hätte es verdient, einmal so gewürdigt zu werden. Doch als es im Anschluss um das Thema Vermehrung ging, hatte Sky gar keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Beschämt sah sie weg und versuchte auch nicht hinzuhören. Die eingespeicherte Scham in ihr ließ noch lange nicht zu, dass sie dergleichen wirklich aufnehmen wollte. So verdrängte sie diesen Abschnitt, weil sie es auch nicht als wichtig empfand. Sie würde ja niemals Kinder bekommen können, also würde sie auch niemals welche machen müssen.

      Der Professor hatte sehr wohl gemerkt, wie sie sich bei diesem Abschnitt abwandte, doch er wollte sie zu nichts zwingen. Sie sollte selbst entscheiden, wem oder was ihr Interesse galt. Und da sie bei allen anderen Dingen so aufmerksam war, würde das Verständnis der natürlichen Fortpflanzung warten können. Als die Bilder verschwanden und das Licht wieder vollkommen erstrahlte, hatte sie so einige nützliche Dinge gelernt.

      „Fühlst du dich bereit?“, fragte Robert sie freundlich und sie bejahte seine Frage. Der R2 freute sich sogar richtig auf den nächsten Tag. Dieser hier hatte ja gerade erst angefangen und daher hätte sie am liebsten darum gebeten, direkt in den Ruhemodus gehen zu können, doch der Professor hatte sicher noch einiges mit ihr vor. Er war bestimmt nicht umsonst so früh für sie aufgestanden. Und Sky sollte Recht behalten. Dieser Tag galt ganz dem Wissen und so wurde sie mit anderen typischen technischen Geräten und ihrer Bedienung vertraut gemacht. Sie durfte sogar hinaus auf den Hof und im Beisein des Professors üben, einen Gleiter zu bedienen. Er zeigte ihr Aufzeichnungen einiger sportlicher Aktivitäten und erklärte ihr die Ziele, die dahinter standen. Sie sprachen über den Planeten und sie lernte anhand von Bildern seine Tier- und Pflanzenwelt etwas kennen. Sie sollte zumindest schon einmal die wichtigsten Sachen wissen, also machte er sie auch mit seinen eigenen Hausregeln vertraut.

      „Ihr verlasst das Haus nicht mehr, sobald die Sonne untergegangen ist. Das ist eine sehr wichtige Regel, weil es Sams Schutz dient und da er dein Pate ist, wirst du diese Regel zwingend einhalten müssen. Außerdem verlange ich stets respektvollen Umgang miteinander. Man darf gern einmal herumalbern, ihr dürft auch mit den Augen rollen und müsst nicht mit allem einverstanden sein, was ich sage, aber es wird auch im Streit darauf geachtet, niemals verletzend zu werden. Zudem wird Jenna, unser Haus-Cyborg, ebenfalls mit Respekt behandelt. Auch wenn sie keine künstliche Intelligenz besitzt, prägt euer Verhalten ihr gegenüber den Umgang in unserem Haus. Ich möchte, dass Sam und du vorsichtig mit den Gegenständen im Haus umgeht. Das meiste davon ist sehr wertvoll, Kunstgegenstände werden von euch gar nicht angefasst, alle technischen Geräte stehen euch allerdings frei zur Verfügung, sind aber auch vorsichtig zu behandeln. Da alles einen gewissen Wert hat, wird im Haus auch nicht mit Bällen oder Aktionsbrillen gespielt. Wir haben dafür im unteren Geschoss einen freien Raum, in dem ihr euch gern mit diesen Dingen beschäftigen könnt. Es gibt auch noch einen festen Zeitplan für die abendliche Mahlzeit, weil wir dann zusammen trinken. Sam ist dazu verpflichtet in der Schulzeit seinen Aufgaben nachzukommen. Die Schüler erhalten lediglich Monatsaufgaben, die jedoch so komplex sind, dass er sich mindestens einmal in der Woche damit beschäftigen sollte. Du wirst die Aufgabe haben, darauf zu achten, dass er sich darum kümmert und du darfst ihm gern dabei helfen. Das wäre dann soweit alles, Sky. Ich glaube, wir sind für heute fertig.“

      Sie lächelte zufrieden. Der Tag war nun vorbei und sie durfte die nächste Zeit im Ruhemodus verbringen. Wenn sie dann aufwachte, würde sie die Welt dort draußen selbst erleben. Sie war furchtbar aufgeregt. Es war eines der Gefühle, die sie nun kennenlernte. Der Professor verabschiedete sich von ihr. Sie beobachtete, wie er aus der Tür verschwand, und konnte durch die schmalen Scheiben sehen, wie er sich noch einmal umdrehte. Schon bald würde sie zu seiner Familie gehören und dieses Wissen fühlte sich sehr beruhigend an. Er schien unglaublich nett zu sein und auch sein Sohn war ihr gegenüber sehr freundlich gewesen. Sky versuchte sich den morgigen Tag vorzustellen und durchbrach damit unwissend den nächsten großen Schritt ihrer Annäherung an den Menschen. Sie ahnte zu jenem Zeitpunkt noch nicht, in welche Gefahr sie geraten würde. Noch war ihr nicht bewusst, dass es Gegner ihrer Art gab, Wesen, die alles daran setzten, die Techniker aufzuhalten und ihnen einen unvergesslichen Schlag zu versetzen.

      Als der Professor nach Hause kam, war es längst dunkel. Leise zog er die Schuhe aus und legte seinen Mantel ab. Vorsichtig schlich er durch den Flur. Doch er war nicht allein, denn Jenna erwartete ihn bereits im Wohnraum. Ihre verzerrte Stimme erklang: „Ich habe eine Nachricht für Sie, Mister Stanson.“

      Robert horchte interessiert auf. „Von meiner Frau?“

      „Vom Leiter des Stadtrats.“

      Ihre Antwort erweckte augenblicklich Unbehagen. Der Professor bat darum, sie abzuspielen und Jennas Augen leuchteten auf. Sie projizierten das Bild des alten Mister Winson, dessen Mimik auf seine Verärgerung deuten ließ.

      „Professor Stanson, ich kann kaum glauben, dass Sie uns nicht über den Testbeginn der R2-Serie informiert haben. Verone übermittelte soeben ihren wöchentlichen Bericht an Coroc und ich bin verdammt nochmal schockiert. Ein Cyborg mit Gefühlen? Das hatten wir so keineswegs abgesegnet! Wissen Sie eigentlich noch, was Sie da tun? Sie sollten Ihre Forschung in unserer derzeitigen Lage auf Kampfmaschinen ausrichten, nicht auf künstliche Intelligenzen, die den Zorn unserer Gegner nur weiter entfachen werden. Ich schwöre Ihnen, dass Sie Schuld daran tragen werden, wenn diese Nachricht zu den Magiern vordringt und diese Cyron mit einer ganzen Armee angreifen. Daher werden Sie morgen früh zum Stadtrat gebeten. Sie und ihre Erfindung werden sich kritischen Fragen stellen müssen. Bis wir eine Freigabe erteilen, sind Ihnen weitere Erweckungen oder weitere Bauprojekte der R2-Serie strengstens untersagt.“

      Das Bild erlosch und Jenna fragte den Professor, ob er gern eine Antwort aufzeichnen würde, doch das verneinte er nachdenklich und bat sie, ihn allein zu lassen.

      Vollkommene Stille lag im Raum, als sie sich entfernt hatte. Der Blick aus dem Fenster zeigte ihm die beleuchteten Bauwerke Cyrons. Es war eine wunderschöne Stadt. Er hatte sich damals direkt in den Ausblick verliebt. Nun hatte er jedoch nur einen einzigen Gedanken. Was, wenn sie Cyron tatsächlich als nächstes Ziel in Angriff nehmen würden? Jene Gebäude, die gerade in diesem wunderschönen