Maren Nordberg

Teufelsweg


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klingelte. Es war mittlerweile halb zehn, das konnte nur Marc sein. »Wo hat er seinen Schlüssel?«, murmelte Rainer. »Will er jetzt demonstrieren, dass er nicht mehr zum Haushalt gehört?«

      Inga schien wieder zu schlafen, zumindest tat sie so.

      *

      Rainer lief nach unten, bevor er öffnete, holte er tief Luft. Erstaunt blickte er auf Jana Meyerdierks und weitere vier weitere Arbeitskolleginnen. »Hallo Rainer, mit deinem Verein sprichst du uns aus dem Herzen.«

      »Wie, um mir das mitzuteilen, kommt ihr jetzt noch vorbei?«

      »Wir waren gerade gemeinsam beim Work-Out im Fit-Studio. Dort trainieren wir montags und donnerstags. Auf dem Rückweg haben wir hier Licht gesehen.«

      »Fahrt ihr immer hier vorbei, ich habe euch noch nie gesehen«, wunderte sich Rainer.

      »Nein, wir wollten dir eigentlich einen Brief in den Kasten werfen und mitteilen, dass wir auf alle Fälle beim Verein tatkräftig mitarbeiten wollen.«

      »Wir würden auch gerne Gründungsmitglieder werden, deshalb haben wir jetzt noch geklingelt, als wir Licht gesehen haben, nicht dass der Verein heute Abend ohne uns gegründet wird.« ergänzte eine junge blonde Frau mit tiefbraunen Augen.

      »Keine Sorge, heute Abend geschieht nichts mehr, morgen sehen wir dann weiter.« beruhigte Rainer.

      »Dann sind wir also als Gründungsmitglieder willkommen?«

      »Wenn ihr mir den Brief mit euren Namen gebt, ist das beschlossene Sache.«

      »Den kannst du haben, das ist übrigens Anna«, stellte Jana die blonde Frau vor.

      »Das sind Maya und Lena und ich bin Rieke«, übernahm eine etwas korpulentere mit dunkelblonden Haaren den Rest der Vorstellung. Rainer schätzte sie alle auf um die fünfundzwanzig bis dreißig Jahre.

      »Dass ich Rainer bin, wisst ihr bestimmt sowieso«, ergänzte Rainer.

      »Kommt Mädels, darauf stoßen wir noch bei Gargano an, der Italiener ist ja nicht weit von hier, Rainer, du musst natürlich mitkommen!«, rief Jana unternehmungslustig.

      Rainer dachte kurz an Inga oben im Bett, er konnte jetzt nicht einfach das Haus verlassen. »Nein, das ist mir jetzt doch etwas zu spät, ich feier lieber nach der Gründungsversammlung mit euch.«

      »Ach komm, es ist doch noch vor zehn und du brauchst auch nicht lange zu bleiben. Euer Sohn ist ja schließlich nicht mehr zu jung, um alleine zu Hause zu bleiben, hol doch deine Frau und dann kommt ihr beide mit«, ließ Jana nicht locker.

      »Bei der Gelegenheit könnten wir auch schon so ganz ohne Stress über Aktionen nachdenken, mit denen wir dem Verein Leben einhauchen können«, unterstützte sie Maya, die eine knallenge weiße Jeans trug.

      Rainer überlegte, der Regen hatte aufgehört, vielleicht täte ihm so ein kleiner Ausflug ganz gut. Aber Inga konnte nicht mitkommen, und alleine lassen mochte er sie in ihrem Zustand auch nicht. Außerdem wollte er zu Hause sein, falls Marc auftauchte. Ganz ausklinken war jetzt, wo der Verein Form annahm, auch nicht das Richtige. Ihm fiel nur eine Lösung ein: »Kommt doch einfach rein, dann stoßen wir an, wir haben Sekt im Kühlschrank.«

      Zum Glück hatte er die Küchentür geschlossen, so würde keiner sein häusliches Chaos erahnen. Seine verwahrlosende Inga kam heute sowieso nicht mehr herunter und Marc musste notfalls eben in seinem Zimmer warten, bis der Besuch das Haus wieder verlassen hatte, überlegte er bitter. Ob Inga ihre Suppe heute noch isst, kann ich sowieso nicht wirklich beeinflussen, soll sie doch ihre schlechte Stimmung wegschlafen.

      »Wir haben schon verstanden, der Herr fürchtet, dass es gleich wieder regnet und er nass wird, wenn er das Haus verlässt«, frotzelte Jana, aber sie traten alle in den kleinen Flur und hängten ihre Jacken an die Garderobe in der Wandnische. Rainer wies den Weg ins Wohnzimmer und holte den Sekt. Auch eine Packung mit Salzgebäck fand er noch in der Vorratsschublade. Im Wohnzimmer nahm er vorsichtig die schönen Sektkelche aus dem Schrank und öffnete die Sektflasche mit einem lauten Plopp.

      Beim Eingießen schäumte Sekt über den Rand der Gläser, das störte aber keinen, er rief »Auf Tempo 130!«, alle stießen an.

      »Ich bin Maya und du kannst du zu mir sagen«, ergänzte Maya die Vorstellungsrunde von der Haustür. Sie wirkte temperamentvoll und ließ keinen Zweifel daran, dass sie das komplette Ritual mit Bruderschaft Trinken und Küsschen vollziehen wollte. So trank Rainer nicht nur mit Maya Bruderschaft, sondern auch mit Petra, Rieke und Lena. Der Sekt stieg ihm schnell in den Kopf, da er seit dem Mittagessen nichts zu sich genommen hatte. So rief er am Ende der Runde übermütig: »Komm Jana, nun müssen wir uns auch noch offiziell duzen, sonst bringt das Unglück!«

      Also tranken sie Bruderschaft und beim Kuss stellte er fest, dass Janas Haare sehr angenehm dufteten. Schade, er hatte Inga schon so lange nicht mehr unbeschwert geküsst.

      »Hast Du Papier und Kugelschreiber, wir könnten eine Mindmap erstellen, mal sehen, was für gute Ideen wir heute Abend zu Papier bringen«, schlug Rieke vor. Rainer holte das Paket Druckerpapier, den Kugelschreiber fand er auf dem Beistelltischchen neben dem Sofa. Der kühle Wind, der manchmal durch das gekippte Wohnzimmerfenster strich, tat Rainer gut. Er fühlte sich lebendig und frisch. Sie konzentrierten sich auf Planungen und Aktionen, die dem Verein Mitglieder bringen könnten und Menschen über Bremens Grenzen hinaus von ihrer Vorstellung von sicheren Autobahnen überzeugen würden. Es kam einiges an Ideen zusammen, die über das normale Maß wie Flyer und Werbestände mit Buttons zum Anstecken in den Fußgängerzonen hinausgingen.

      Rieke schlug vor: »Man könnte eine Seite ins Internet stellen, auf der spezielle Fotos oder Videosequenzen von Wildwestszenen auf Autobahnen gesammelt werden.«

      »Du meinst, so eine Art Sammlung von Verkehrsgefährdungen?«, fragte sie Lena skeptisch, die sich bisher eher still im Hintergrund gehalten hatte.

      »Ich würden das etwas anders formulieren, so eine Art Pranger für Verkehrssünder, möglichst mit Nummernschild und schönen Porträtaufnahmen«, konkretisierte Rieke ihren Vorschlag.

      »Dabei können wir sicher nicht hoffen, dass Youtube oder eine der Internet-Communities uns eine Plattform dafür bieten, das ist denen sicher zu heiß«, ergänzte Maya, »aber Rieke, deine EDV-Kenntnisse müssten doch ausreichen, um uns eine schöne Homepage für die Veröffentlichungen zu basteln.«

      »Das wird aber viel Arbeit, vielleicht können wir noch Tim und Georg aus der EDV-Abteilung animieren mitzuhelfen, wir können sie am besten gleich morgen fragen«, schlug Rieke vor. Rainer fügte hinzu: »Die Idee mit dem Verkehrs-Pranger ist genial, es wäre zu schön, wenn wir das auf die Beine stellen könnten.«

      Jana stimmte ihm zu: »Das könnte wirklich das Herz unserer Bewegung werden, die Intenet-Präsenz können wir natürlich auch nutzen, um Verabredungen zu Flashmobs, zum Beispiel auf Autobahnbrücken oder bei Verkehrsclubs, zu treffen.«

      »Das stimmt«, übernahm Rieke das Gespräch, »Flashmobs, also die Verabredung vieler einander unbekannter Menschen über das Internet an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit sind schon lange nicht mehr sinnfrei, wie in der Anfangszeit. Wir dürfen nur nicht übertreiben, falls zu viele Menschen kommen und Müll hinterlassen oder Schaden anrichten, kann das der Verein nachher zahlen.«

      »Nicht, dass wir gleich in die Insolvenz stolpern«, meinte Maya. »Und mir ist eben klar geworden, dass wir natürlich einen Verein gründen müssen, das Ganze aber eher als Initiative oder als Bewegung aufziehen sollten, wie du gerade schon sagtest, Rainer. Das verleiht dem Ganzen noch viel mehr Kraft.«

      Rainer blickte in die Runde und stellte fest: »Maya, das war ein gutes Schlusswort für heute, wie das mit der Vereinsgründung ablaufen muss, kann uns der Rechtsanwalt am kommenden Montag genau erklären. Der wird bestimmt auch wissen, wie wir eine Initiative oder Bewegung daraus machen können, das ist sicher sehr sinnvoll. Jetzt sollten wir aber für heute Schluss machen, drei Stunden für die erste Sitzung reichen vollkommen aus.«

      Jana blickte erstaunt auf ihre Armbanduhr: »Ich hätte nie gedacht,