Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken II


Скачать книгу

zwischen den beiden Menschen eine Un­stimmigkeit herrschte, kümmerte sich intensiv um die Erforschung der Kochstelle mit den Ceranfeldern. Bijae faltete seine Karte vorsichtig zusammen, steckte sie wieder in seinem Rucksack und betrachtete den Weltatlas der Erde.

      „Was für eine Frage?“, fragte Sondra ruhig.

      Andreas schluckte kurz. „Du warst nicht in Südamerika, sondern in Vilgard, hab ich Recht?“

      Sondra schürzte ihre Lippen und zog beide Augenbrauen hoch. „Heißt das, Tom hat früher auch die Bücher meines Vaters gelesen?“ Ihre Stimme war immer noch ruhig.

      „Ja.“

      „Vertraust du ihm?“

      „Natürlich!“ Andreas war überrascht, dass Sondra ihm diese Frage überhaupt stellte. „Ja, ich vertraue ihm. Ich habe ihm alles erzählt und ihm sogar das Tor gezeigt. Er weiß, was auf dem Spiel steht, wenn die Öffentlichkeit davon erfährt.“

      Sondra nickte nach einer Weile. „Na gut, dann will ich ihm auch vertrauen.“ Damit drehte sie sich um und goss den Rest Wasser aus dem Wasserkocher in den Ausguss.

      Andreas ging zu Sondra und umarmte sie von hinten. „Es tut mir wirklich leid, Schatz. Bitte entschuldige“, sagte er leise.

      Sie drehte sich um und blickte ihn von unten nach oben an. „Hast du wenigstens ein schlechtes Gewissen?“

      „Ja“, sagte er zerknirscht.

      „Gut.“ Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf sein Kinn und richtete ihre Aufmerk­samkeit wieder den beiden Gästen aus Vilgard.

      „Es ist schon spät und wir können jetzt nichts mehr erreichen. Als erstes werden wir morgen in eine Boutique fahren und euch Kleidung der Erde besorgen. Da jetzt Herbst ist, wird es in Ordnung gehen, wenn ihr wegen der Ohren Mützen tragt. Andreas, kann ich morgen den Tuareg haben und du nimmst den Käfer? Ist bequemer für die beiden.“

      „Natürlich, Sondra. Das geht klar.“

      Sondra ging zur Küchentür. „Kommt mit, Jungs. Ich bringe euch in das Gästezimmer. Ich hoffe es macht euch nichts aus, euch ein Zimmer miteinander zu teilen. Wir haben nur ein Gästezimmer.“

      „Das macht uns nichts aus, Sondra“, beeilte sich Elsir zu sagen. „In den letzten Wochen haben wir entweder unter freiem Himmel oder in Tavernen oder Scheunen geschlafen. Deshalb…“

      „…danken wir für eine Unterkunft, egal wie einfach sie ist“, ergänzte Bijae. „Ihr seid sehr gastfreundlich und habt uns schon sehr gut bewirtet.“

      „Ich gehe schon mal nach oben“, meldete sich Andreas. Er wirkte immer noch ein wenig zerknirscht. „Gute Nacht, Elsir. Gute Nacht, Bijae.“

      Als Andreas die Treppe hinauf ging, grinste Sondra plötzlich über die ganze Breite ihres hübschen Gesichts.

      „Das tat gut!“, murmelte sie und öffnete die Tür zum Gästezimmer, das im Erdge­schoss neben dem Wohnzimmer lag. Sie knipste das Licht an, ging zum Fenster und öffnete es.

      „Das ist aber schön“, sagte Elsir mit großen Augen, als er das Doppelbett sah.

      Sondra schmunzelte etwas. „Falls es einem von euch unangenehm ist, zusammen im Bett zu schlafen, kann ich auch die Couch im Wohnzimmer zum Bett umgestalten.“

      Bijae sah sie einen Moment verwirrt an. Elsir wiederum grinste breit.

      „Wir haben schon als Kinder zusammen in einem Bett geschlafen und es ist noch nie etwas zwischen uns passiert. Ich glaube, wir können uns beherrschen.“

      Bijae lief dunkelrot an, sagte aber nichts. Sondra biss sich auf die Lippen, um nicht laut loszulachen. Sie erklärte den beiden Elfen kurz den Mechanismus vom Fenster und wie der Lichtschalter funktionierte.

      „Ach und Elsir!“

      „Ja?“ Elsir studierte gerade den Heizkörper.

      „Vermeide es bitte, deine Finger in die Steckdose zu stecken oder an Knöpfe zu drehen wie an dem Heizkörper vor dir, in Ordnung?“

      Jetzt grinste Bijae, weil zur Abwechslung Elsir errötete.

      „Also schlaft gut, ihr zwei.“ Sondra drehte sich um und ging zur Treppe.

      „Sondra, einen Moment bitte noch!“ Bijae war hinter sie getreten, berührte kurz ihre Hand, um sie aufzuhalten. Bei dieser flüchtigen Berührung zuckte Sondra zusammen, als hätte sie einen kleinen elektrischen Schlag bekommen.

      „Als Andreas dir vorhin gebeichtet hatte, dass er einem Freund euer kleines Torge­heimnis erzählt habe, wusstest du das schon längst, nicht wahr?“

      Die Augen aus goldgelbem Bernstein bohrten sich prüfend in ihre grünen.

      „Ja, schon eine ganze Weile“, gab Sondra zu. „Aber es hat mir ein bisschen Spaß ge­macht, ihn in Verlegenheit zu bringen.“

      Sie grinste den großen Elf an und er schmunzelte mit geschürzten Lippen zurück.

      „Meine Eltern hatten Recht, du bist gerissen!“

      Da fiel Sondra etwas ein. „Ich habe euch gar nicht nach euren Eltern gefragt. Wie geht es Elgar und Syra und Kolja und Elana?“

      Kurz zogen sich Bijaes Brauen zusammen. „Elgar hatte vor zehn Jahren als König abgedankt und die Krone Elram übergeben. Bis zu seinem Tod vor vier Jahren fungierte er noch als Berater für Elram. Syra starb nur wenige Monate nach Elram. Sie konnte und wollte nicht ohne ihn leben.“

      Sondra drehte ihren Kopf zur Seite, damit Bijae nicht sah, dass Tränen über ihr Gesicht liefen. Sie schluckte hart und holte tief Luft. „Und deine Eltern?“

      „Meine Mutter hat sich mit meinen drei Geschwistern auf den Hof meines Vaters zurückgezogen, als er vor zwei Jahren starb. „Mein Bruder Hrab wird den Hof über­nehmen, da ich, obwohl ich der älteste bin, als Druide keine Zeit für Landwirtschaft habe. Sabo, mein zweiter Bruder, fängt dieses Jahr bei der Armee an und meine kleine Schwester Fula ist einfach … ein Sonnenschein.“

      Die Zärtlichkeit, mit der Bijae von seiner kleinen Schwester sprach, überraschte Sondra. Nachdenklich blickte sie dem Druiden in die Augen.

      „Ich habe noch so viele Fragen, Bijae. Aber ich bin einfach zu müde, um alle Antworten zu hören.“

      „Jae. Meine Freunde sagen einfach nur Jae zu mir.“ Er lehnte lässig gegen die Korri­dorwand und hatte seine Arme verschränkt. Er setzte gerade an, um noch etwas zu sagen, als es im Gästezimmer schepperte.

      „Nichts passiert!“, rief Elsir aus dem Zimmer.

      Bijae rollte seufzend mit den Augen. „Ich fessele ihn besser, bevor er das Haus ab­reißt“, sagte er lakonisch und ging in das Gästezimmer.

      Lächelnd ging Sondra die Treppe hinauf ins Schlafzimmer.

      Kapitel 4: Schöne neue Welt

      Elsir hielt sich lachend den Bauch, als Bijae vor ihm und Sondra mit gequältem Ge­sichtsausdruck stand. Andreas hatte für Elsir und Bijae Kleidungsstücke von sich herausgesucht, damit die beiden Elfen erst mal so unauffällig wie möglich nach Flensburg kommen konnten. Elsir stellte kein Problem dar, er und Andreas hatten die gleiche Körpergröße, nur war der Elf ein wenig schmaler als der Mensch.

      Bijae allerdings sah aus, als ob er aus der Kleidung herausgewachsen war.

      Die Hose war mindestens acht Zentimeter zu kurz und der Pullover spannte verdäch­tig nah am Reißpunkt über seinem Oberkörper. Koljas Sohn traute sich nicht einmal mehr zu atmen.

      Sondra, die durch Elsirs herzhaftes Lachen ein Kichern nicht mehr unterdrücken konnte, half dem Druiden aus dem Pullover heraus.

      „Tut mir leid, Jae“, sagte sie und verschluckte sich fast, als sie ein lautes Auflachen unterdrückte. „Ich glaube, es ist besser,