Franz Bingenheimer

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in der Tasche. Und dann! Die teuren Kleidungsstücke, die er sich in der Boutique gekauft hatte. Wie sollte er es ihnen erklären, woher plötzlich das viele Geld kam?

      Man würde ihn sofort mit allem, was in seiner Wohnung geschah, in Verbindung bringen. Drogen, Mord! Was stand alles noch dahinter?

      In den Knast würde man ihn bringen und ungerecht ein Leben lang wegsperren, dachte er.

      Kai Raimann war völlig überfordert mit der eingetretenen Situation und tat das Falsche.

      >>Ganz ruhig! <<, sagte er sich immer wieder in seinen Gedanken, um nicht in Panik zu geraten.

      Das Telefon hatte jetzt aufgehört zu klingeln.

      Wie hatte er immer zu seinem Freund Ken gesagt, wenn er dem Elend nahe am Boden zerstört um Hilfe flehte. „Hör auf mit den

      Drogen. Sie bringen dir langsam, aber sicher den grausamen

      Tod!“

      Auf keinen Fall wollte er mit seiner Drogensucht konfrontiert werden. Ohne dass er es wollte, war er soeben zur Hauptfigur in diesem grausamen Drogengeschäft geworden.

      Jetzt erst sah er, dass Ken seine Hand krampfhaft vor seinem Tod verschlossen hatte. Ohne zu überlegen, dass sein Fingerabdruck ihn des Mordes überführen konnte, nahm er die Finger der Hand und öffnete sie mit etwas Gewalt.

      Einem Toten hatte er noch nie die Hand geöffnet. Das Leben war aus seinem Körper gewichen. Sein Freund war unbeweglich und steif geworden. Die Totenstarre war schon eingetreten. Was bedeutete die Zahl „1009", die mit einem Kugelschreiber in die Innenfläche seiner Hand geschrieben war?

      Was war das für eine geheime Nummer? dachte er. Dann legte den leblosen Arm vorsichtig zurück auf seinen erkalteten toten mit Blut befleckten menschlichen Körper.

      Hatte er jetzt den Schock und die Angst überwunden? Nein, jetzt erst begriff er langsam, was geschehen war!

      In den fürchterlichen Gedanken, dass sein Freund auf grausamste Art ermordet wurde, saß er traurig nervlich völlig am Ende ratlos auf dem Rand der Badewanne und weinte.

      „Lass endlich die Finger von den Drogen! Es wird dich dein Leben kosten“, sagte er noch vor ein paar Tagen zu ihm.

      Eine halbe Stunde musste er schon nach einer Lösung suchend auf dem Rand der Badewanne gesessen haben, als der Anrufbeantworter seines Telefons sich einschaltete, und ihn in die grausame Gegenwart zurückholte.

      >>Hallo Kai! Hier ist Beate. Wo warst du? Ich habe in der Bar „Serena“ auf dich gewartet. Ruf mich bitte dringend zurück! Es geht um Ken<<, sagte seine Bekannte auffordernd. Dann trennte sie das Gespräch.

      Kai sah sich jetzt ängstlich um. Seine Fingerabdrücke waren überall. Nein er konnte in seiner Situation keine Polizei anrufen. Sie hätten ihm nicht geglaubt. Außerdem hatte ihn die alte Frau im Aufzug vor einer Dreiviertelstunde gesehen. Diese Zeugenaussage reichte aus, um ihm den Mord an seinem Freund in die Schuhe zu schieben.

      Nach reiflicher Überlegung beschloss er noch heute Nacht die Leiche an einen anderen Platz zu bringen und alle Spuren, die ihn verdächtig machen konnten, zu beseitigen.

      In Übelkeit dem Erbrechen nahe, zog er gegen seinen Willen den Stöpsel des Ablaufes der Badewanne heraus.

      Das rote mit Blut gefärbte nach Urin penetrant riechende Wasser konnte jetzt ungehindert ablaufen. Dann brauste er den nackten Körper seines leblosen Freundes mit einem Badetuch ab. Woher hatte er nur die Kraft, dies alles zu tun? Ja, die Macht der Angst trieb ihn zu dem Unmöglichen!

      Die Zunge, die jetzt wie ein Stück lebloses Fleisch eines Tieres auf dem Boden der ausgelaufenen Badewanne lag, sah ekelerregend aus und musste beseitigt werden.

      Mit einem Stück Toilettenpapier hob er ohne hinzusehen die abgetrennte Zunge seines Freundes auf, und warf sie mit großer Überwindung in die Toilettenschüssel.

      Das blasse Gesicht und der kalte Angstschweiß auf seiner Stirn zeigten jetzt den seelischen Zustand, indem er sich befand.

      Durch das mehrmalige kräftige Drücken der Wasserspülung wurde das menschliche Körperteil in wenigen Sekunden in den Abwasserkanal weggespült.

      „1009". Wo hatte er diese Nummer schon einmal gehört? fragte er sich immer wieder, bis es ihm einfiel.

      Ja, es war das Postfach von Ken!

      Eilig holte er eine Wolldecke im Wohnschlafzimmer und legte sie über die Leiche in der Badewanne, die ihn mit seinen leblosen weit geöffneten Augen anstarrte.

      Dann ging er in den Schlafraum zurück, um nach seinem Geheimfach zu sehen. Jetzt bemerkte er, dass alle Türen seines Schlafzimmerschrankes offenstanden. Alle Kleidungsstücke waren ausgeräumt. Zerstreut lagen sie auf dem Boden verteilt im Zimmer umher. In Eile von der panischen Angst vorangetrieben, zog er die Sockelleiste seines Kleiderschrankes nach vorne weg. Ja, sie war noch, da seine kleine Kassenbox! die er sicher an einem geheimen Platz versteckt hatte, den man nicht so schnell ausfindig machen konnte.

      Kontoauszüge, Personalausweis und den Zweitschlüssel von Kens Wohnung bewahrte er darin auf.

      Eilig nahm er die kleine Geldkassette unter dem Schrank hervor und kontrollierte den Inhalt. Nichts fehlte!

      Es war ein sicheres Versteck, auf das man erst einmal kommen musste. Die 46.500,00 € Schwarzgeld, die er noch nach seinem luxuriösen Einkauf übrighatte, nahm er aus seiner Jackentasche und legte sie in die Geldbox. Dort war das Geld vorerst am sichersten. Danach holte er die Wohnungsschlüssel von Ken heraus, schloss die Kasse wieder ab, und schob sie so weit, wie es möglich war, unter den Schrank weit zurück.

      Durch das sorgfältige Einklicken der Blendleiste an der Vorderseite des Schlafzimmerschrankes war das geheime Versteck nicht mehr zu sehen.

      Er sah, „1009", stand auf dem kleinen Schlüssel eingestanzt, der an Kens Schlüsselbund hing. Ja, er wollte und musste es wissen, was in dem Postfach lag, bevor ein Fremder ihm zuvorkam. Eilig verließ er in Gedanken an das Geschehene die Wohnung und fuhr mit dem Lift in die Tiefgarage des Hauses. Ängstlich schaute er sich noch einmal um, bevor er in seinen Wagen stieg. Von panischer Angst getrieben fuhr er jetzt in Gedanken mit dem schrecklichen Anblick seines toten Freundes zum Postamt. Als er ohne jedes Zeitgefühl ankam, sah er, dass die Post schon geschlossen war. Eilig stieg er aus und sprang leichtfüßig an den Post-Eingang. Aufatmend sah er den Türöffner. Mit seiner normalen Euroscheckkarte, die er zum Glück dabeihatte, konnte er über eine Kodierungsanlage, die neben der Außentür angebracht war, die Tür zum Vorraum öffnen.

      Jetzt kam er ungehindert in den Vorplatz der Poststelle, von dem man die Schließfächer erreichen konnte.

      Da das Postamt schon geschlossen hatte, war er ganz alleine in der großen Vorhalle. Sich noch einmal umschauend, dass er nicht beobachtet wurde, öffnete er das Schließfach.

      Mit der Angabe er wäre selbstständiger Unternehmer, hatte sich sein Freund ein größeres Postfach angemietet. Mehrere kleine Päckchen, die man als Briefpost verschicken konnte, lagen im

      Fach. Sie waren mit einem Aufkleber für den Bücherversand versehen. Der Absender, der seltsamen Post, war von einem Buchverlag in der Schweiz.

      Was wollte er mit so vielen Büchern? dachte Kai und nahm eines der Päckchen heraus.

      Astro-Verlag Zürich, stand auf den DIN A5 verpackten Kartonagen. Sie hatten das Gewicht eines Buches. In der Dicke waren sie ungleich. Sechs Päckchen und zwei Briefe lagen im Postfach. In einer unauffälligen Einkaufstüte, die er sich mitgebracht hatte, verstaute er die Päckchen nach einer Weile der Überlegung. Vorsichtig drehte er sich noch einmal um, umzusehen, dass ihn auch niemand bei seiner Entnahme der Post beobachtet hatte.

      Nein, es war zu seinem Glück nichts Auffälliges zu sehen! Sich immer wieder umschauend verließ er eilig das Postamt und stieg in seinen Wagen ein.

      Seine