Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken II


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standen auf und hockten sich neben Bijae auf den Boden.

      „Hier ist Iskand und hier ist unser Zugang zu deiner Höhle, Sondra.“ Der Druide zeigte auf eine Stadt im nördlichen Bereich der Karte und auf einen kleinen Gebirgszug, der noch weiter nordöstlich lag.

      „Ja, ich erkenne es“, sagte Sondra und deutete auf ein Gebirge im Südwesten. „Hier ist das Sikhara-Gebirge. Dieser Fleck hier soll wohl Yldag darstellen?“

      Bijae sah missbilligend an. „Fleck?“, fragte er.

      „Entschuldige bitte. Und das hier ist Ylra.“ Sie überging seinen Unmut und deutete auf die Stadtzeichnung östlich vom Sikhara-Gebirge.

      „Genau. Hier im Süden befindet sich Ruwu-ul, das Land der Lykiener und der Swara. Und hier im Osten liegt Shilfar. Der südliche Teil an der Grenze zu Ruwu-ul gehört den Harpyien, alles, was darüber liegt, gehört den Wolfsmenschen und den Drachen.“

      „Drachen?“ Andreas riss erstaunt die Augen auf. „Davon hast du bisher aber nichts gesagt.“

      „Ist auch nicht notwendig. Fnir hat versucht mit ihnen in Kontakt zu treten, aber sie haben sehr deutlich gemacht, dass sie keinen Kontakt wünschen. Sein Gefieder war … angesengt.“

      Sondra erschrak. „War er sehr schwer verwundet?“

      „Nein. Die Drachen wollten ihn nicht töten, sondern ihm lediglich klarmachen, dass sie in Ruhe gelassen werden wollen. Also lassen wir sie in Ruhe.“

      „Wo ist denn jetzt das Tor, durch das Vera verschwunden ist?“, fragte Andreas.

      „Vala“, korrigierte Bijae und zeigte auf einen Punkt, der praktisch in der Achse genau zwischen Iskand und Ylra im Gebirge von Shilfar lag.

      Andreas sah sich einen Moment die Karte an und grübelte. „Ich komme gleich wieder“, sagte er, stand auf und verschwand aus der Küche. Als er wiederkam, hatte er einen alten Weltatlas in der Hand. Er legte ihn neben die Karte Vilgards und schlug die Übersichtskarte Europas auf.

      „Sieh mal, Schatz, hier wohnen wir!“ Er zeigte auf einen Punkt in Norddeutschland in der Nähe von Flensburg. „Deine Höhle in Irland ist hier. Wenn man das jetzt in Relationen zu Vilgard sieht und deine Höhle ihren Ausgangspunkt hier hat, “, er zeigte auf Bijaes Karte oberhalb Iskands. „und wir davon ausgehen, dass die Höhle in Irland auf der Westseite des Sikhara-Gebirges liegt wegen der Nähe zu Yldag, können wir vielleicht ungefähr bestimmen, wo die Höhle des Shilfar-Gebirges liegen muss.“

      Sondra sah ihren Verlobten lächelnd an. „Du bist doch ein verdammt cleverer Mann.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Und attraktiv noch dazu“, raunte sie ihm ins Ohr. Allerdings nicht leise genug, denn Bijae bekam rote Ohren und Elsir grinste sehr breit.

      Schnell wendeten sie sich wieder der Karte Vilgards und der Ansicht Europas zu. Sondra nahm ein Fingermaß und versuchte die Abstände der Entfernungen zuein­ander zu schätzen. Von Iskand aus maß sie zweieinhalb Finger nach Ylra. Ebenfalls von Iskand ausgehend maß sie vier Finger zum Sikhara-Gebirge und nach Yldag. Dann ging sie von Iskand aus mit demselben Fingermaß nach Shilfar zu der Höhle. Andreas hatte vorsichtshalber einen Block und einen Kugelschreiber mitgebracht, den Sondra jetzt für ihre Berechnungen brauchte.

      Dann übertrug sie ihre Berechnungen auf die Europakarte, von ihren Punkt bei Flensburg ausgehend. Sie überprüfte zuerst den Abstand von ihrem Standpunkt nach Irland, zu den Slieve Beagh. Zufrieden brummte sie und nickte.

      „Darf ich fragen, was du da machst?“, fragte Elsir.

      „Ich versuche den möglichen Standort des Tores aus Shilfar hier bei uns auf der Erde ein wenig einzuengen.“ Sondra ging wieder auf ihren Ausgangspunkt zurück und schlug jetzt den Weg nach Südosten ein. Als sie ihrem Ergebnis folgend an einem bestimmten Punkt ankam, pfiff sie anerkennend durch die Zähne.

      Andreas blickte über ihre Schulter. „Das könnte kompliziert werden“, brummte er. Sondras Finger war quasi an einem Punkt gelandet, wo drei Länder aufeinander trafen: Polen, die Slowakei und Tschechien.

      „Die Karpaten“, sagte Sondra. „Das ergibt sogar Sinn. Das Gebirge ist durchwoben von Geschichten und Märchen. Ideal für ein Tor.“

      „Es ist Osteuropa, Sondra! Wie willst du da einen einzelnen Wolf finden?“

      Sondra sah ihren Verlobten an. „Internet. Es gibt dort, soviel ich weiß, ein Schutz­gebiet für Wölfe. Das heißt, die Wölfe werden beobachtet. Falls es im letzten Monat außergewöhnliche Sichtungen oder Vorfälle in Verbindung mit einem oder mehreren Wölfen gegeben hat, müsste ich das herausbekommen.“

      „Angenommen, du findest den Wolf, was dann? Du kannst ihn…“

      „Sie!“, rief Elsir dazwischen.

      „…sie nicht einfach an die Leine nehmen und sie mit nach Deutschland führen.“

      Sondra schüttelte den Kopf. „Wir müssen in das Gebiet reisen, Vala finden und sie und die beiden hier durch dasselbe Tor zurückschicken. Übrigens, Bijae. Wie hast du das Tor überhaupt aktiviert?“

      „Ich habe alte Aufzeichnungen aus Yldag durchgelesen und offensichtlich die richtige gefunden. Ein wenig Übung und magische Asche waren nötig, und hier sind wir jetzt.“

      Sondra bewunderte Bijaes Art, seine respektablen Leistungen als alltäglich und ge­wöhnlich hinzustellen.

      „Ich sagte doch, dass er der größte Druide und Magier seit Jahrhunderten ist“, meldete sich Elsir zu Wort. Bijae funkelte ihn finster an.

      „Wie willst du denn mit Elsir und Bijae nach Polen reisen? Auch wenn durch das Schengener Abkommen eine Reise durch viele Länder Europas ohne Pass möglich ist, so gibt es doch Ausnahmen. Was willst du also tun?“ Andreas war aufgesprungen und wedelte mit den Armen. Das tat er immer, wenn er aufgeregt und ratlos war.

      Oder wenn er merkte, dass Sondra kurz davor war, eine ihrer Ideen zu bekommen. Eine Idee, die sie durchaus in Schwierigkeiten bringen konnte.

      Wie zur Bestätigung grinste Sondra ihn an. „Nun, ich brauche für die beiden inner­halb von zwei Tagen sowohl einen gültigen Pass, der nicht zu neu aussieht und ein Kurzaufenthalts-Visum Typ C, Andi. Wir beide haben ja unsere Pässe.“

      „Ich kann aber Deutschland jetzt nicht verlassen!“

      Sondra fühlte sich, als ob ihr jemand einen Eimer kalten Wassers über den Kopf aus­gekippt hätte. „Stimmt ja! Der Prozess! Verdammt.“

      Bestürzt sah sie ihren Verlobten an. Andreas wiederum blickte starr in Sondras Au­gen, dann nickte er nach einer Weile.

      „Also gut, wir machen folgendes. Ich werde morgen die nötigen Papiere organisieren, dazu benötige ich allerdings Holgers Hilfe. Du fährst morgen Vormittag gleich zu Tom und lässt Passfotos und so weiter von den beiden machen. Spätestens morgen Nachmittag werde ich sie brauchen. Dann werdet ihr drei in die Karpaten fliegen und Wanja suchen.“

      „Vala“, verbesserte Elsir. Die beiden Elfen waren in den vergangenen Minuten auffal­lend still gewesen.

      „Ich muss zuerst im Internet gucken, ob sich die Suche nach dem richtigen Ort ein­engen lässt. Vielleicht gibt es eine Ortschaft, die verstärkt ungewöhnliche Berichte verbreitet.“ Sondra fing an, den Esstisch abzuräumen, während sie nachdachte. „Tom wird bestimmt Fragen stellen, wenn ich mit Elsir und Bijae auftauche.“

      Andreas schüttelte den Kopf. „Wird er nicht, Sondra. Er weiß Bescheid.“

      Wie angewurzelt blieb Sondra stehen und starrte Andreas an. Verlegen blickte er nach einer Weile zu Boden.

      „Als du letztes Jahr in Irland warst, hatte Tom mich hier ein paar Mal besucht. Ein­mal war Vollmond und das Haus vibrierte. Er merkte es und stellte die richtige Frage. Ich kann Tom nicht anlügen, Sondra!“

      Stumm stellte sie den Aufschnitt und die Butter in den Kühlschrank, stellte das dreckige Geschirr in die Spülmaschine.

      „Sondra,