Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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doch. Und ein klitzekleines bisschen an mich selbst. Ich vermisste Elin, seit vergangenem Sonntag hatte ich sie nicht gesprochen. Und ich vermisste die friedliche Stille von Santa Christiana.

      Meinem triefenden Selbstmitleid setzten die Sternelben ein knalliges Ende: „Arbeit für dich.“

      Ein Killer würde mittags auf dem Flughafen Schönefeld landen. Sein Auftrag: Den russischen Mafiaboss töten, um einen Krieg zwischen der russischen und italienischen Unterwelt anzuzetteln.

      „Derart intriganten Verstand hätte ich den Dämonen nie zugetraut.“

      „Den besitzen sie auch nicht. Die Mafia gebiert ihre Bosheit aus sich selbst.“

      Kaum waren die Details in mein Workpad geflossen, marschierte ich zu Katja ins Büro.

      Sie schaute, sich müde die Augen reibend, auf. „Noch mehr?“

      Zerknirscht ließ ich sie die Infos lesen.

      „Der wird von Interpol gesucht? Dann schnappen wir ihn uns direkt am Flughafen. Kurzer Prozess“, atmete sie erleichtert aus.

      „Darf ich jetzt heim?“

      Die Sternelben stimmten gnädig zu.

      Kurz nachdem die Putzfrauen um 8 Uhr am Sonntag, dem normal siebten Arbeitstag der Woche durch waren, füllte ich die fünf Fensterbänke des Konferenzraums magisch mit Pflanzen. Dieses Zugeständnis konnte ich den Lichtwesen abschwatzen. Da ich vernünftigerweise vor allen anderen Kollegen zur Arbeit angerückt war, sollten sie keinen Verdacht schöpfen.

      Während der zweiten Woche im Kommissariat überlebte ich die tägliche Überdosis an Gewalt nur, weil jede freie Minute in die Planung der Gartenparty für Jay und Schorsch floss. Die beiden verhedderten sich in ihren unterschiedlichen Ideen so sehr, dass ich kaum Überredungskunst investieren musste, um ihnen die Sache mit diebischer Freude aus der Hand zu nehmen. Sie rechneten mit rund hundert Leuten. Den größten Spaß bereitete es, das Geschenk zu finden. Trotz aller Gegensätze teilten sie gemeinsame Träume. Getoppt wurde meine Euphorie durch die riesige Vorfreude auf mein freies Wochenende.

      Am Tag der großen Party zauberte ich in der Morgendämmerung zu allererst trockenes Wetter. Dann erschien vor dem Haupthaus mein Geschenk. Ein rotes Cabriolet, umwickelt mit cremefarbenem Schleifenband. Einen kurzen Moment liebäugelte ich mit der Verlockung einer Probefahrt. Stattdessen stürzte ich mich auf weitere magische Aufgaben. Im Park errichteten sich ein Zelt, verstreut stehende Gruppen aus Gartenmöbeln und eine Bühne für die angeheuerte Oldieband. Üppige Dekopracht ergoss sich in und um das Haus. Zum krönenden Abschluss fehlte noch Konfetti von ihrer Schlafzimmertür hinunter bis zum Hauseingang und weiter bis zum Gartentor. Danach kamen das Champagnerfrühstück sowie der Umschlag mit meiner Glückwunschkarte und dem Autoschlüssel an die Reihe. Ich war so aufgeregt wie ein Kind vor Heiligabend. „Wow, wow, wow!“

      Im Überschwang bekam Katjas schäbiger Konferenzraum voll dickköpfig noch Farbe an die Wände. Nachher würde der Raum meine lieben Kollegen in warmem Terracotta erwarten. Ich jauchzte.

      Die Sternelben tadelten mich. „Menschen tolerieren keine Magie, denk an deine eigenen Erfahrungen.“

      „Solange ich eine akzeptable Erklärung liefern kann, werden sie es schon schlucken.“ Hoffte ich.

      Immer wieder erstaunlich, auf welche Art und Weise dieses „Schlucken“ geschah.

      Weder Sonntag noch am Montag war die Wandfarbe ein Thema. Der einzige Kommentar, den ich am Montag mitbekam, lautete fast wortgetreu: „Dafür ist Geld da, das hätten sie mal lieber in eine ordentliche Kaffeemaschine gesteckt.“

      Durchtrieben griff ich die Meckerei für einen weiteren Schachzug auf. „Wie wäre es, wenn jeder einen Zehner spendiert und ich morgen vernünftige Geräte mitbringe?“

      „Spitze“, kommentierte Janine, von allen kurz Jan genannt. Umstandslos sammelte sie sofort die Scheine ein.

      „Seht ihr, so geht das!“, grinste ich allwärts. Über die passende Anrichte würde ich mir später den Kopf zerbrechen.

      Derart abgelenkt, bekam ich gerade noch den Rest mit. „… kaputter Stuhl. Muss ich mal beim Hausmeister nachhören, ob im Ersatzteilraum noch einer herumsteht.“

      „Ersatzteilraum? Genial!“

      Mein Sorgenfall unter den Kommissaren hieß Kai. Gemeinsam mit seiner jungen Partnerin Amelie fahndete er nach einem Schwerverbrecher. Da Kai jede Hilfe durch meine „Fähigkeiten“ stur ablehnte, impfte ich Amelie regelmäßig hinter seinem Rücken. So auch diesmal. „Ich weiß zwar, wo er sich gegenwärtig aufhält, aber der Kerl ist impulsiv. Am besten, wir Zwei halten Kontakt per Handy, damit euer Zugriff klappt.“

      Drei Stunden später klopfte sich Kai mächtig an die Brust. „Mein Spürsinn hat mich noch nie im Stich gelassen.“

      Seine Partnerin verdrehte die Augen und raunte mir zu: „Ohne dich würde Mattmann an Weihnachten noch frei herumlaufen.“

      Ihr Lob bekam ich kaum mit, denn die Sternelben schoben ein dickes Paket in meine grauen Zellen.

      Innerlich schüttelte es mich vor Abscheu und Ekel, als ich den Weg zu Katjas Büro antrat.

      „Nachtschicht?“, fragte sie müde.

      „Kindesentführung.“

      Ein Schauer des Entsetzens entstieg ihr.

      „Der Täter ist ein alter Bekannter eures Dezernats für Sexualdelikte.“

      „Dann sollen die sich kümmern!“, brauste Katja auf.

      „Liebes, er will zuerst die Mutter töten“, entgegnete ich sanft.

      Mit immenser Kraft drückte sie aufsteigende Tränen weg. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“

      Mein Herz weinte für sie.

      Die Gratwanderung, diesen Mord zu verhindern, aber dennoch den Täter für lange Zeit hinter Gittern zu wissen, überließen die Sternelben mir. Von Tag zu Tag hielten sie sich mehr mit Ratschlägen zurück. Und selbst wenn sie halfen, klang ihr Gesang eigenartig, irgendwie unkonzentriert oder abgelenkt.

      Vor Erschöpfung graue Gesichter verfolgten mit rot unterlaufenen Augen die Einsatzbesprechung. Ein anonymer Magen knurrte laut.

      Blitzgedanke. „Katja, fünf Minuten Pause bitte. Ich will schnell etwas aus meinem Wagen holen.“

      Mit einem überdimensionalen Tablett und dazu einem Korb am Arm balancierte ich zurück in den Raum. Fragende Blicke.

      „Holt mal Gläser.“ Zuerst entfernte ich die Folie von den Sandwiches. Gierige Blicke. Dann kamen Servietten und vier Milchtüten auf den Tisch.

      „Milch?!“

      „Erst ausprobieren, dann meckern. Langt zu.“

      Das erste Gelächter des langen Tages.

      Katja dehnte die Pause stillschweigend um weitere zehn Minuten aus.

      Das Aufputschmittel à la Elin wirkte.

      „Okay, Leute, weiter im Takt“, beendete Katja die Schonzeit. „Wir haben folgendes Problem: Der Täter beobachtet das Haus. Wie kommen wir hinein?“

      Mein Handzeichen. „Das übernehme ich. Die Mutter wird mich wie eine Freundin begrüßen …“

      „Wie soll das denn funktionieren?“, pampte Kai dazwischen.

      „Lass Lilia ausreden, Kai!“, schnauzte Katja. „Also, Lilia, dein Plan.“

      „Die Mutter erhält von mir die wichtigsten Informationen, dann lasse ich Jan und John durch das Gartentor hinein.“

      Kai erwürgte mich in seiner bescheidenen Fantasie qualvoll.

      John warf