Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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sind.“

      Geduldig ließ ich Raimund das Gesagte verdauen.

      „Und Elben konnten, sie konnten …“

      „Magie bewirken?“

      Raimund blickte mich ängstlich an.

      Also lenkte ich sein Augenmerk auf das Kirchengewölbe. „Hast du das Motiv der Fresken noch vor Augen? Sie zeigen Blitz und Feuer, die ursprüngliche Kampftechnik von Elben und Dämonen. Von dieser urgewaltigen Kraft blieb ihnen am Ende nur schwache Magie.“

      Der Priester holte tief Luft. „Und du kannst – das ebenfalls?“

      „Magie ist nichts Böses, Raimund! Denk nur an die Freilegung der Fresken. Du hättest ihre Freude über mein Geschenk hören sollen. Sie jubelten vor Entzücken!“

      „Wirklich wahr?“

      „Ja, ich schwöre es dir.“ Die reine Ehrlichkeit meiner Augen half ihm über den Schock hinweg. „Raimund, die Magie hilft mir sehr. Ich rette dadurch Leben, bewirke Gutes und schütze obendrein mich selbst.“

      Skeptisch hakte er nach: „Aber warum nennt man dich dann den Racheengel?“

      „Gute Frage!“ „Tja, das wüsste ich auch mal gerne. Wahrscheinlich ein typischer Fall der berüchtigten Berliner Schnauze. Doch Rachegelüste haben keinen Platz in meiner Seele.“

      Er schenkte mir ein warmherziges Lächeln. „Ich weiß.“

      Nachdenklich fuhr ich heim. Je weiter sich meine Kräfte, mein Wissen und mein elbisches Handeln entwickelten, desto mehr entfernte ich mich von meinen neu gewonnenen Freunden. In absehbarer Zeit würden sie meinem Wesen kaum mehr folgen können. Das schien am heutigen Abend so zwangsläufig wie das Amen in der Kirche. „Du wirst neue Freunde finden“, dieses Versprechen der Sternelben stand ganz am Anfang. „Aber wie lange werden sie noch zu mir halten?“

      Als elendes Schniefbündel, mich wieder einmal unendlich einsam fühlend, traf ich eine knappe Stunde später am Gartenhaus ein. Plötzlich keimte Trotz auf und ich stemmte mich wild entschlossen gegen den innerlichen Trauerschwan. „Irgendwie muss die Geschichte im Guten weiter gehen. Die Schlacht ist keineswegs verloren. Punkt, Ausrufezeichen in fett!“ Klar, dass mein Alter Ego angesichts solch eines optimistischen Traumschaums kontern musste: „Wieso? Hat die Schlacht etwa schon angefangen?“

      Einige Zeit danach schritt ich mit zwei riesigen Apfelpfannkuchen plus Salat im Magen nach draußen auf die Wiese. Argwöhnisch schnupperte ich, ob die Luft dämonenrein war. Derweil betrachtete ich hingebungsvoll den aus abziehenden Wolken hervortretenden, winterlich funkelnden Sternenhimmel. Die Lichtwesen sangen dazu ein zauberhaftes Lied über ihren Traumgarten. Keine menschliche Sprache kam der ihren annähernd gleich. Sie glich Musik und ihre Musik bildete ihre Sprache. Jedes Wort gebar Klang und Bild, jede Tonfolge erzählte eine Geschichte.

      Unerwartet trat Elin zu mir.

      „Ruhige Nacht?“

      Lächelnd hob sie ihr leuchtendes Gesicht den Sternen entgegen.

      Anschließend machten wir es uns vor dem Kaminfeuer gemütlich. Während ich an meinem Weinglas nippte und dem Flammenspiel zusah, forderte mich irgendetwas mit anschwellender Intensität zur Kenntnisnahme auf. Der vergebliche Versuch, an meinen abgeschalteten Grübelregionen festzuhalten, endete in einem gequälten Seufzer. „Sag schon, was dir auf der Seele brutzelt.“

      „Leya wird mit mir kämpfen.“

      „Bin im Bilde.“

      „Du bist vollkommen ausgelastet, Lilia. Aber dein Unterricht …“, sie knetete ihre Hände, „du musst noch Unmengen an immens Wichtigem erlernen“.

      Mit vorgetäuschter Verärgerung tadelte ich sie: „Konntest du dich nicht noch die paar Tage gedulden?“

      Völlig perplex huschten ihre Augen in meine.

      „Du ruinierst gerade mein Weihnachtsgeschenk für dich!“

      „Oh!“

      „Ja!“

      „Ach so?!“ Amüsant, so eine Elbe im Chaos. „Oh, bitte entschuldige, Lilia.“

      „Schon gut, aber an Heiligabend bekommst du kein Geschenk mehr, dass das mal klar ist“, grummelte ich. „Nach Neujahr wollen sie Sorge für ausreichend Trainingszeit tragen.“

      „Ja, gut, dann gehe ich jetzt noch ein bisschen auf die Pirsch.“

      „Aber leise“, rief ich ihr frech nach.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Noch immer verkennt das Menschenkind den tiefen Sinn seines elbischen Erbes. Der Plan meiner Sternschwestern, Lilia das Antlitz unserer Fürstin zu offenbaren und so ihr menschliches Herz zu überlisten, schlug fehl. Wie Lilia sich selbst verleugnet, so verleugnet sie auch die Fürstin.

      Der nebelverhangen trostlose Mittwoch vor den herbeigesehnten Weihnachtstagen stand unvermeidbar im Zeichen des kollektiven Pulverfasses. „Seufz!“ Früh morgens setzte ich als den ersten Punkt auf Katjas gewalttriefenden Tagesplan: Das Team erhält ausgiebig Gelegenheit, mir gegenüber Dampf abzulassen! Fett unterstrichen. In Klammern fügte ich hinzu: Wir drohen zu implodieren, wenn sie keine verständlichen Erklärungen zu meiner Art des Arbeitens erhalten.

      Als ich nach dem Frühstück aufbrechen wollte, stand Elin, tief in Gedanken versunken, im Wintergarten. „Du schaffst das schon.“

      Gequält nickte ich ihr zu. „Seide taugt für edle Kleider, nicht als Halteseil.“

      „Na, dann drehst du eben einen soliden Strick aus den Fädchen.“

      „Ach, sei froh, dass du dich bloß mit mir herumschlagen musst“, frotzelte ich unter absichtlicher Verkennung dämonischer Fakten.

      Auf dem Weg zum Auto dachte ich: „Kann man sich mit einem tumben Dämon eigentlich unterhalten?“

      „Was ist Magie?“ Mit dieser schlichten Frage eröffnete ich meine heikle Mission im Konferenzraum.

      Der erste Querschuss kam umgehend. Nämlich von Axel, der mir bislang unauffällig, aber kontinuierlich aus dem Weg ging. „Was soll denn das jetzt werden?“

      Mein Blick schweifte in die Runde. „Das soll Folgendes: Jeder von euch beherbergt im Hinterkopf diverse Fragen an oder über mich, die eine Antwort verlangen.“

      Zustimmendes Gemurmel.

      „Also nochmals dieselbe Frage, und zwar ernsthaft.“

      „Kaninchen aus dem Hut.“

      Allgemeines Gelächter.

      „Frauen zersägen.“

      „Träum weiter, Junge.“

      Gejohle der Männer.

      „Hellseherei.“

      „Dafür bist du nicht helle genug.“

      Die Sache drohte ins Lächerliche zu kippen und ich hob beschwichtigend die Hand. „Magie bedeutet erstens, Dinge zu bewegen, ohne dafür einen Finger krumm zu machen. Also mit reiner Geisteskraft.“

      „Geht das wirklich?“, wollte Amelie wissen.

      „Ja. Ihr dagegen habt gerade Zaubertricks genannt, die so fern von echter Magie sind wie die Sonne vom Mond.“

      Misstrauen dünstete aus diversen Ecken heran.

      „Ich zeige euch den Unterschied.“ Dabei fixierte ich Axel, der schräg gegenüber saß. Prompt sackte er auf seinem Stuhl tiefer. „Leg mal deine Brieftasche auf den Tisch.“

      Alle Augen konzentrierten sich