Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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gibt es kein H…“ Natürlich, Magie, was sonst. Mein Zorn meldete sich schäumend aus der Magensäure zurück. „Ihr hattet behauptet, es gäbe niemanden sonst außer Elin und mir. Lügnerinnen!“

      Die Grundfeste unseres ungleichen Bündnisses erbebte, splitterte und krachte. Ich kappte die sphärische Verbindung.

      Elin stand vor mir, silbrige Tränen weinend.

      Wenn eine Elbe weint, lassen die Blumen ihre Blütenblätter fallen und die Sonne verfinstert sich, heißt es in einem ihrer Lieder.

      „Elin, wusstest du …?“, stammelte ich.

      „Nein“, hauchte sie.

      Keine von uns konnte das tränenreiche Leid der Anderen lindern oder ertragen, so strebten wir stumm auseinander.

      Dunkelheit senkte sich auf meine Seele und Dunkelheit umhüllte meinen Verstand. Am Anfang war der Gesang und er gebar eine Lüge. „Lüge! Lüge!“

      Dumpf kamen und gingen lichtlose Tage. Ich fühlte nichts, dachte nichts, aß nichts. Kein Weg hinaus.

      Endlich sang Elin ein Lied, tieftraurige Verse über den Tod der Elbenfürstin. Da weinte ich trockene Tränen. Und das Dunkel lichtete sich zu leblosem Grau.

      Nur noch ein Schatten meiner Selbst, quälte ich mich zu Fuß den weiten Weg bis zum Feenhaus.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Ungekannte Gaben der Macht besitzt das Menschenkind. Sie drohen unsere Pläne zu durchkreuzen. Wann endlich erwacht meine Fürstin?

      Der satte Geruch heißer Schokolade stieg mir in die Nase, erwartungsvoll öffnete ich meine Lippen. Das sahnige Gebräu rann durch meine trockene Kehle hinunter in einen Magen, der seine Hungerproteste bereits vor Tagen eingestellt hatte. Vorsichtig riskierte ich einen Blick unter den Wimpern hervor und schaute direkt in ein gutmütiges Gesicht. Umkringelt von schwarzen Locken.

      „Da bist du ja endlich“, strahlte mich die Fremde an.

      „Wo – wer – was?“, krächzte ich.

      „Erst Kuchen“, lautete ihre Antwort.

      Sie hielt mir eine Gabel voll hin. Diese Delikatesse schmucklos als Kuchen zu bezeichnen, war geradezu sträflich. Er verursachte eine Geschmacksexplosion aus Schokolade, kandierten Früchten, Nüssen, Gewürzen und Honig.

      Mit vollem Mund, sie sorgte ständig für Nachschub, versuchte ich den ersten Teil meiner Fragen zu wiederholen. „Wu?“

      „Du befindest dich im Feenhaus.“

      „Gut.“

      Mehr heiße Schokolade.

      „Wer?“

      Erschrocken fragte die Fremde zurück: „Hast du vergessen, wer du bist?“

      „Ich bin Lilia. Aber du?“

      „Na, ich bin Leya. Wer sonst.“

      Ich machte große Augen ob ihres menschlichen Anblicks. „Du siehst vollkommen anders als Elin aus.“ Obwohl, ihre Augen, ja, das innere Licht und die erfahrene Weisheit darin verrieten den elbischen Geist. Allerdings waren ihre Augen smaragdgrün.

      „Alles nur Tarnung, außerdem gefalle ich mir so besser.“

      Komisch, sie will überhaupt nicht wissen, wer Elin ist. Leicht schmatzend hakte ich nach: „Kennst du Elin?“

      Leya nickte. „Sie erschien heute Morgen und hievte dich über meinen Bannwall.“

      „Was?“

      „Aha, dritte Frage. Aber danach ruhst du dich aus. Also, deine Kräfte erloschen, kurz bevor du mein Haus erreichen konntest. Ich sah dich zusammenbrechen, ohne zu dir gelangen zu können. Als ich schon anfangen wollte, mir vor Kummer die Haare auszuraufen, kam Elin. Gemeinsam legten wir dich ins Bett und hier bist du nun.“

      Den letzten Satz bekam ich bloß noch halb mit, weil mir erneut die Augen zufielen.

      Elin gesellte sich zu Leya.

      „Meine Güte, bei mir ist mehr los als in den letzten zweihundert Jahren! Schwester, erzähl, was haben die Sternelben nun wieder angerichtet?“

      In der Stille ihrer geflügelten Gedanken wirkte das ungleiche Paar wie versteinert. Nur Leyas vor Erstaunen hochschnellende Augenbraue, als sie annähernd am Schluss von meiner Forderung hörte, den Bann aufzuheben, verriet ihre Lebendigkeit. Voller Mitleid und Sorge betrachteten die Elben mich.

      „Sie haben versagt und jetzt sollen wir beide den Karren wieder flott machen. Ist es so?“

      Elin, von ihren eigenen Konflikten gezeichnet, stellte nüchtern fest: „Lilia wird den Sternelben nie mehr blind vertrauen.“

      „Nun, das sollte ohnehin niemand tun“, erwiderte Leya barsch. Sanfter fügte sie hinzu: „Wie dem auch sei, wenn die Kleine es möchte, behalte ich sie erst einmal hier.“

      Die nachfolgenden Tage verbrachte ich mehr als zur Hälfte schlafend. In der übrigen Zeit verfrachtete mich die Elbe in einen Gartensessel mit der stets wiederholten Anweisung: „Atmen, riechen, schauen und genießen.“

      Ja, sie sprach mit mir tatsächlich unelbisch laut.

      Das Feenhaus befand sich mitsamt großzügigem, halb verwildertem Garten unter einer gewaltigen magischen Glocke. Wie in einer Schneekugel, allerdings einer frühsommerlichen.

      Leya erklärte dazu achselzuckend: „Wenn schon Bannwall, dann zum Trost mit meiner liebsten Jahreszeit als Dauervergnügen.“

      In der warmen Sonne summten Bienen, kleine Vögel zwitscherten in dem üppig blühenden Miniparadies.

      Manchmal pirschte die Elbe mit einem Stock umher.

      „Was treibst du da eigentlich?“

      Verlegen wand sie sich. „Als ich Igel gegen eine Schneckenplage in meinem Garten hinzufügen wollte, sind Gnome mit reingerutscht. Die werde ich nur schwer wieder los.“

      Ich prustete los. „Gnome? Das sind doch Märchenwesen!“

      „Ja, eben. Ich muss mit meinen Gedanken wohl anderswo geparkt haben.“

      Das schien ihr richtig peinlich zu sein.

      „Und dagegen existiert kein Mittel?“

      „Doch.“ Sie streckte mir den Stock hin. „Wenn ich es schaffe, die flinken Biester mit Rosenholz zu berühren, platzen sie.“

      Mir vor Lachen den Bauch haltend, musste ich die naheliegende Frage stellen: „Wieso schickst du die Gnome nicht einfach zurück?“

      „Sehr komisch. Dafür müsste ich erst einmal wissen, woher die stammen!“ Verschnupft zog Leya von dannen.

      Gnome, Feen, Riesen und all solche Kreaturen kamen in unzähligen Märchen vor. „Also sollte man sie doch irgendwo einschmuggeln können“, überlegte ich.

      „Leya, hast du ein Märchenbuch?“

      Sie brummelte irgendwas von „keine Dummheiten machen“, brachte jedoch ein dickes, zerfleddertes Exemplar. Leyas heimliche Leidenschaft galt nämlich Märchen und Sagen.

      Eifrig las ich darin und wurde nach knapp einer Dreiviertelstunde fündig. „Leya, komm mal!“

      Mit gespieltem Murren stand sie vor mir.

      Erst drückte ich sie in den Korbstuhl, dann das Buch in ihre Hände. „Lesen.“

      Wenige Minuten später schaute sie verwirrt auf. „Und?“

      „Na, pack die Gnome da rein“, ahmte ich ihre hemdsärmelige Art nach.

      Erleuchtung! „Du bist ja ein richtig ausgebufftes Schätzchen!“

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