Mathias Bestle

Robinson.Leva


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Hochzeitsbemalung für Frauen war, hatte ich dankend abgelehnt.

      „Komm schon", sagte ich und stupste sie sanft an. „Mach mich zur Braut.“

      Sie lächelte. „Na gut.“ Aus ihrer Umhängetasche kramte sie einen Filzstift hervor. „Aber ich werde heute nicht fertig werden, du musst mich morgen weitermalen lassen.“

      „Wenn es morgen noch da ist...", murmelte ich. Natürlich würde es nicht mehr da sein, dafür würde ich schon sorgen.

      „Natürlich wird es noch da sein, das ist ein wasserfester Stift", grinste Dala. „Der hält mindestens eine Woche lang.“

      Als ich nach Hause kam, sah meine Hand aus, als wäre sie mit hässlicher Blumentapete überzogen worden, und das fiel Saat natürlich auf. Ich hatte ihm bisher noch immer nichts von Dala erzählt, doch jetzt ließ es sich nicht mehr vermeiden.

      „Ein Mädchen im Bus?“, wiederholte er und klang nicht gerade erfreut. „Was für ein Mädchen?“

      „Sie heißt Dala und-“

      „Ist sie deine Freundin?“, unterbrach er mich.

      „Nein, sie-“

      „Gut. Das wird auch so bleiben, hast du verstanden? Du bist zu jung dafür, außerdem hast du dich auf die Schule zu konzentrieren. Du wirst sie nicht mehr sehen.“

      „Sie nicht mehr sehen? Soll ich sie ignorieren, wenn sie im Bus neben mir sitzt?“, fragte ich und konnte kaum fassen, wie blöd er sich benahm.

      „Du sollst dich von ihr fernhalten. Und wasch dir dieses lächerliche Zeug ab.“

      Ich tat nun natürlich nichts mehr dergleichen. Ich gab beim Duschen sogar besonders darauf Acht, sehr zu Dalas Freude am nächsten Tag.

      „So viel haben sie in der Schule ohnehin noch nie mit mir geredet...", brummte ich, während sie meine Hand umschlossen hielt und fleißig weitermalte.

      „Diese Banausen", seufzte sie. „Ich kann nicht verstehen, warum sie dich deshalb auslachen.“

      Auch längerfristig bewirkte Saats Ausbruch bei mir das genaue Gegenteil seines Zwecks. Ich fühlte mich seltsam bestärkt, was Dala anging. Wann immer ich bisher versucht hatte, sie auch außerhalb des Busses zu treffen, hatte sie abgeblockt. Das war wirklich verwirrend. Wir verstanden uns doch so gut! Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es in ihrem Leben etwas gab, wovon sie mir nichts erzählen wollte – so wie ich ihr nach wie vor meine Amnesie verschwieg. Nun wagte ich in meinem Trotz wieder einmal einen Versuch...

      „Rob, bitte sei mir nicht böse", begann Dala.

      Oh nein.

      „Ich weiß, wie das jetzt wirkt, aber glaub mir, ich würde dich dieses Wochenende wirklich gerne treffen!“

      Natürlich glaubte ich ihr, alles andere wäre viel zu deprimierend gewesen. „Warum geht es diesmal nicht?“

      „Ich darf nicht. Es ist wegen dieses Mordes! Vater lässt mich nirgendwohin, außer zur Arbeit. Er holt mich sogar von der Bushaltestelle ab, wann immer er kann!“

      „Ich verstehe nicht... Was hat dieser Mord mit dir zu tun?“, fragte ich. Da war es wieder, dieses Gefühl dass sie mir etwas verheimlichte.

      „Nichts! Vater macht sich nur Sorgen, weißt du. Aber das legt sich wieder. Vorausgesetzt sie finden den Täter, oder es passiert nichts weiter. Aber... wir könnten doch telefonieren!“

      Toll.

      Wir telefonierten also, und eigentlich machte es sogar wirklich Spaß. Auf jeden Fall war es besser, als zwei Tage lang überhaupt nichts von Dala zu hören. Außerdem begannen wir, uns Nachrichten zu schicken, auch während der Woche.

      Dala: Gebiss aus der Toilette gefischt. Mehrere mögliche Besitzer

      Ich: Erkältungswelle... Die Stabheuschrecke hat das Husten verboten

      Dala: Auf der Suche nach Herrn Myklebust

      Ich: Die Stabheuschrecke hat gehustet

      Dala: Frau Aune hat schon wieder zerkauten Apfel unter ihr Kissen gespuckt

      Ich: Der Hausmeister verfolgt einen alten Mann durch die Schule. Hr Myklebust?

      So ging das einige Zeit lang, bis ich eines Morgens mein Handy in der Küche liegen ließ, während ich zum Zähneputzen nach oben ging. Saat machte gerade meine Pausenbrote und als ich wiederkam, warf er es mir entgegen.

      „Dala DeLuca hat dir gerade eine Nachricht geschickt", sagte er. „Sie wird heute leider nicht im Bus sein, sie muss länger arbeiten. Aber sie meldet sich am Abend bei dir.“ Er funkelte mich böse an. „Rob.

      Ich war fassungslos.

      „Jan, ich bin schwer enttäuscht. Ich dachte, ich kann dir vertrauen!“, rief er.

      „Du liest meine Nachrichten und kommst mir mit Vertrauen?“ Meine Stimme überschlug sich, so wütend war ich.

      „Hatte ich nicht gesagt, du sollst dieses Gör nicht mehr sehen?“

      „Dieses Gör? Wie alt bist du eigentlich? Wie 23 verhältst du dich jedenfalls nicht!“

      „Ich verbiete dir-“

      „Du kannst mir gar nichts verbieten, du bist nicht mein Vater!“, schrie ich und stürmte aus der Küche.

      „Aber ich bin verantwortlich für dich und du hast mir zu gehorchen!“, rief mir Saat hinterher. „Und was ist das überhaupt für ein Name – Rob? Du heißt Jan, verdammt nochmal!“

      Ich ignorierte ihn und lief auf die Straße hinaus.

      „Du hast deine Pausenbrote vergessen!“

      Unglaublich. Was glaubte er, wer er war? Ich war 16 Jahre alt, ich brauchte seine blöde Beschützertour nicht! Und wovor wollte er mich überhaupt beschützen? Es war ja nicht so, als ob wir irgendwelche Dummheiten machten! Wie denn auch, sie traf sich ja nicht mit mir! Und wann auch, ich verbrachte ja all meine Zeit mit Lernen oder mit ihm, dem Idioten! Gör hatte er sie genannt...!

      Ich nahm mein Handy aus der Hosentasche und las Dalas Nachricht. Danach war ich nur noch wütender. Ausgerechnet heute musste sie länger arbeiten! Bei wem sollte ich mich jetzt über Saat beschweren?

      Nach der Schule verschanzte ich mich auf meinem Zimmer. Heute würde ich bestimmt nicht mit Saat zum Schwimmen gehen. Am frühen Abend rief Dala dann an.

      „Hallo", sagte ich und bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. Was konnte sie schon dafür?

      „Gut dich zu hören...", seufzte sie.

      Eigentlich war ich ohnehin nicht wütend.

      „Ich hatte einen furchtbar anstrengenden Tag! Zwei meiner Arbeitskollegen sind krank geworden und Hermina musste nach Harstad fahren, weil es ihrem Großvater so schlecht geht. Wir wussten echt nicht mehr, wie wir mit der ganzen Arbeit fertig werden sollten!“

      „Das klingt wirklich stressig", sagte ich in komplett normalem Tonfall.

      „Was ist mit dir? Du wirkst angespannt", sagte sie. Das musste eines dieser speziellen Talente von Mädchen sein...

      „Ja, kann schon sein...", sagte ich. „Ich habe mich heute ziemlich heftig mit Saat gestritten.“

      „Möchtest du darüber reden?“

      Ich überlegte kurz, und plötzlich hatte ich eine Idee. „Ja! Was hältst du davon, wenn wir uns dazu morgen auf einen Kaffee treffen?“

      Heute konnte sie nicht nein sagen! Seit dem Mord, der Tromsø in Aufregung versetzt hatte, waren ein paar Wochen vergangen und nichts weiter war geschehen. Sie wusste, dass ich wegen des Streits mit ihr reden wollte - und es musste doch auch so etwas wie Gerechtigkeit geben. Ich wollte Saat eins auswischen!

      „Ähm,