Michael C. Horus

Das Buch der Vergeltung


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einen Besseren zu finden, der auf den Heiligen Stuhl des Apostelfürsten gesetzt wird.“

      Die Synode beriet sich daraufhin mit großer Zufriedenheit und legte eine Pause ein, in welcher spanischer Wein, Bier und bestes florentinisches Backwerk für alle gereicht wurden.

      Die Miliz unter Petrus Imperiola verließ nach dem gemeinsamen Mahl die Petruskirche und stellte sich draußen vor dem großen Haupttor zu einer geschlossenen Abteilung auf, sodass nun die edlen und heiligen Männer ganz unter sich waren. Sodann konnte die von allen ersehnte Papstwahl abgehalten werden. Die Suche nach einem würdigen und untadeligen Nachfolger erwies sich als viel einfacher, als ich befürchtet hatte. Schon nach kurzer Zeit einigten sich die hohen und heiligen Herren darauf, den Leo, den ehrwürdigen Kanzler der Heiligen Römischen Kirche, den bewährten und der höchsten Stufe des priesterlichen Amtes würdigen Manne zum Obersten Bischof und Allgemeinen Papste zu wählen, nachdem sie den abtrünnigen Johannes wegen seines gottlosen Wandels abgesetzt hatten. Sie alle riefen mit einer Stimme nach ihm und wiederholten ihren Ruf an die drei Mal, was sich in meinen Ohren wie ein Festgesang anhörte.

      Franco hatte nicht einen Moment dieser gesamten Prozeduren ohne Aufmerksamkeit verfolgt. Er war wie gebannt von der Schicksalhaftigkeit und Würde des Augenblicks und überschüttete mich, wenn ich gerade nicht in meine ehrenvollen Pflichten dem Kaiser gegenüber eingebunden war, mit Fragen zu diesem und jenem. Besonders interessierte ihn jedoch, wie der Herrgott selbst wohl über den Johannes denken und urteilen mochte, und er fragte mich, warum der Herr nicht einschreite, wenn ihm ein solches Übermaß an Gottlosigkeit und teuflischem Frevel bei seinem höchsten Knecht begegnete. Ich antwortete ihm, dass es nicht Gottes Aufgabe sei, zu verurteilen und zu strafen, da er ein Gott der Güte und des Friedens sei. Er verzeihe den reuigen Sündern, wenn sie sich ihm offenbarten, und nehme jegliches Schaf wieder in seine Herde auf, auch wenn es sich um ein schwarzes Schaf handele.

      Im Stillen hoffte ich jedoch, dass ihn bei aller Anteilnahme an den wunderbaren Ereignissen dieser römischen Versammlung nicht das Bedürfnis überkommen möge, selbst das Wort zu ergreifen und vor der Heiligen Synode sein eigenes Erleben im Lateranensischen Palast zu schildern. Ich vermochte mir nicht vorzustellen, welchen Eklat dies unter den Anwesenden auszulösen imstande gewesen wäre, wenngleich ich eingestehen muss, dass mein lieber Franco doch alles Recht hatte, seiner geschundenen Seele Ausgleich zu verschaffen und seinen Teil zur besseren Beurteilung des teuflischen Unholds auf dem Apostolischen Stuhle beizutragen. Zum Glück kam ihm dieser Gedanke aber nicht, er schwieg voller Ergriffenheit und ich war’s zufrieden.

      Leo selbst war zu diesem Tage, es war in den achten Nonen des Dezembers im Jahre 963 nach Christi Geburt, nicht in der Synode, da er als oberster Kanzler der Heiligen Römischen Kirche, wie es seine Aufgabe war, den Herrn Papst während seiner Abwesenheit oder Krankheit zu vertreten hatte. Mit der Zustimmung des Kaisers zogen die Bischöfe, die Priester, die Diakone und die übrige Geistlichkeit und das ganze römische Volk gemäß der Tradition unter dem Gesang des Laudes feierlich zum Lateranensischen Palast, um den eben genannten Leo zu holen. Zur festgelegten Zeit brachten sie ihn in die Kirche des Heiligen Petrus und erhoben ihn durch die heiligen Worte zur höchsten Priesterwürde und schworen ihm den Eid der Treue.

      Als das dem sogenannten Papste Johannes bekannt wurde, schickte er Boten nach Rom, aber nicht zu den adligen Familien, sondern zum gemeinen Volke, welches sich auf den Straßen und Plätzen, in den Wirtsstuben und Badehäusern zusammenfand. Er wusste sehr wohl, wie leicht der Sinn der Römer durch Geld zu verführen war, hatte er dies doch schon allzu oft erlebt und zu seinem Gewinn genutzt. Er versprach ihnen reichen Lohn und den Schatz des Heiligen Petrus und sämtlicher anderer Kirchen, wenn sie über den gütigen Kaiser und den neuen Papst Leo herfallen und sie alsbald ums Leben bringen wollten.

      Da das kaiserliche Heer nur noch in geringer Zahl die Stadt belagerte, fühlten sie sich durch dieses Ansinnen ermutigt und betört zugleich. Auf ein Signal hin sammelten sie sich mit ihren Wagen auf einer Brücke über den Fluss Tevere und griffen den Kaiser an. Dieser hatte jedoch keine Mühe, mit seinen kampferprobten und tapferen Soldaten dem Frevel ein Ende zu machen. Sie trieben die Aufständischen wie Hasen durch die Straßen und es hätten noch viele Römer weniger den ungleichen Kampf überlebt, wenn sich nicht der ehrwürdige Papst Leo selbst vor sie gestellt hätte und den frommen Kaiser auf den Knien um Gnade und Barmherzigkeit angefleht hätte. Der Heilige Kaiser berief seine blutdürstigen Krieger ab und gewährte den Römern gegen Stellung von Geiseln den Frieden. Als Leo ihn schließlich noch bat, auch die soeben erst gestellten römischen Geiseln zurückzugeben, war des hohen Kaisers Herz so weit und sein Verstand so mächtig, ihm auch dies zu gewähren, auf dass es seiner Wertschätzung und Auszeichnung bei den Römern zu Hilfe kommen möge.

      Nun lag Rom dem neuen Papste dankbar und glücklich zu Füßen.

      Franco und ich verließen die Synode in der sicheren Gewissheit, nunmehr den würdigsten und gerechtesten unter den heiligen Männern zum Höchsten und Allgemeinen Papste gewählt zu haben, und ich bin ebenso sicher, dass viele meiner Brüder gerade so wie ich dachten. Zufrieden kehrten wir zu unserer Herberge zurück und genossen im Hause der untadeligen Brüder Imiza einige der schönsten Abende bei edlem Wein und Speisen, bevor wir im Februar nach Cremona abreisten, wohin mich längst liegengebliebene Pflichten riefen und zudem die ehrenvollen Aufgaben eines Bischofs erwarteten.

      Für meinen braven Schüler konnte ich einen guten Lehrer gewinnen, der ihn, so oft es ging, an meiner statt in der höheren Kunst der Arithmetik und auch der Geometrie unterrichtete, wo es über die einfachen und gewöhnlichen Dinge hinausging. Zugegeben, diese beiden Meisterschaften, die zusammen mit der Astronomie und der Musik das Quadrivium bildeten, und denen ich nicht in gleichem Maße stark und gewachsen war wie der Grammatik, der Rhetorik und der Dialektik, brachten mich immer öfter in Verlegenheiten. Letztere Künste, auch das Trivium10) genannt, waren mir weitaus besser bekannt, wie der geneigte Leser sich leicht vorzustellen vermag.

      Franco, der ein sehr gelehrsamer und heller Schüler war, hatte es wohl verdient, von den besten Lehrmeistern seines Faches unterwiesen zu werden, und so ließ ich mir seine Ausbildung einiges an Silber kosten, was mich aber nicht reute.

      Die Nachricht vom plötzlichen Tode des abgesetzten Papstes Johannes erreichte mich in der Vesperstunde mit einem berittenen Boten, der von Papst Leo zu mir nach Cremona ausgesandt worden war. Ich war gerade im Gebete vertieft, als einer meiner Diener den Besucher ankündigte, der mir eilig einen Brief aushändigte und dann ohne Verweil weiterritt. Ich hätte gern noch das eine oder andere Wort mit dem Boten gewechselt, weil an unbeschädigte Neuigkeiten aus Rom heranzukommen nicht eben immer leicht war. Seit unserer Abreise von dort waren zwei volle Monde vergangen und mich dürstete nach Informationen zum Stand der Dinge vor Ort. Ich sehnte das Ende des Krieges in Italien herbei und hatte allerlei Fragen zu dem unwürdigen Gerangel um den Stuhl des Apostelfürsten. Mir war durchaus bekannt, dass der abgesetzte Papst Johannes bis zu seinem Ende immer noch Ansprüche auf den Heiligen Stuhl geltend machen wollte und dass dieses Verlangen vom höchsten römischen Adel, dem er ja auch entstammte, gestützt wurde.

      Im Februar hielt er sogar eine Synode ab, die die Beschlüsse der vorhergehenden Synode für ungültig erklärte. Ein gottloses und unwürdiges Spektakel reihte sich an das andere. Nur die gnadenvolle Anwesenheit des Kaisers vermochte den Johannes ein ums andere Mal in die Schranken zu verweisen und zeitweilig aus Rom zu vertreiben. Doch kaum hatte sich der Kaiser ein Stück weit entfernt, kam der Johannes wieder zum Vorschein, sammelte neue Truppen um sich und bedrängte den legitimen Papst Leo auf seinem Stuhle. Man stelle sich nur diese Hinterhältigkeit vor, den Verrat am frommen Kaiser Otto und seinem Sohne König Otto, den der Adel und große Teile des römischen Klerus auf ganz offene Weise begingen. Hatten sie nicht zuvor mit ihm gemeinsam und in größtem Einvernehmen den Leo auf den höchsten Bischofsstuhl gehoben?

      Als der gütige Kaiser, dem Wunsche seiner ebenso klugen wie Erhabenen Gattin und Mitkaiserin Adelheid folgend und, um die Stadt und das Volk Roms vor zu großen Lasten zu beschützen, im Frühjahr einen weiteren Teil seines Heeres zur Heimkehr entsandte, kam es erneut zu einem offenen Aufstande der römischen Adligen und ihrer Milizen, welcher aber auch mit minderer Stärke leicht von Otto niedergeschlagen werden konnte. So war ich also sehr gespannt darauf, zu erfahren, was die letzten Tage und Wochen an Neuem gebracht