Michael C. Horus

Das Buch der Vergeltung


Скачать книгу

      „Ich bitte Euch, hochverehrte heilige Männer, die Ihr mit ihm gelebt und gearbeitet habt, sagt mir, warum er aber einer so ansehnlichen Synode ausgewichen ist?“

      Die hohen Herren entgegneten ihm darauf erstaunt, dass das wohl kein Geheimnis mehr sei. Der Papst sei keiner, der in Schafskleidern komme, inwändig aber ein reißender Wolf ist. Längst treibe er so offen des Teufels Werk, dass er auf alle Umschweife verzichte.

      Nun wurden die Anschuldigungen gegen den Papst einzeln vorgebracht, wobei ich mit den Übersetzungen aller Wörter in die eine wie in die andere Richtung kaum mehr hinterherkam.

      Der Kardinalpriester Petrus erhob sich aus den Reihen und bezeugte, dass er gesehen habe, wie der Papst die Messe gefeiert habe, ohne zu kommunizieren. Bischof Johannes von Narni erklärte, er wäre Zeuge gewesen, wie der Beschuldigte einen Diakon in einem Pferdestall und nicht zu der festgesetzten Zeit geweiht habe. Der Kardinaldiakon Benedictus und die übrigen Priester und Diakone sagten, nach dem Kirchenraube brauche man wohl nicht zu fragen, denn darüber belehre uns der allgemeine Augenschein besser als alle Worte. Über seine ehebrecherischen Handlungen sagten sie aus, sie hätten dergleichen zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, wüssten aber ganz gewiss, dass er mit der Beischläferin seines Vaters, der Witwe Anna und ihrer Nichte und außerdem mit der Frau Stephana Unzucht getrieben habe. Den Heiligen Palast habe er zu einem Hurenhaus gemacht. Überdies habe er des Teufels Minne getrunken (was alle, Geistliche wie Laien, bezeugten) und beim Würfelspiel die Venus, den Jupiter und andere Dämonen um Hilfe angerufen.

      Nachdem der Kaiser all dies vernommen hatte, beriet er sich mit seinen Getreuen und sagte dann: „Nun, wenn es so ist, will ich es gern glauben. Bedenkt aber, edle und heilige Herren, was wir an uns selbst schon oft erfahren haben: Männer in hohen Würden werden von Neidern und Feinden verleumdet und verrufen. Der Gute missfällt den Bösen ebenso sehr wie der Böse den Guten.“

      Er machte eine Pause, um mir Gelegenheit zu geben, alles wortgetreu zu übertragen, und auch den heiligen Herren, das Gesagte gut zu verstehen.

      „Und das ist der Grund“, fuhr er sodann fort, „warum uns die Anklagen, welche hier vorgebracht wurden, bedenklich erscheinen. Zweifelhaft ist uns, ob dieselben vom Eifer für das Recht oder von gottloser Missgunst eingegeben sind. Deshalb beschwöre ich, kraft der mir anvertrauten Würde, Euch alle bei Gott, den auch Ihr nicht täuschen könnt, und beim kostbaren Leichnam des Apostelfürsten Petrus, in dessen Kirche dies hier vorgetragen wird, dass niemand den Herrn Papst einer Sünde bezichtige, die nicht wirklich von ihm begangen wurde und die zudem von glaubwürdigen Männern bezeugt wurde.“

      Hierauf entgegneten alle Anwesenden gleichzeitig wie ein Mann, dass sie verflucht sein wollen und am Jüngsten Tage auf eine Seite gestellt werden wollten mit jenen, denen Gott das Tor zum Himmelreiche verwehrt, wenn nicht all dies und noch viel Schlimmeres von unserem Herrn Papste Johannes tatsächlich verübt und begangen worden ist. Zum letzten Beweis führten sie noch an, was sich tatsächlich fünf Tage zuvor am Ufer des Tevere ereignet hatte. Der Papst, mit dem Schwert umgürtet und mit Schild, Helm und Panzer bekleidet, trat dem ganzen Heere des Kaisers Otto entgegen und entblößte ihnen sein Hinterteil, nur getrennt durch den Tevere-Strom, der verhinderte, dass er in diesem Aufzuge gefangen wurde. Nun schien auch der Kaiser, da er von dieser schändlichen Tat schon durch seine Heerführer erfahren hatte, überzeugt von der Schuld des Papst Johannes.

      Die versammelten Herren setzten ein Schreiben an den Obersten Bischof und Allgemeinen Papst auf, in welchem sie ihm eine Vorladung schickten. Auf Wunsch des Kaisers sollte es einige der aufgeführten Anschuldigungen enthalten, aber gerade nur so viele, dass der Herr Papst sich gezwungen sähe, Argumente zu seiner Verteidigung persönlich vorzubringen und der Einladung somit folgte und nicht schon vorab verprellt würde. Die adligen und heiligen Herren stimmten dem geschlossen zu und priesen den Kaiser in seiner Weisheit und Gerechtigkeit.

      Als der Papst Johannes diesen Brief erhalten und gelesen hatte, schrieb er der Heiligen Synode folgende Antwort:

      Bischof Johannes, der Knecht der Knechte Gottes, an sämtliche Bischöfe. Wir haben gehört, dass ihr einen anderen zum Papste erwählen wollt. Wenn ihr das tut, so banne ich euch vor Gott dem Allmächtigen, dass ihr nicht die Macht habt, keinen zu weihen und die Messe zu feiern.

      Noch bevor dieser Brief verlesen wurde, kamen weitere hohe und ehrenwerte Männer hinzu: aus Lotharingien Heinrich, der Erzbischof von Treveris, aus Emilien und Ligurien Wido von Modena, Gezo von Tortona und Sigulf von Piacenza. Mit ihrem Ratschlusse verfasste die Synode nunmehr eine Antwort an den Papst. Zunächst wurde nur festgestellt, dass der Herr Papst keinerlei begründete Entschuldigung für sein Fernbleiben von der Synode vorgebracht habe. Es ging weiter mit den folgenden Worten:

      Auch enthielt Euer Brief noch etwas Anderes, das kein Bischof schreiben durfte, sondern nur ein einfältiges Kind. Denn Ihr habt alle in den Bann getan, dass sie Macht haben sollten, Messen zu singen und die kirchlichen Handlungen vorzunehmen, falls wir einen anderen Bischof auf den Römischen Stuhl setzen. Denn so steht es geschrieben: ‚dass ihr nicht die Macht habt, keinen zu weihen’. Bisher haben wir geglaubt oder sind vielmehr überzeugt gewesen, dass zwei Verneinungen eine Bejahung ausmachen. Sollte es denn so sein, dass Eure ungeheure Machtfülle auch die Lehrsätze der Grammatik aufhebe?

      Wir wollen aber auf das, was Ihr habt sagen wollen, und nicht auf Eure Worte antworten. Wenn Ihr denn nun zur Synode erscheint und Euch von allen Anwürfen reinigt, wollen wir Euch wohl den gebührenden Gehorsam erweisen.

      Gegeben in den neunten Kalenden des Dezembers und überbracht durch den Kardinalpriester Adrianus und den Kardinaldiakon Benedictus.

      Als die beiden Abgesandten der Synode den päpstlichen Palast erreichten, trafen sie den Hausherrn nicht mehr an. Niemand konnte ihnen sagen, wo er sei, und hinter vorgehaltener Hand meinte man, er sei auf die Felder gegangen mit Pfeil und Bogen, um zu jagen. Da sie ihn also nicht finden konnten, kehrten sie unverrichteter Dinge mit dem Schreiben zur Synode zurück, die sich alsbald ein drittes Mal in dieser Angelegenheit versammelte.

      Der Kaiser nahm erneut das Wort und beklagte die Unvernunft und Würdelosigkeit des Johannes: „Nun, da wir Gewissheit haben, dass er nicht kommen wird“, sagte er, „bitte ich Euch edle und heilige Herren, mit sorgsamer Aufmerksamkeit anzuhören, welche Treulosigkeit und Falschheit derjenige zeigt, über den wir zu beratschlagen haben. Wir tun Euch also kund, dass dieser Papst Johannes, als er von unseren rebellischen Vasallen Berengar und Adalbert bedrängt wurde, an uns nach Sachsen Boten gesandt hat mit der Bitte, aus Liebe zu Gott ihn selbst und die Kirche des Heiligen Petrus aus ihrem Rachen zu erretten. Nachdem aber der Papst durch meine Bemühungen aus ihren Händen befreit und wiedereingesetzt worden war, hat er, entgegen des Eides und der Treue, die er mir auf den Leib des Heiligen Petrus geschworen hat, denselben Adalbert nach Rom berufen und gegen mich in Schutz genommen. Er hat überdies allerlei Unruhe und Empörung vor den Augen unserer Krieger angestiftet, indem er am anderen Ufer des Stromes mit voller Rüstung und nacktem Hinterteil aufgetreten ist.“

      Hierauf antworteten die Bischöfe und die ganze übrige Geistlichkeit, dass ein noch nie dagewesenes Geschwür mit einem entsprechenden Brenneisen ausgebrannt werden müsse. Der Kardinaldiakon Benedictus fügte hinzu: „Wenn seine Verdorbenheit nur ihm allein und nicht der Gesamtheit schadete, so müsste man ihn, so gut es ginge, erdulden. Aber wie viele, die vorher keusch waren, sind durch sein Beispiel zur Unkeuschheit gekommen? Und wie viele würdige Männer sind durch das Vorbild seines Wandels zur Nichtswürdigkeit verleitet worden? Wir alle bitten den Erhabenen Kaiser, jenes Ungeheuer, dessen Laster durch keine Tugend aufgewogen wird, aus der Heiligen Römischen Kirche auszustoßen und an seine Stelle einen anderen zu setzen, der uns durch das Beispiel seines untadeligen Wesens zugleich zu leiten und zu fördern vermag.“

      Der Kaiser sah zu mir herüber, und ich wusste, während ich noch mit der Übertragung ins Sächsische angestrengt war, dass er bereits gut verstanden hatte, was der ehrwürdige Benedictus im Auftrage seiner Brüder wünschte. Auf seinem Gesichte zeichnete sich ein stolzes und freundliches Lächeln ab, während er auf das Ende meiner Rede wartete.

      „Es