Daniela Hochstein

Daimonion


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gefangen hatte, auf den zusammengetragenen Haufen, welcher daraufhin innerhalb kürzester Zeit in Flammen stand. Hungrig knisternd breiteten sie sich zu allen Seiten hin aus, in der unerschütterlichen Absicht, die Hütte sogleich mit Haut und Haaren aufzufressen.

      Schnell rannte ich hinaus, um aus sicherer Entfernung fasziniert zu beobachten, wie innerhalb weniger Augenblicke die gesamte Hütte lichterloh brannte. Rotgoldene Funken stoben, gejagt von laut knallenden Schlägen wie aufgeregte Glühwürmchen in die Höhe, wurden dort unverwandt von einem Windstoß erfasst und ein Stück davongetragen bis sie schließlich noch im Fluge auf immer erloschen.

      Jetzt erst, in dem zuckenden Schein des lodernden Feuers, begriff ich, dass mein altes Leben wohl unwiederbringlich verloren war. Langsam begann ich das Ausmaß meiner Veränderung zu begreifen, die sich erst vor einer Nacht in jener Höhle ereignet und doch so fulminant in mein Leben eingegriffen hatte. Ich dachte an meine neuen Kräfte und Sinnesgaben, ebenso wie an meine seltsamen Fangzähne, die mir gewachsen waren; an das Blut, nach dem ich mich seither verzehrte; an den Dolch, der mich nicht töten konnte sowie die Wunden, die unmittelbar wieder verheilten; an den totenähnlichen Schlaf, der mich am Tage ereilte; an die Sonne, die mich verbrannt hatte. Und ich stellte mir die Frage, mit welchen Veränderungen ich noch rechnen musste. Der Glaube, bloß von einer vorübergehenden Krankheit befallen zu sein, begann langsam, wie das zu Asche verbrannte Holz vor mir zu zerfallen und zunehmend der Gewissheit zu weichen, dass eine Verwandlung mit mir vorgegangen sein musste, die nicht mehr rückgängig zu machen war.

      Zu was aber war ich nun geworden? Gab es einen Namen für das, was ich jetzt war? Gab es jemanden, der genauso war wie ich?

      Ich schaute hinauf in den Himmel, der von Qualm und langsam heraufziehenden Wolken zugedeckt wurde. Gab es dort oben wirklich einen Gott, der mich sehen konnte? Und wenn ja, was für Schlüsse und Konsequenzen würde er mir und insbesondere meinen Taten gegenüber ziehen?

      Ich kann nicht beschreiben, wie verloren ich mich in diesem Moment fühlte. Eine gähnende Leere begann in meinem Bauch zu keimen, die in rasender Geschwindigkeit Wurzeln in meine Seele schlug und zu einem riesigen Baum aus Verzweiflung und Traurigkeit heranwuchs. Wohin sollte ich denn nun gehen? Wo gehörte ich hin? Könnte ich trotz allem mein Leben einfach so fortführen wie bisher?

      Während ich noch dort mitten auf dem Feld auf dem Boden hockte und, versunken in den Anblick der ersterbenden Flammen, meinen trüben Gedanken nachhing, hatte ich dummerweise völlig vergessen, auf die Dämmerung zu achten. Ich hatte zwar schon seit einer Weile die langsam aufsteigende, zunehmend lähmende Müdigkeit gespürt. Doch erst jetzt erkannte ich, dass sie bereits der Vorbote des bevorstehenden Sonnenaufgangs gewesen war, der sich nun am Horizont abzuzeichnen begann und mich warnte, mich schnellstens in Sicherheit zu bringen.

      Zu Tode erschrocken sprang ich auf und sah mich um. Vor mir lagen verbrannter Schutt und glühende Asche. Darüber hinaus gab es bloß noch Feld und Wiese weit und breit. Nirgends fand sich auch nur der Lichtblick eines Verstecks für mich.

      Mein Herz begann unvermittelt zu rasen und ich drehte mich hastig im Kreis, in der Hoffnung, doch noch irgendetwas zu entdecken, was mir womöglich weiterhelfen konnte. Doch es gab nichts!

      Sollte nun alles hiermit schon ein Ende haben? Würde ich gleich hilflos in der Sonne verbrennen? War das Gottes gerechte Strafe für mich?

      Fast war ich bereit, sein Urteil über mich zu akzeptieren und meinem Tod - traurig und ängstlich zwar, aber doch um die Unausweichlichkeit wissend - entgegen zu blicken, da kam mir plötzlich, aus der schieren Not geboren, eine rettende Idee. Auch wenn sie mir ganz und gar nicht gefiel.“

      ***

      Der Richter hob die Hand und gebot dem Vampir damit, seinen Bericht zu unterbrechen. Cheriour, der ihn darum gebeten hatte, nickte dankbar. Ihm gefiel es nicht, das Verständnis in den Augen der anwesenden Engel und ja, sogar in denen des Richters aufkeimen zu sehen und er war entschlossen, ihre Sicht wieder auf den richtigen Weg zu lenken.

      „Ich möchte an dieser Stelle gerne meinen nächsten Zeugen aufrufen“, sagte er und nach der Zustimmung des Richters, wurde ein junger Mann in den Saal geführt. Sein Erscheinungsbild war äußerst gepflegt und er zählte sicher nicht mehr als fünfundzwanzig Jahre. Bedächtig nahm er im Zeugenstand Platz und richtete dabei seinen grimmigen Blick auf den Vampir, der seinen Kopf reuevoll gesenkt hielt.

      Armon wusste, welcher Teil nun folgen würde und welches Licht es auf ihn werfen würde. Niemals würde er es schaffen, seine Seele vor der Unterwelt zu retten. Niemals.

      Flüchtig, der Hoffnung beinahe gänzlich beraubt, schaute er auf Ambriel, der seine Hand weiterhin unbeirrbar auf Armons Schulter ruhen ließ und ihm nun mit einem sanften Druck versuchte, Zuversicht zu spenden. Mehr konnte Armon wohl auch nicht von ihm erwarten. Mit einem stummen Seufzer wandte er seine Augen wieder nach vorne.

      Cheriour war inzwischen vor den Zeugen getreten.

      „Ihrem Blick nach zu urteilen, erkennen sie diesen Mann, habe ich Recht?“

      Der Zeuge nickte.

      „Und ob ich den erkenne!“

      „Dann berichten Sie uns doch einmal, in welchem Zusammenhang er Ihnen begegnet ist.“

      Der Zeuge schnaubte verächtlich.

      „Hier mag er erscheinen, wie ein Mann. Doch in Wahrheit ist er ein Ungeheuer, eine Höllengeburt!“

      „Aha.“

      „Wir, das heißt, meine Verlobte und ein guter Freund der Familie, waren am Abend noch ein wenig spazieren gegangen. Es war eine der letzten lauen Nächte des Jahres und wir hatten sie noch einmal auskosten wollen. So hatten wir die Stadt verlassen und uns über die Wiese an den Waldrand begeben, als diese Bestie plötzlich vor uns auftauchte. Seine Augen leuchteten wie zwei glühende Kohlen und er hatte seinen geifernden Mund aufgerissen, so dass wir seine mörderischen Fangzähne sehen konnten. Meine Verlobte schrie auf vor Schreck und ich nahm sie in den Arm, um sie zu beruhigen, während mein Freund diesen Dämon vor uns zu beschwichtigen suchte. Aber ich glaube, das Ding hatte nichts von unseren Worten verstanden. Es stürzte sich unversehens auf meinen Freund und... oh Gott, es war so schrecklich... es verbiss sich knurrend in seinen Hals und riss ihm mit einem Ruck die Kehle heraus. Das Blut spritzte wie eine Fontäne und dieses Ungeheuer fing es gierig mit seinen Lippen auf... Dann...“ Der Zeuge schluckte. „Dann umfasste es den Kopf meines Freundes und... und riss ihn einfach ab...“ Wieder machte der Zeuge eine Pause, während er sichtlich um seine Fassung rang. Cheriour legte vorsichtig seine Hand auf die des Zeugen.

      „Es tut mir Leid, sie mit der Aussage so zu quälen. Doch was sie sagen, ist sehr wichtig. Wenn sie können, so erzählen sie uns doch auch bitte noch den Rest.“

      Der Zeuge sah Cheriour in die Augen, worauf seine aufgeregte Atmung sich wieder beruhigte. Entschlossen nickte er und sprach weiter.

      „Mein Freund war dem Dämon nicht genug. Danach kam er auf uns zu. Auf mich und meine Verlobte, die er anstarrte, als wolle er sie bereits mit seinen Blicken verschlingen. Schützend stellte ich mich vor sie, doch er stieß mich einfach fort. Er war so stark, dass ich dem nichts entgegensetzen konnte. Dann packte er sie und auch ihr biss er in den Hals, um ihr Blut zu trinken. Doch als sie schon weiß wie Kreide war, da...“ Der Zeuge tat einen tiefen Atemzug. „... da stieß er plötzlich seine Hand in ihren Brustkorb... und... und riss ihr...“ Wieder musste der junge Mann den Kloß überwinden, der fest in seiner Kehle steckte. „Er riss ihr das Herz heraus, um auch das noch auszusaugen... Da verlor ich das Bewusstsein...“

      Heimlich, so dass niemand es auch nur erahnen konnte, grinste Cheriour in sich hinein. Der Ausdruck des Entsetzens und des Widerwillens auf den Gesichtern der Zuhörer, erfüllte seine Brust mit einem nicht zu leugnenden Triumphgefühl.

      „Vielen Dank für Ihre Aussage“, wandte er sich noch einmal an den Zeugen und sah ihm hinterher, als er den Saal verließ.

      Ambriel konnte fühlen, wie Armon unter seiner Hand zitterte.

      „Die Verhandlung ist noch nicht zu Ende“, raunte er ihm ganz leise zu. Dann sprach