Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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ich nicht leben wollen.“

      Vielleicht vermochte der tragische Tod des Teenagers jenes Bündnis zwischen uns allen zu schmieden, das ich mir so sehr wünschte.

      Kurz danach kam Katja, nahe an der Schwelle zum Ausrasten, ratlos mit dem nächsten drängenden Problem an. Eigentlich hatte sie es bei unserer Morgenrunde thematisieren wollen. „Wir brauchen endlich Ersatz für Kai, und zwar eine Frau.“

      „Soll ich mich darum kümmern?“

      „Wenn du kannst, wäre das eine echte Entlastung.“ Sie blickte mir beinahe schüchtern in die Augen und krächzte schließlich: „Verdammt, Lil, wie hältst du das bloß aus?“

      Nachdem sich der Raum geleert hatte, wandte ich mich mit hängendem Kopf meinen Grünpflanzen auf den Fensterbänken zu. Geistesabwesend griff ich nach der Gießkanne. Die Sternelben summten voller Trost. Solch eine Geste von ihnen lag weit zurück.

      Doch die nächste Aufgabe drängte.

      „Wo finde ich eine Ersatzfrau für Kai?“

      „In Hamburg. Reise selbst dorthin, um sie zu überzeugen.“

      „Wann?“

      „Heute Nachmittag.“

      Umgehend informierte ich die total überraschte Katja. „Ach, und noch etwas. Ich habe nicht nur dich, sondern Konny ebenfalls zum Fest am 1. Weihnachtstag eingeladen. Der Haken ist Konny.“

      „Du willst einen Tipp, um ihn gnädig zu stimmen?“

      „Kluges Mädchen.“

      „Sein frustriertes Team beißt sich an einem miesen Fall die Zähne aus. Nach den super Erfolgen bei uns sieht Konny jetzt echt alt aus. Vielleicht macht ihn dieser Umstand ja zugänglicher für deine speziellen Fähigkeiten.“

      Meine nachfolgende Schalte zu den Lichtwesen dauerte keine zehn Minuten. Die Einspeisung ihrer Informationen in mein Workpad erforderte ungefähr die doppelte Zeitspanne.

      Entschlossen klemmte ich das Workpad unter meinen Arm und marschierte los zu Konnys Büro, Dezernat Wirtschaftskriminalität, im anderen Gebäudeflügel.

      „Darf ich reinkommen?“

      Die Überrumpelungstaktik funktionierte, der Kommissar wies auf einen Stuhl. „Soll ich raten? Katja hat Sie geschickt.“

      „Falsch, ich suche einen Weg, Sie zur Anwesenheit bei meinem Weihnachtsfest zu bewegen.“

      Entspannt lehnte er sich zurück. „Sie können doch angeblich in den Sternen lesen. Was steht denn dort so über mich?“

      Ich grinste dreist. „Nichts Gutes! Sie sind ein Dickschädel, ein Arbeitspferd, ein Ignorant und vor allem ein gnadenloser Herzensbrecher.“

      Er lachte schallend los. „Und solch einen Unhold wollen Sie einladen?“

      „Katja steht leider auf Unholde.“

      „Arbeiten Sie jetzt auch noch als Kupplerin?“

      „Nur für meine liebste Freundin.“

      Amüsiert kam er auf den entscheidenden Punkt: „Wie sieht denn nun Ihre Strategie aus?“

      „Erst bringe ich Sie zum Lachen, Sie vergessen Ihre Furcht vor mir, ich öffne meinen Zauberkasten, Sie buchten endlich Ihre cleveren Täter ein. Als Happy End feiern wir ausgelassen Weihnachten.“

      Pause.

      Konny saß mit aufgestützten Ellenbogen hinter seinem hässlichen achtziger Jahre Furniertisch und ließ seine gespreizten Finger aneinander tippen. „Gans oder Truthahn?“

      „Truthahn.“

      Richtige Antwort.

      „Na, dann zeigen Sie mal Ihren Zauberkasten her.“

      Später fragte Konny zum Abschied leicht spöttisch: „Und Sie spielen den Racheengel? Können Sie überhaupt schießen?“

      „Ich trage keine Waffen.“

      Das stimmte zwar nur für irdische Verhältnisse. Aber ich genoss seine, leider kaum in Worte fassbare, komplett entgleitende Mimik, als ich ohne weitere Erklärung davonging.

      Spiel, Satz und Sieg!

      Die Zugfahrt nach Hamburg nutzte ich, um über passende Geschenke für meine Kollegen und Weihnachtsgäste zu grübeln. Jeder sollte etwas ganz Besonderes bekommen. Ungeniert spannte ich die Lichtwesen mit ein. Die Abwechslung schien ihnen sogar zu gefallen.

      Zumindest bis zu der Frage: „Und was wünscht sich Elin?“

      Erst wollten sie mal wieder nicht mit dem Sound heraus. Unwirsch erinnerte ich die Sternelben an unsere Vereinbarung. Wobei es sich dabei ehrlicherweise um meine einseitige Forderung nach Offenheit und Ehrlichkeit handelte, egal.

      „Elin möchte den Unterricht mit dir fortführen.“

      „Ach! Und wieso verschweigt sie mir das?“

      „Weil wir dich pausenlos in Beschlag nehmen.“

      „Der Unterricht ist wichtig, oder?“

      „Ja, ausgesprochen wichtig.“

      „Also, dann strengt euch mal an, dass wir nach Neujahr irgendwie Zeit dafür finden.“

      „Sehr wohl, Lilia!“

      Auf den letzten Drücker besprachen wir hintendrein noch hastig meine Vorgehensweise in Hamburg.

      Nach Ankunft des ICE in Hamburg-Altona gegen 18 Uhr lotsten mich die Lichtwesen durch ein Gewirr unbekannter Straßen bis zu einer Bar. Deren Eingangstür erinnerte an einen riesigen Fassdeckel. Unschlüssig blieb ich davor stehen. „Eine Bar? Um diese Uhrzeit?“

      „Sie gehört ihrem Vater. Du hast gerade noch Zeit, um Katja die Aufklärung des tödlichen Unfalls mit Fahrerflucht zu übermitteln, der sich zwischenzeitlich ereignete.“

      Ich hörte kaum, mein Hinterkopf dafür umso präziser zu. Während ich die Fasstür anstarrte, klickten in meinem Gehirn einige Denksteine aneinander. „Machen die Dämonen das? Treiben sie die Menschen zu solch perversem Handeln?“

      „Ja, Lilia, daraus saugen sie ihre Befriedigung – sofern sie satt sind.“

      Die wichtigste Info unseres Gesprächs überhaupt, nämliche ihre Anmerkung „sofern sie satt sind“, landete zu meiner Schande direkt im Langzeitspeicher.

      „Aber wussten die Dämonen im Gegensatz zu euch schon vorher von der hirnlosen Fahrerflucht?“

      „Nein, sie greifen ein, wenn sie zufällig in der Nähe lauern.“

      „Am Nachmittag?! Bedeutet das, im Winter mit seinem ständigen, wolkenverhangenen Zwielicht und seinen ewig langen Nächten laufen die Monster zur Hochform auf?“

      „Gut mitgedacht.“

      „Aber wie manipulieren sie die Menschen?“

      „Die Dämonen hauchen ihre Opfer an.“

      Eine widerlich abartige Vorstellung, die mir Brechreiz verursachte. „Kann das jeden treffen?“, fragte ich würgend und betrat dabei sichtlich überstürzt die schummrige Bar.“

      „Nein, nur jene Menschen mit sehr wenig Gutem in ihrer Seele.“

      Über die Horrormonster vergaß ich glatt Katja anzurufen. Und bevor ich das ebenfalls vergesse: Die Bar bot keinerlei Schutz vor Dämonen.

      Trotz der frühen Uhrzeit bestellte ich an der Theke einen Gin Tonic.

      „Achtung, Lilia, deine Kandidatin betritt die Bar.“

      Rachel,