Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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wer sagt’s denn.“

      Dem Inneren von Santa Christiana entströmte eine schwatzende Besuchergruppe, angeführt von Raimund. Gegen das Auto gelehnt wartete ich, bis sich der Pulk auflöste. Nachdem der Priester seinen letzten Gast verabschiedet hatte, steuerte er mit langen Schritten auf mich zu.

      „Ich hoffe, du rührst ordentlich die Spendentrommel bei deinen kostenlosen Orgelvorträgen“, begrüßte ich meinen Freund lachend.

      „Wenn die Anfragen weiter steigen, benötigen wir jemanden, der die Führungen übernimmt und nebenbei ein bisschen aufpasst. Aber dafür fehlt mal wieder das nötige Kleingeld.“

      „Habt ihr in der Gemeinde keine pensionierten Lehrer oder etwas in der Art, die sich nach solch einer Beschäftigung die Finger lecken würden?“

      „Das ist eine erstklassige Idee! Kommst du nachher auf einen Tee vorbei?“

      „Müsste hinhauen.“

      Aber zuvorderst wollte ich von den Sternelben weitere Antworten. Energischen Schrittes betrat ich die dämmrige Kirche und besetzte das Kissen am Altar.

      „Also, da ich mich nicht zweiteilen kann, stellt sich die drängende Frage: Wie soll das Ganze weitergehen? Meine Kapazitätsgrenze ist erreicht. Spätestens, wenn der Unterricht mit Elin starten soll, muss ich mir das Schlafen komplett abgewöhnen. Allein der Gedanke, Elin könnte nachts auch noch Unterstützung anfordern, ist Albtraum verdächtig.“

      „Elin benötigt bereits jetzt Hilfe.“

      „Jetzt schon? Und das erfahre ich so nebenbei?“, regte ich mich bis unter die Decke auf.

      „Leya wird Elin im neuen Jahr bereitwillig unterstützen“, beschwichtigten sie.

      „Ach?! Kann Leya überhaupt kämpfen?“

      „Selbstverständlich, sie ist eine Elbe!“

      „Uh, ein Fettnäpfchen.“

      „Erst wenn deine Ausbildung abgeschlossen ist, müssen wir deine Aufgaben neu überdenken.“

      Mir fielen das kürzlich erwähnte Dämonenheer und meine aufgeschobenen Fragen dazu wieder ein. „Wieviele Dämonen schleichen in der Stadt herum?“

      Stille.

      „Na?“

      „Elin glaubt, ihre Zahl ist auf einige Hundert angewachsen.“

      Mir blieb die Spucke weg. „Einige Hundert? Ihr lasst Elin allein auf hunderte von Monstern los?“

      „Ihre Macht und ihre Intelligenz wiegen vieles auf.“

      Mein Blut warf Kochblasen, aber mein Hirn vollführte einen seiner berüchtigten Bocksprünge. „Dann müssten mir nachts doch ständig Dämonen begegnen!“

      „Elin wacht über dich, auch wenn du sie nicht wahrnimmst.“

      „Wollt ihr damit sagen, der berüchtigte Berliner Kloakengestank ist in Wahrheit …“

      „… die Dämonenbrut. Gut erkannt, Lilia.“

      Zutiefst verstört und eingeschüchtert angesichts der haarigen Erkenntnis, scheußlichen Dämonen bei meiner Verbrecherjagd quasi auf ihren Köpfen herumzutanzen, verbrachte ich wortlos eine weitere Stunde mit Energie schöpfen.

      „Ähem, sagt mal.“, aktivierte ich die Verbindung nochmals, „Was wünscht ihr euch denn zu Weihnachten?“

      Sie ließen eine himmlische Gesangswolke erklingen.

      „Nanu? Will sagen?“

      „Oh Lilia, bitte lege die Fresken frei, die sich im Deckengewölbe befinden.“

      Verblüfft schaute ich empor. „Unter der schmutzig weißen Farbe?“

      „Ja, richtig.“

      „Wollt ihr euer Geschenk sofort?“

      Natürlich wollten sie, untermalt von einem hymnischen Kanon. Dass diese Sache mal wieder einen ihrer berüchtigten Schachzüge darstellte, darauf wäre höchstens ein Superhirn sofort gestoßen.

      Vorsichtshalber marschierte ich nach draußen und schloss die Tür hinter mir. Wer wollte schon eventuell eine Lawine aus verdrecktem Deckenputz abkriegen? Draußen konzentrierte ich mich bis zum Anschlag auf die Magie.

      Gespannt wie ein Flitzebogen riss ich die Tür wieder auf und lugte hinein. Tja, die Fresken lagen frei, oder vielmehr ein blasser Rest aus Bilderinseln. Echt kein Highlight. „So lassen oder vervollständigen?“

      Die Sternelben sandten umgehend Fresken in herrlich leuchtenden Farben in meinen Kopf. Sie wurden von mir in das Gewölbe projiziert.

      Wenige Minuten vergingen, dann jubelten wir ausgelassen über das Kunstwerk. Es stellte Kampfszenen zwischen „Engeln“ und „Teufeln“ dar. Mit Blitz, Feuer und gleißendem Himmelsstrahl.

      „Aber hallo, aktueller geht es wirklich nicht“, entfuhr es mir laut.

      Das Wunder musste Raimund auf der Stelle sehen!

      Ungeduldig läutete ich am Pfarrhaus.

      Kaum hatte mir Raimund geöffnet, überfiel ich ihn ohne Erklärung. „Los, komm mit, eine Überraschung!“

      Im Sturmschritt zog ich den überrumpelten Priester mit zur Kirchentür. „Augen zu. Mach schon.“

      Langsam führte ich ihn unter das Deckengewölbe. „Sieh nach oben.“

      Er blinzelte mehrfach angestrengt, wie um eine Fata Morgana zu vertreiben, dann schlug er sich die Hand vor den sperrangelweit offenen Mund.

      Eine lange Minute später begann Raimund zu stammeln: „Aber wie – woher? – Wie dahin?“

      „Weil sie“, dabei deutete ich zum Lichtfenster, „sich den Originalzustand deines Kirchengewölbes gewünscht haben“.

      „Unglaublich!“ Und das meinte er wörtlich. Denn Raimund starrte jetzt entgeistert zwischen den „Engeln“ und mir hin und her, rauf und runter.

      Wann würde er endlich die Schlüsselfrage stellen? Im Geist zählte ich bis zwanzig, als mein Magen vernehmbar knurrte. „Tee und Kuchen?“

      Er starrte mich an wie eine Außerirdische.

      „Lilia, jetzt hast du überzogen“, tadelte sphärischer Gesang.

      „Ja-a.“

      „Gehen wir besser zum Pfarrhaus zurück.“

      Widerstrebend ließ Raimund sich mitschleifen. Seine Haushälterin machte bereits Feierabend. So konnte ich ungeniert, für Kuchen war es doch reichlich spät, Sandwiches, Milch und Tee bereitstellen.

      Im Wohnzimmer drückte ich Raimund auf einen Stuhl.

      „Greif zu, danach fühlst du dich besser und wir können reden.“

      Erst nachdem ich ihm ein Sandwich in die linke und das Milchglas in die rechte Hand gedrückt hatte, begann er mechanisch mit der Mahlzeit. Seine glasigen Augen sahen dabei ins Leere.

      Nach dem ersten verschlungenen Sandwich gab mein Magen seinen Gehirnterror dran. Freie Bahn für den Kamikaze-Grundkurs in Magie.

      Mein Freund spannte mich über Gebühr auf die Folter, bis er schlussendlich zu fragen wagte: „Lilia, was bist du wirklich?“

      „Ah, ein Hoch auf die Intelligenz!“ „Ein Mischwesen, so ähnlich wie ein Muli. Nein, nochmal von vorne. Elben sind dir inzwischen ein Begriff.“

      In Zeitlupe senkte er zustimmend seinen Kopf.

      „Elben und Menschen sind grundverschieden. Aber vor Urzeiten