Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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mit gärender Verzweiflung unterlegt heraus: „Sind sie gar keine Friedensstifter, sondern kriegerische Wesen?“

      „Glaub mir, sie wünschen sich Frieden auf der Erde. Doch ihr mächtiger Feind vertritt nun mal gegensätzliche Ansichten“, lächelte ich verkrampft.

      Kapitel 8

      „Erst Dienstag“, registrierte ich fassungslos. In der Nacht hatte Tauwetter eingesetzt. An meinem Schreibtisch hockend hörte ich es in der Dunkelheit leise tropfen. Um 7 Uhr bugsierte ich den Tagesplan in Katjas virtuelles Postfach.

      Kaum erledigt, meldeten sich die Sternelben gewichtig zu Wort: „Lilia, im Team rumort es.“

      „Weswegen denn nun schon wieder?“

      Da ich keine Lust verspürte, meinen Kopf anzustrengen, halfen sie notgedrungen aus. „Weil sie Menschen sind, begreifen sie dein Handeln nicht. Warum es dir offensichtlich möglich war, den Tod des Mädchens zu verfolgen. Wie du zum Beispiel erst gestern ohne Waffe und Schutzweste in den Supermarkt stürmen konntest. Und deine bekannt gewordenen Aufenthalte in der Kirche sorgen inzwischen ebenfalls für Gesprächsstoff.“

      Natürlich kam dieses neuerliche Pulverfass mit einer gewissen Zwangsläufigkeit. Doch mein Gehirn meldete auch so schon volle Auslastung.

      „Morgen musst du mit ihnen reden.“

      „Erst morgen?“, sandte ich total erleichtert.

      „Rachel wird heute anwesend sein.“

      Mit aufgesetzter Fröhlichkeit sang ich laut den Reim: „Morgen, morgen nur nicht heute, sagen alle faulen Leute.“

      „Lilia, bereite dich vor!“

      „Ja, ja.“

      Als ich im sturmverwirbelten Nieselregen das Tor zur Straße schloss, traf ich Jay.

      „Lil, gut dass wir uns sehen. Schorsch und ich haben uns gefragt, ob du Heiligabend bei uns verbringen magst.“

      Gerührt über sein ehrlich gemeintes Angebot, obwohl die beiden sich riesig auf das erste zweisame Fest im neuen Zuhause freuten, antwortete ich ebenso ehrlich: „Total lieb von euch, aber ich habe ein volles Programm.“

      „Etwa Weihnachten auch noch arbeiten?“, rief er entsetzt.

      „Orgel spielen, unter anderem.“

      „Du bist ‘ne Marke!“

      „Und tschüss.“

      Heiligabend verhieß für mich erstens ausschlafen. Zweitens wollte ich gerne zumindest für ein paar unglückliche Menschen den Weihnachtsengel spielen. Drittens möglichst keine Einsätze für die Lichtwesen erledigen müssen. Wobei, der Punkt gehörte eindeutig an die unverrückbar erste Position. Viertens zum krönenden Abschluss der wunderbaren Orgel in Santa Christiana die schönsten, je nach Geschmacksempfinden auch kitschigsten, Weihnachtslieder entlocken.

      Putzmunter und bestens gelaunt fuhr ich in meinem Wagen der Arbeit entgegen.

      An der vierten roten Ampel rappelte das Handy los.

      John meldete sich. „Verflucht Lilia, wenigstens du bist erreichbar. Auf der Glaskuppel des Hauptbahnhofs turnt ein Selbstmörder herum.“

      „Bist du dort?“

      „Ja, und zwar allein mit einer Herde aufgescheuchter Bahnleute.“

      „Ruhig Blut, ich beeile mich.“ „Schaffe ich das noch rechtzeitig?“

      „Das ist ungewiss, seine Emotionen sind kollabiert.“

      „Falls ja, was unternehme ich?“

      „Du musst zu dem Jungen auf das Dach gelangen.“

      „Ein Kind?“, fragte ich entsetzt.

      „Ein Jugendlicher mit Liebeskummer.“

      „Und wo steckt seine Liebste?“

      „Sie ist mit einem Anderen in die Ferien geflogen.“

      „Ach du grüne Neune. Bleibt bloß auf Sendung!“

      Die Lichtwesen lotsten mich im Hauptbahnhof über eine verborgene Montageleiter auf das gigantische, röhrenförmige Glasdach.

      Nebenbei klingelte ich seine Ex-Freundin auf Mallorca aus dem Bett. „Marie, du hast Pierre verlassen. Bleibt es dabei?“

      „Wer ist denn da?“ Verschlafen murmelte sie: „Das mit Micha und dem Mallorca Trip war ‘ne saublöde Idee.“

      „Willst du Pierre wiederhaben?“

      „Glaub nich‘, dass der mich noch anguckt.“

      „Bleib dran, schlaf nicht ein!“

      Gut fünfzehn Minuten später dirigierten mich die Sternelben mitsamt dem Jungen vom Dach. Sie schmuggelten uns tatsächlich unbemerkt aus dem vielstöckigen Irrgarten des Bahnhofs. Unterwegs flötete Pierre unablässig Geschmuse in sein Handy, als säße er lässig beim Frühstück.

      „John, hier Lilia. Fall erledigt.“

      „Wie, was? Wo steckt der Verrückte?“

      „Hattest du noch nie Liebeskummer?“ Damit legte ich auf, schwer hoffend, er würde bis zur Morgenrunde innerlich abkühlen.

      „Lilia, du bist ein Aas!“

      Aber mein kandiertes Lächeln zielte so eindeutig an John vorbei, dass er sich umdrehte – und Amor tat seinen Job aus grünen Augen. Im Türrahmen des Konferenzraums stand nämlich unser Gast aus Hamburg.

      „Hi, Rachel, das hier ist mein wortgewaltiger Kollege John.“

      Nordisch kühl, streckte sie ihm gnädig die Hand entgegen. „Moin.“

      Ausgerechnet unseren coolen Obermacho ereilte mit grandiosem Aufschlag die Liebeskrankheit. Selbst das Schicksal besaß eine humoristische Seite.

      Katja eröffnete die Runde. „Guten Morgen an alle, wir haben heute einen Gast von der Kripo Hamburg. Unsere Kollegin möchte mal schnuppern, wie bei uns der Laden läuft. Die Tagesordnung sieht bislang ruhig aus. Eventuell weitere vorweihnachtliche Selbstmordkandidaten, die Lilia und Amelie hoffentlich zur Vernunft bringen. Dann der nächste Überfall auf eine Postbankfiliale in drei Stunden. Bleibt es dabei, Lil?“

      Nickend stimmte ich zu, weshalb Rachel fast ihre Augen aus dem Kopf kullerten.

      Katja ratterte weiter herunter: „Und ein Einbruch beim Autohändler. Der tangiert uns insofern, als der Täter bewaffnet ist und wegen schwerer Körperverletzung auf der Fahndungsliste der Brandenburger Kollegen steht.“

      Es platzte förmlich aus Rachel heraus: „Ihr wisst das alles im Voraus?“

      Mit dieser schlichten Frage wurde noch dem Letzten im Raum schlagartig bewusst, wie weit sich unsere Arbeit von der Normalität entfernt hatte.

      „Ein gutes Fundament für morgen“, registrierte ich im Hinterkopf.

      Kaum strebten wir auseinander, flüsterte Katja mir zu: „Willst du Rachel mitnehmen?“

      „Auf gar keinen Fall, sie dreht mir glatt durch.“

      Daraufhin glitt ihr Blick über das Team. „Okay, Jan und John, ihr kümmert euch um unseren Gast.“

      John grinste Rachel erwartungsvoll entgegen. Doch leider, leider steuerte die geradewegs Jan an und bestürmte sie mit Fragen. Sein Grinsen erschlaffte.

      Zur ausgleichenden Gerechtigkeit bekamen wir einen erträglichen Arbeitstag, von dem ich mich am späten Nachmittag getrost verabschiedete. Auf dem Flur stand Katja mit unserem