Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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allmählich verblassende Albträume zu sein. Und ich besaß null Interesse, daran zu rühren. Leya stellte keine Fragen. Sie erfuhr von Elin, die ab und zu vorbeischaute, ohne mit mir zu sprechen, sicherlich genug. So bekam ich in dieser künstlichen Idylle auch keine Gewissensbisse, einfach Elin, Katja und all die anderen im Stich zu lassen. Logisch, dass dieses egoistische Amüsement von begrenzter Dauer sein würde.

      Der Paukenschlag kam über Nacht. Die Seele der Elbenfürstin Joerdis, im Frühling heimlich von den Sternelben in mich hineingestopft, offenbarte sich mir mit maximaler Dramatik per Traumbotschaft:

      In der Industrieruine lauern tiefe Schatten und darin das Grauen. Hier fühlen sich Dämonen verdammt wohl. Elin und ich erkunden vorsichtig eine morbide Halle. Undefinierbares Gerümpel bedeckt den Boden, durch das fehlende Dach in schwindelerregender Höhe sickert die Nacht ein. Wir haben keine Ahnung, wieviele Dämonen uns erwarten.

      „Worauf warten die Ungeheuer noch?“

      „Möglich, dass sie versuchen werden, uns zu umzingeln. Wir sollten besser draußen warten“, beschließt die Elbe.

      Zu spät. In der nächsten Sekunde, wir befinden uns noch mitten in der Halle, erfolgt ihr Angriff aus sämtlichen Richtungen. Auseinander stürmend suchen wir Deckung an den Mauern. Weiße und schwarze Blitze, tödliche Peitschen, Schwerter und Würgeringe durchpflügen den Kampfplatz. Mehrere Treffer verschaffen uns ein wenig Zeit. Plötzlich Totenstille. Verwirrt sehe ich mich um, sehe ihn, den Fürsten. Gleichzeitig stürmen zwei Dämonen auf mich ein, der Dämonfürst aber wendet sich Elin zu.

      „Neiiiin! Elin!“ Mich in eine rotierende Lichtsäule verwandelnd, zerfetze ich in glühendem Zorn das erste Monster. Der zweite Dämon erlischt durch einen gewaltigen Peitschenschlag. Wo ist Elin? Eine Hand voll Wimpernschläge bis zum Tod.

      Ihr sich auflösender Körper liegt im Dreck, der schwarze Fürst ist fort. Bevor Elin die Erde endgültig verlassen würde, erscheint sie in meinem Geist. „Fürstentochter, deine ewige Dienerin.“ Sie verneigt sich und schwindet.

      „Eliiin!“ Schreiend fuhr ich aus dem Albtraum hoch. Beide Elben erschienen an meinem Bett. Schluchzend wiederholte ich ihren Namen, schlug die Hände vor mein bodenlos entsetztes Gesicht. Zwecklos.

      „Wusstest du, dass dies geschehen wird, Schwester?“

      Elin verneinte starr vor ungläubigem Entsetzen.

      Die Zeit meines Sehens begann mit erbarmungsloser Härte und eiskalter Klarheit. Nach Monaten stummen Beobachtens hatte Joerdis ihr Urteil über mein Inneres gefällt. Salopp ausgedrückt, hielt sie mich für ein emotionales Weichei. Daher der fürstliche Paukenschlag.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Die Fürstin hat ein Zeichen gesetzt. Warum nur wählte sie diesen Weg?

      Schweren Herzens nahm ich Abschied von Leyas kleinem Paradies. „Wirst du uns helfen, Leya?“

      „Wie denn? Mit heißer Schokolade und Kuchen etwa?“, mahnte sie sarkastisch den Sachstand an.

      Ich schaute ihr ernst in die Augen und verkündete: „Der Bann wird bald gebrochen.“

      Leya japste nach Luft. Doch ohne eine weitere Erklärung verließ ich ihr Zauberland.

      Mein Zuhause hatte für mich jede Bedeutung verloren. Gefühle gehörten der Vergangenheit an, exakt mit dem Zeitpunkt, da ich den Bannwall des Feenhauses überschritten hatte. Die Anwesenheit der Sternelben nahm ich nüchtern und distanziert zur Kenntnis. Sie sangen monoton. Irgendwie funktionierte ich – mechanisch.

      Wie in verflossenen Zeiten saßen Elin und ich am Küchentisch.

      „Lilia, bevor du wieder unter Menschen gehst, musst du lernen, deine sehenden Augen zu verschließen. Die Menschen werden deinen Anblick fürchten“, beschwor mich Elin.

      Wollte ich unter Menschen gehen? Nein, aber ich musste! „Ja, okay, lehre es mich.“

      Die Elbe suchte mich aufzumuntern, indem sie von dem ausgebrochenen Chaos im Dämonenheer berichtete. „Durch deinen Racheengel wurden sie verunsichert. Dabei trauen sie einander sowieso kaum über den Weg. Nun verstricken sich die Bestien in mörderische Ränkespiele.“

      „Haben sie schon ein Fahndungsplakat für mich entworfen?“, fragte ich lahm dazwischen.

      „Lilia, die Mehrzahl der Dämonen ist strohdumm, reine Kampfmaschinen, die auf Befehle hören. Lediglich ein enger Zirkel, der den Dämonfürsten umgarnt, begreift überhaupt die Vorgänge. Aber es stimmt, ein Teil ihrer Aufmerksamkeit richtet sich auf dich.“

      „Na, dann werde ich mal ein bisschen nachlegen. Apropos, sag Bescheid, wenn ich dich nachts begleiten soll.“

      Elin überlegte. „Ich denke, das kann noch warten. Konzentriere dich derweil auf die Nöte der Menschen.“

      Unser Gesprächston unterschied sich kaum von, sagen wir, zwei Gärtnern, die gerade anstehende Jätarbeiten unter sich aufteilen.

      Die Elbe grämte sich deswegen. Scheinbar zusammenhanglos schob sie nach: „In einer Woche ist Weihnachten.“

      „Wie?“ Mein Gehirn stolperte über den Begriff, suchte danach mit Kreuz- und Querschaltungen und spuckte schlussendlich ein Emotionspaket aus. Meine Hände umklammerten krampfhaft die Tischkante, während kindliche Glückseligkeit einer heilen Welt aus Weihnachtsbaum und Kerzenschein, noch beschützt vom Opa, hervorflutete. „Autsch!“ Meine Reaktion bewies merkwürdigerweise, dass Joerdis gegen spontane emotionale Ausbrüche ebenso machtlos war wie die Polizei.

      „Was soll ich denn damit?“

      „Du könntest Freunde einladen und ein Fest geben.“

      Elin hatte ihre Erinnerungen aus meiner frühen Kindheit im Bauernhaus in mich hineingeschaufelt. So verriet die Elbe versehentlich, dass sie bereits damals meine unsichtbare Wächterin war. In meinem kakophonischen Zustand flutschte diese wichtige Erkenntnis erst einmal durch.

      Jetzt benötigte ich dringend frische Luft und schritt barfuß die Stufen vor dem Haus hinunter in den Schnee. „Kalte Fliesen unter den Füßen“, erinnerte mein Gedächtnis.

      Als ich mich nach einer Weile auf der Wiese umdrehte und das nackte Haus betrachtete, ließ mich sein Anblick frösteln. „Wo bin ich in mir? Warum liebe ich das Leben nicht umso mehr, da die Gefahr stetig wächst?“ Eiskalt berechnend warf mein Alter Ego dazwischen: „Was ist der Unterschied zwischen einer Elbe und einem Dämon?“ „Gibt es dich Stinkstiefel also doch noch.“ Mit der überaus interessanten Frage brachte mein Alter Ego zwangsläufig wieder die, aus meiner Sicht, grundlose Lüge der Lichtwesen aufs Tapet. „Nimm den geraden Weg, frag sie, und zwar noch heute.“

      Ob es Elins berechnende Absicht war oder aber Joerdis allein von meinen starken Weihnachtserinnerungen derart überrumpelt wurde? Jedenfalls sah sich die Fürstin unter dem Strich gezwungen, ihr geistiges Handeln nochmals zu überdenken. Und dieser Umstand versetzte meinen Schicksalspfad mal wieder in turbulente Schwingungen.

      Kapitel 7

      Bei meinem Eintreffen in Santa Christiana wirbelte der Priester geschäftig in der Kirche herum.

      Überrascht sah er mich eintreten. „Ich glaubte dich schon verschollen. Geht es dir gut?“

      „Ja doch, sicher. Und bei dir alles okay?“, fragte ich Raimund aus purer Nettigkeit.

      Er strahlte über das ganze Gesicht. „Hervorragend! Unsere Orgel ist pünktlich zum Weihnachtsfest fertig geworden.“

      Das nannte ich mal supertolle Neuigkeiten. Und sie verpassten meinem Stimmungsbarometer einen hübschen Schubs. „Komm, wenn du ein wenig Zeit