Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken II


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nickte und aß stumm weiter. Andreas und Sondra warteten, dass er mehr er­zählen würde, aber er tat es nicht.

      „Wie wäre es, wenn ihr uns beide erzählen würdet, was in den letzten vierund­zwanzig Jahren in Vilgard, Ylra, Yldag, Iskand und im Sikhara-Gebirge alles passiert ist? Und wie kommt es zu den Kontakten? Habt ihr neue Verbündete oder zumindest Handelspartner?“

      Sondra hoffte, dass sie jetzt die richtige Frage gestellt hatte, um bei den Elfen einen Redefluss auszulösen, der die primären Fragen beantworten würde.

      Elsir lehnte sich zurück und klopfte sich auf seinen schlanken Bauch. „Hatte ich einen Hunger. Das war mir gar nicht bewusst. Danke, für das gute Essen!“ Er nahm die Teetasse und nippte vorsichtig an dem immer noch heißen Getränk.

      Sondra trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch. Bijae, der gerade sein zweites Brot belegte, bemerkte es und grinste breit.

      „Fnir erzählte mir, dass du mit einer unglaublichen Geduld alte Texte übersetzt hättest. Wo ist deine Geduld in den letzten Jahren geblieben?“

      Sondra setzte ihre Augen auf Halbmast und setzte zu einer Antwort an, die für ir­dische Verhältnisse schlimmstenfalls vulgär gewesen wäre, aber für jemanden aus Vilgard geradezu eine Beleidigung dargestellt hätte. Andreas umfasste rasch Sondras Handgelenk, da er einen schwach violetten Farbton auf ihrer Haut wahrnahm.

      „Bijae, ich bitte dich. Erzähl´ uns einfach alles.“

      Bijae biss von seinem Brot ab, kaute und holte durch die Nase tief Luft.

      „In Ordnung. Nachdem ihr vor vierundzwanzig Jahren Vilgard verlassen hattet, wur­den zuerst Freundschaftsverträge mit den Lykienern und den Swara ausgehandelt. Das sind Völker südlich von Vilgard. Die Lykiener….“

      „…sind einäugige menschenähnliche Wesen und die Swara Echsenwesen. Wissen wir. Bei der Hochzeit deiner Eltern haben wir diese Völker kurz kennen gelernt. Wei­ter!“

      Der Druide runzelte die Stirn. Er wurde selten unterbrochen und noch seltener von einer Frau. Aber seine Mutter und vor allem sein Vater hatten ihm von der Frau aus der anderen Welt Geschichten erzählt, die darauf hinwiesen, dass Sondra ihren eige­nen Kopf hatte. Und das dazugehörige Mundwerk!

      „Die Lykiener sind sehr zuverlässige Verbündete und Handelspartner, wollte ich sagen!“, fuhr er fort und funkelte die Menschenfrau an.

      Sondra versuchte den vorwurfsvollen Blick des Elfen zu ignorieren.

      „Meine Schwester Sina hat einen Lykiener-Prinzen geheiratet“, meldete sich Elsir zu Wort. „Die beiden haben sich bei einer Jagd kennen gelernt. Sinas Pferd ist durch­gegangen und Que hat sie gerettet. Sie haben sich verliebt und ganz nebenbei wurde dadurch sogar der Freundschaftsvertrag noch verstärkt.“

      „Hauptsache, die Hochzeit war nicht nur politisch“, sagte Sondra. „Das Mindeste, was zwischen zwei Partnern dieser Art sein muss, ist gegenseitiger Respekt und Zu­neigung. Alles andere wäre doch erzwungen.“

      „Du hast keine Ahnung, Frau!“, knurrte Bijae..

      Überrascht sah Sondra ihn an. „Was soll das denn bitte schön heißen?“

      „Respekt muss man sich verdienen und Zuneigung und Liebe werden total über­bewertet.“

      Sondra klappte der Unterkiefer runter, Andreas runzelte die Stirn und Elsir schloss genervt die Augen.

      „Jae, du bist der unromantischste, unsensibelste und blödeste Mann den ich kenne!“ Elsirs Stimme klang ein wenig erzürnt, sein blaues Auge mit den silbernen Punkten funkelte extrem bedrohlich. Es schien beinahe, als ob die Punkte ein Eigenleben füh­ren würden. Wie damals bei seiner Mutter Syra, als diese sich nicht nur als liebende Gefährtin sondern auch als entscheidungsfähige Königin offenbarte.

      Bijae setzte zu einer Antwort an, überlegte es sich aber noch einmal.

      „Vor acht Jahren hatten wir dann zum ersten Mal nach tausenden Jahren Kontakt mit dem Volk der Harpyien. Sie leben im südlichen Teil Shilfars, das Land hinter dem gleichnamigen Gebirge im Osten von Vilgard. Die Harpyien verhandeln nur mit uns Elfen und den Greifen, der Rest Vilgards interessiert sie zurzeit noch nicht. Es besteht ein lockerer Handel, mehr aber auch nicht.

      Durch die Harpyien gelang es aber Fnir Kontakt mit den Wolfsmenschen aufzu­nehmen. Das war vor etwas mehr als zwei Jahren. Bisher verweigern die Wolfs­menschen jedoch jeden weiteren Kontakt mit der Bevölkerung Vilgards.“

      Als Fnirs Name fiel, richtete sich Andreas ein wenig auf und blickte zu seiner Ver­lobten hinüber. Für einen kurzen Moment sah er ein leichtes Glitzern in den Augen von Sondra, mehr allerdings nicht.

      >Ich bin immer noch eifersüchtig<, stellte Andreas fest. >Auf einen Greif! <

      „Wie kommuniziert Fnir denn mit den Wolfsmenschen? Leben sie in größeren Ge­meinschaften oder in mehreren kleineren? Haben sie Städte oder Dörfer?“

      Sondra war wirklich neugierig. „Und was ist mit den Harpyien? In unseren Legenden bestehen Harpyien ausschließlich aus weiblichen Exemplaren. Gibt es auch männ­liche? Wenn nein, wie pflanzen sie sich dann fort?“

      Bijae seufzte. „Stellst du immer so viele Fragen?“

      „Natürlich! Nur wenn man Fragen stellt, kann man auch nach Antworten suchen.“

      Elsir schmunzelte. „Diese Fragen werden wir noch beantworten, Sondra. Aber du solltest Jae jetzt ausreden lassen, sonst explodiert er!“

      Sondra sah in die bernsteinfarbenen Augen des Druiden. Drei mögliche Antworten spukten in ihrem Kopf, aber sie holte tief Luft und biss sich demonstrativ auf die Zunge. Mit einer Handbewegung forderte sie Bijae auf, weiter zu erzählen.

      „Vor über acht Monaten, Fnir war gerade wieder zu Gesprächen bei den Wolfsmen­schen geladen, waren einige der Mitglieder eines der wichtigsten Rudel auf der Jagd. Har, ein Cousin des Anführers Arom, führte selbst eine Gruppe aus zehn Wolfsmen­schen an. Bei der Jagd bleiben die Wolfsmenschen der Einfachheit wegen lieber in der Gestalt eines Wolfes. Vala, eine Cousine Hars und Schwester Aroms, trennte sich kurzfristig von der Gruppe. Sie hatte wohl etwas gerochen und wollte der Spur nachgehen.

      Als sie nach einiger Zeit nicht nachkam, suchte das Rudel sie. Die Spur führte in eine Höhle. Die Wolfsmenschen nennen diese Höhle seit Jahrhunderten die Verbotene Höhle. Sie ist eigentlich tabu für ihr Volk. Aber Vala ist hineingegangen.“

      „Darf ich raten?“ fragte Andreas.

      Bijae nickte.

      „Zum einen war an diesem Tag Vollmond des gelben Mondes. Und zum anderen steht in der Höhle ein Torbogen, der so ähnlich aussieht wie der Torbogen in unserem Keller.“

      „Beide Annahmen sind richtig“, bestätigte Bijae.

      „Und die Spur Valas endete genau an dem Tor“, schloss Sondra.

      Bijae nickte ihr zu. „Als Fnir von dem Vorfall hörte, ließ er sich von den Wolfsmen­schen zu der Höhle bringen und nahm sie selbst in Augenschein.“

      Sondra überlegte kurz, wie groß die Höhle sein musste, damit der riesige Greif da hinein passte.

      „Fnir klärte die Wolfsmenschen über die Tore und den Weltenwanderer auf und Arom bat ihn daraufhin, dich um Hilfe zu bitten, Sondra.“

      „Ich wüsste nicht, wie ich helfen könnte“, wand Sondra konsterniert ein.

      Elsir lächelte Sondra zuversichtlich an. „Fnir sagte, dass du eventuell in der Lage wärst, Vala in dieser Welt ausfindig zu machen und sie nach Shilfar oder Vilgard zu­rückzubringen.“

      Sondra starrte die beiden Elfen einen Moment an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Unsere Welt ist so viel größer. Wo soll ich da mit der Suche anfangen?“

      „Ich wüsste schon wo“, warf Andreas ein. Verblüfft sah Sondra ihn an.

      „Habt ihr zufällig eine Karte