Simon Lieb

Schienengüterverkehr in der Schweiz


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von einem Halten der Anteile (17-25%).

      Die bezüglich Güterverkehrsleistung wichtigste und bezüglich Aufkommen zweitwichtigste Warengruppe der Stück- und Sammelgüter soll in allen Prognosen in Folge des Güterstruktureffekts stark wachsen und der SGV Anteile gewinnen (vgl. Abbildung 21). Auch die mit der Bautätigkeit verbundenen Warengruppen bleiben sehr wichtig bzw. sollen stark wachsen. Nur beim Import der bahnaffinen fossilen Energieträger wird ein Rückgang prognostiziert.

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      Die Fahrleistung von schweren Güterfahrzeugen auf der Strasse soll zwischen 2010 und 2040 laut ARE um 31% zunehmen, die der Lieferwagen aufgrund der Affinität zu Stück- und Sammelgütern stärker um +41%. Bis 2040 wird eine Abnahme der CO2-Emissionen im Strassengüterverkehr um -16% gegenüber 2015 bzw. -2% gegenüber 1990 auf dann 2,3 Mio. Tonnen prognostiziert.79

      Zusammengefasst soll der Güterverkehr in allen Prognosen weiter zunehmen. Vom ARE werden keine grossen Veränderungen im Modalsplit und ein Fortsetzen der Trends erwartet. Jedoch sind bezüglich Modalsplit und Warengruppen zwischen den verschiedenen Studien und Szenarien grosse Unterschiede festzustellen. Dies verdeutlicht, dass die zukünftige Entwicklung des Güterverkehrs schwierig zu prognostizieren ist und von vielen Faktoren abhängt (vgl. Kapitel 10.1.7 und 10.10.1).

      In den letzten Kapiteln wurde das heutige Güterverkehrssystem beschrieben. Zuerst ging es um den heutigen SGV in der Fläche, dann darum, wie dieser entstanden ist, was für Probleme existieren und was die Ursachen dafür sind. Das nächste Thema betraf die negativen Auswirkungen des Güterverkehrs und schliesslich wurden bestehende Prognosen kurz betrachtet.

      Nun geht es einen Schritt weiter: Es werden Möglichkeiten aufgezeigt und Vorschläge gemacht, wie der SGV in der Fläche weiterentwickelt werden kann. In diesem Kapitel werden zunächst die Ziele aufgezeigt und begründet, welchen die Weiterentwicklung folgen soll. Auch werden Strategien aufgezeigt, wie diese Ziele erreicht werden können. Danach folgt eine kurze Beschreibung des methodischen Vorgehens, mit welchem die Weiterentwicklungsmöglichkeiten erarbeitet wurden. In den nachfolgenden Kapiteln wird dann aufgezeigt, welche konkreten Weiterentwicklungsmöglichkeiten von den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und der Politik umgesetzt werden können.

      Die natürlichen Lebensgrundlagen sind Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft, eine hohe Lebensqualität und -zufriedenheit sowie letztlich alles Leben. Deshalb soll die Weiterentwicklung des SGVs in der Fläche und des Güterverkehrs allgemein in dieser Maturaarbeit dem Ziel eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt folgen. Gleichzeitig soll die für die Bevölkerung und Wirtschaft essenzielle Güterversorgung gewährleistet werden. Dabei bedeutet ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt, weniger Ressourcen zu verbrauchen, als gleichzeitig auf natürliche Art und Weise wiederhergestellt oder ersetzt und für künftige Generationen wieder bereitgestellt werden können, sowie nur so viele Emissionen an die Umwelt zu emittieren, wie diese in der Lage ist aufzunehmen.80

      Für den Güterverkehr bedeutet diese Zielsetzung, dass die negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt auf ein nachhaltiges Niveau reduziert werden müssen. Dabei nimmt der Klimaschutz eine wichtige Rolle ein. Wenn es nicht gelingt, die Klimaerwärmung zu begrenzen, werden katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen resultieren sowie die Wirtschaftsleistung stark gesenkt.81 So könnten sich die Folgekosten des Klimawandels und des Verlustes von biologischer Vielfalt im Jahr 2050 auf ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung belaufen. Im von der Schweiz 2017 ratifizierten Pariser Klimaabkommen ist festgehalten, dass «der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C […] zu begrenzen». Dieses Abkommen ist völkerrechtlich verbindlich und um dieses Ziel zu erreichen, müssen laut dem IPCC die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto Null gesenkt werden.82 Deshalb soll in dieser Maturaarbeit gezeigt werden, wie die CO2-Emissionen des Güterverkehrs bis zum Jahr 2050 um 100% auf null gesenkt werden können.

      Zudem soll die Weiterentwicklung des Güterverkehrssystems unter der Prämisse erfolgen, die weiteren in der Tabelle 2 aufgelisteten negativen Auswirkungen des Güterverkehrs zu reduzieren.

Flächenverbrauch Luftschadstoff-Emissionen Energieverbrauch
Habitatfragmentierung Lärmemissionen Ressourcenverbrauch
Unfälle

      Diese Auswirkungen beeinträchtigen die Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung sowie die Umwelt (vgl. Kapitel 6). So gibt es jährlich über 2`000 frühzeitige Tote aufgrund von Luftschadstoff-Emissionen des Verkehrs, da die Abgase die Atmungsorgane und den Kreislauf schwächen. Weiter führen die genannten negativen Auswirkungen zur Beeinträchtigung von Ökosystemen, dem Verlust von Biodiversität und als Folge zum Rückgang der Ökosystemdienstleistungen. Auch werden etwa Flächen anderen Nutzungen entzogen.

      Die heutigen negativen Auswirkungen des Güterverkehrs (vgl. Kapitel 6) und die Prognosen, die auf der Fortsetzung vergangener Entwicklungen beruhen (vgl. Kapitel 7), zeigen, dass die definierten Ziele heute und bei einem Weiter-wie-bisher auch in Zukunft bei weitem verfehlt würden. So würden etwa die CO2-Emissionen nach den heutigen Prognosen 2050 ein Vielfaches über dem Ziel des Pariser Klimaabkommens zu liegen kommen. Daraus lässt sich ein grosser Handlungs- bzw. Veränderungsbedarf implizieren.

      Dies weicht insofern vom heutigen Vorgehen ab, als dass heute oft von den Prognosen ausgegangen wird und diese als gegeben angesehen werden und in Folge die politischen Massnahmen darauf fokussiert werden (vgl. Kapitel 10.10.1). Doch Prognosen sind nicht naturgegeben und können durch Massnahmen der EVUs und Politik verändert werden. Sie geben kein Abbild der tatsächlichen Entwicklung wieder, sondern beruhen auf der Fortsetzung vergangener Entwicklungen. Zudem ist die zukünftige Entwicklung sehr schwierig abschätzbar und die Prognosen in Folge sehr unsicher. So gingen etwa die Prognosen der letzten 20 Jahre stets von einer zu optimistischen Entwicklung des SGVs aus. Prognosen geben Anhaltspunkte, in welche Richtung sich die Gesamtverkehrsentwicklung bewegt und aus ihnen kann der Handlungsbedarf abgeschätzt werden. Aber nicht mehr. Deshalb müsste meiner Meinung nach mehr von den Zielen aus der Handlungsbedarf abgeschätzt werden, was zu deren Erreichen unternommen werden muss, als andersherum die Zukunft aus den Prognosen abzulesen zu versuchen.

      Es gibt verschiedene Strategien, um die negativen Auswirkungen des Güterverkehrs zu reduzieren (vgl. auch Kapitel 10.1.6): Erstens durch technische Verbesserungen an den Strassenfahrzeugen bzw. dem Rollmaterial und der Infrastruktur. Zweitens durch Reduktion des Güterverkehrs, was wiederum durch optimierte Wertschöpfungsketten und Verkehrsströme oder einen Rückgang der Güternachfrage geschehen kann. Und drittens durch Verlagerung von Gütertransporten von der Strasse auf die Schiene.83 Doch wieso ist letzteres eine Strategie zur Zielerreichung?

      Wie im Kapitel 6 gezeigt, sind die negativen Auswirkungen