Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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Straße abstellen. So gelange ich von der Hinterseite abermals hinein.“

      Nächster Einwand von Jan mit kritischem Blick auf den von mir besorgten Grundriss des Hauses: „In dem kleinen Schlafzimmer können wir uns nicht verstecken.“

      „Nein, ihr bleibt bei der Mutter nebenan im Kinderzimmer. Ich lege mich an Stelle der Mutter in ihr Bett.“

      Als schwierigster Part erwies sich die Sache mit der kugelsicheren Weste.

      „Katja, ich benötige keine“, flüsterte ich eindringlich.

      Nur ihre Erschöpfung verhinderte Gehirnchaos, indem sie den Zugang zur überlasteten Logikabteilung blockte.

      „Gibt es eigentlich Arbeitsschutzvorschriften für Magier?“, witzelte mein Alter Ego. Zum ersten Mal durfte ich mit höchstsphärischer Erlaubnis meine Schutzmagie anwenden. Sah ja niemand.

      Am Tatort legte ich mich in das Futonbett und lenkte meine Konzentration auf den Energiefluss. Ein unsichtbarer Schutzfilm legte sich um meinen Körper.

      Die Zeit tröpfelte in der Dunkelheit zum Einschlafen dahin.

      Leise öffnete er die Tür. Seine schwarze Seele spürte ich bis ins Bett brodeln. Im geräuschlosen Schleichgang näherte er sich mir. Das Messer in seiner vorschießenden Hand prallte an meinem Schutzschild ab. Bevor er erfassen konnte, was da geschah, stieß ich ihn mit der Wucht meines Oberkörpers um. Hart schlug er mit dem Rücken am Boden auf, während ich bereits laut rief: „Jan, John, Handschellen!“

      Der kleine Junge schlief friedlich in seinem Bettchen. Leise vor Glück weinend saß seine Mutter daneben.

      „Ins Bett würde ich jetzt auch gerne fallen“, gähnte ich.

      „Du darfst.“

      Aus dem Buch „Inghean“

      Die Dämonen scheinen sich wie ein Krebsgeschwür in den Eingeweiden der Stadt auszubreiten. Ohne Hilfe sind wir bald verloren.

      Kapitel 6

      Zwei Monate nach meinem ersten Arbeitstag im Kommissariat zog ich Mitte September eine niederschmetternde Bilanz. Sicher, auf der einen Seite wurden etliche Verbrechen vereitelt, die Aufklärungsrate betrug sogar satte hundert Prozent. Andererseits gab es für meine Kollegen dadurch zwangsläufig noch mehr statt weniger Arbeit. Ihre ausgelaugte Stimmung lag auf dem Gefrierpunkt. Für das Team hatte ich nichts erreicht, das Böse sog erbarmungslos jeden Krafttropfen heraus. Selbst der coole John brachte selten mehr als „Scheiße“ über seine Lippen.

      Resigniert ließ ich die Sternelben mein Fazit wissen. „Haltet ihr zufällig einen Plan B parat?“

      Tja, sie hielten. „Lilia, dein Wissen reicht nun aus, einen Teil der Aufgaben allein zu bewältigen. Deine Magie wird dich schützen.“

      Bei genauerer Betrachtung gefiel mir ihre Idee, ohne menschliche Komplikationen ein bisschen aufzuräumen. Schritt für Schritt legte ich aus eigenem Antrieb die vorgesehene Strecke auf dem Pfad meines Schicksals zurück. Allein, mir fehlte in der pausenlosen Action die notwendige Distanz, dies zu erkennen.

      Nun aber zu Plan B. Zuerst orderte ich eine Kiste voll Handschellen und ein Prepaidhandy in mein Haus. So ausgerüstet, pendelte ich entweder zwischen Wohnung und Tatort oder Kommissariat und Tatort hin und her. Sieben Tage die Woche von der Sphäre abrufbar, inklusive Nächte. Eifrig absolvierte ich mein Soloprogramm, ohne zu bemerken, wie die Anforderungen dabei langsam auf der sphärischen Skala empor kletterten.

      Hier einige Kostproben:

      Angetan mit einem langen weißen Kleid, von leichtem Schimmern umgeben, betrat ich die Behausung in einer heruntergekommenen Hochaussiedlung am Rande der Stadt. Das vierjährige Mädchen wimmerte erbärmlich in einer Ecke des Wohnzimmers. Seine Mutter hing besoffen schnarchend auf der Couch. Es stank nach Müll, Fäkalien und Alkohol.

      „Bist du ein Engel?“, schluchzte die Kleine.

      Lächelnd ging ich in die Hocke. „Ja, ein Schutzengel.“ Und zauberte einen Teddy hinter meinem Rücken hervor.

      Mit großen verwunderten Augen, ein Geschenk zu erhalten, presste sie schnell das weiche Teddyfell an ihren mageren Körper.

      „Gleich kommen liebe Leute, die dich mitnehmen, damit du nicht mehr weinen musst“, erklärte ich dem Mädchen.

      Es nickte ernst.

      Vor der Wohnungstür wählte ich die 110, bat für die Kleine um einfühlsame Beamtinnen und verschwand.

      Die Pistole war bereits auf den Kopf des Kioskbesitzers gerichtet, als ich gegen 23 Uhr geräuschlos den Verkaufsraum betrat. Der war mit allem vollgestopft, was die junge Szene in Friedrichshain für spontane Partynächte benötigte. Erst als ich das vorderste Regal umrundete, erblickte ich die filmreife Szene. Genau in dem Augenblick sackte der Kioskbesitzer ohnmächtig hinter seinem Tresen zusammen. „Waffe runter“, hörte der Jugendliche plötzlich dicht hinter sich. Seine Schrecksekunde nutzte ich, schlug ihm die Pistole blitzschnell aus der Hand und drehte ihm beide Arme auf den Rücken. Mit einem Stoß in die Kniekehlen auf den Boden befördert, sah er sich im nächsten Moment als handliches Schnürpaket außer Betrieb gesetzt. Die tolle Technik hatte ich bei den Kollegen abgekupfert. Der Jugendliche bleckte aggressiv sein Lückengebiss und wünschte mich stumm in die Hölle. Verpackt in Folie, schwebte die Waffe neben die Kasse. Den Rest konnten die herbeigerufenen Kollegen erledigen. Der ohnmächtige Kioskbesitzer würde in wenigen Minuten zu sich kommen.

      Während der bullige Kerl, er trug eine modische Hornbrille und einen teuren Anzug, noch auf seine apathische Ehefrau einprügelte, nahm er im Augenwinkel ein Leuchten an der Tür seines Wohnzimmers wahr. „Wer zum Teufel…?“ Seine Frage blieb eine Unvollendete.

      Ich feuerte eine Blendkugel ab, trat ihm die Füße weg und platzierte hastig, der Kerl mochte hundert Kilo wiegen, Handschellen an seinen Händen und Füßen. Die übel zugerichtete Frau stand schwankend da, Blut rann von ihrer Unterlippe zum Kinn hinab. Es tropfte auf den edlen Teppich. Behutsam umfasste ich ihre Taille und geleitete sie zur Couch. Vor Schmerzen stöhnend, sackte sie zusammen.

      „Ich rufe Ihnen den Notarzt.“

      Wahrscheinlich hörte sie mich gar nicht. Ihre leeren Augen blickten ins Nirgendwo.

      Draußen verständigte ich Notarzt und Einsatzzentrale. Rasch verabschiedete ich mich aus der schmucken Reihenhaussiedlung für Besserverdienende. Selbst in diesem Viertel kroch abendlicher Kloakegestank aus den Gullydeckeln hervor.

      Frisch aus dem Knast entlassen, besorgte sich der ehemalige Schweißer zuerst eine Knarre bei seinem alten Zellenkumpel. Der Enddreißiger befand sich auf einem Rachefeldzug ohne Gnade gegen seine Exfrau und deren neuen Freund. Ohne ihn! Seine Ex betrachtete er als sein Eigentum. Bekam er die Schlampe nicht, dann auch kein dahergelaufenes Arschgesicht. Danach würde er sich den korrupten Scheidungsrichter vorknöpfen. Nix zu verlieren, lautete ab jetzt sein Motto.

      Am frühen Abend, als der Ex-Knacki die Wohnungstür im Erdgeschoss des sanierten Altbaus eintrat, leuchtete ich im Flur still vor mich hin. Seine blindlings losgeballerte Kugel scheiterte an meinem Schutzschild. Die Zweite erwischte ihn selbst als Querschläger. Aufjaulend ließ er seine Waffe fallen. Geübt setzte ich den Brutalo außer Gefecht.

      „Nichts anfassen“, beschwor ich kurz darauf das stumm nickende Paar. Die Zwei hielten sich im Schlafzimmer versteckt.

      Auf dem Weg zu meinem Auto versuchte ich mal wieder vergeblich, möglichst lange die Luft anzuhalten. „Ständig dieser Kloakengestank!“ Er waberte mit Brechreiz erregender Intensität vor allem zwischen der Abend- und Morgendämmerung durch die Straßenschluchten. Angeblich, weil die Berliner zu sparsam mit dem Wasser umgingen und dadurch die Abwasserrohre verschlickten.

      Täter