Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


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Land, welches sich im Süden jenseits der Elbe vor ihm ausbreitete, hinausschauen.

      Jetzt war es soweit, dass sich der König um andere Angelegenheiten des dänischen Reiches kümmern konnte. Da Mulne auf dem Weg nach Lubecke lag, machte sein Heer erneut dort Station. Die Nachricht vom Fall der stolzen Louwenburg war ihm vorausgeeilt. Ihm wurde ein Empfang geboten, den er nicht so schnell vergessen sollte. Die Mulner Bürger hatten ihre Zurückhaltung aufgegeben und standen jubelnd Spalier, als die Dänen wieder auf den Werder zogen. Ob das nun ehrliche Freude war oder die Mulner nur jubelten, um dem dänischen König zu gefallen, wusste Waldemar nicht. Er ahnte es jedoch, da sie etwas von ihm wollten. Mit einem zufriedenen Grinsen stieg er vor dem Haus des Lokators ab.

      Werdago de Mulne und der Lokator Konrad Wackerbart standen bereit, als der König vom Pferd stieg. Hinter ihnen hatte sich das Volk versammelt. Es drängte sich, zwar langsam und vorsichtig, jedoch immer näher heran. Neugierde und Hoffnung war in den Blicken der Menschen zu lesen. Der König lächelte immer noch, als er mit seinem langen lockigen braunen Haar dastand. Wie auf ein Kommando gingen nicht nur Werdago und der Lokator in die Knie, sondern ebenfalls die gesamten Bürger dahinter. So wollten sie dem König ihre Ergebenheit demonstrieren. Waldemar grinste immer noch, als er mit einem Handzeichen den Leuten gebot sich zu erheben.

      „Volk von Mulne. Hört mich an. Ich werde eurer Bitte nachkommen, und eurer Stadt das lübische Stadtrecht verleihen. Der Lokator soll seinen Schreiber anweisen eine Urkunde zu erstellen, die ich mit meinem Siegel beglaubigen kann. Die Geiseln jedoch, die mein Bruder aus euren Reihen nahm, bleiben weiterhin bei uns, bis die zehn Jahre vergangen sind. Ich kann euch versichern, dass es ihnen allen gut geht. Keinem wurde ein Haar gekrümmt. Und so wird es auch bleiben, wenn ihr vernünftige Menschen seid. Seid deshalb treue dänische Untertanen, und ihr werdet es nicht bereuen. Nach Ablauf der Zeit werden sie unbeschadet zu euch zurückkommen. So wohl an. Geht an eure Arbeit zurück.“

      Die Einwohner gingen darauf hin frohgelaunt in ihre Häuser oder ihrer Arbeit nach. Werdago und dem Lokator hatte der König jedoch durch ein Zeichen bedeutet, das er sie noch sprechen wollte. Die beiden Genannten verharrten.

      „Kommt mit. Ich habe mit euch zu reden.“

      Als ob Waldemar sein ganzes Leben lang König gewesen wäre, so schritt er würdig voran. Jeder Zentimeter seines gestählten Körpers strahlte eine Würde aus, die nur den besten Königen eigen ist. Sein bisheriges Leben als Prinz und Herzog hatte ihn jeden Tag auf diese Aufgabe vorbereitet. Von sich aus hätte er nie der Krone wegen die Hand gegen seinen Bruder erhoben, wie es in anderen Königshäusern bisher nicht selten geschehen war. Dazu war er ein zu treuer und verantwortungsvoller Mensch gewesen. Mit Knud hatte ihn außerdem wahre Bruderliebe verbunden, die keinen Neid zwischen ihnen zugelassen hatte. Doch durch das plötzliche Verscheiden Knuds war nun seine Stunde gekommen, die er zu nutzen verstand. Seitdem war er als gerechter König, aber auch als harter Mann bekannt, der genau wusste, was er wollte.

      .„Lange Rede, kurzer Sinn. Ich möchte, dass du, Werdago, der erste Bürgermeister der Stadt Mölln wirst. Du sollst dir vier ständige Ratsmitglieder aussuchen. Danach sollen sie in zeitlichen Abständen in freier Wahl der Bürger gewählt werden. Außerdem wünsche ich, dass Konrad Wackerbart weiterhin als Vogt tätig ist. Durch das lübische Stadtrecht habt ihr ja dann sowieso das Recht, einen Rychtevoghede, einen Richteherrn zu ernennen.“

      Die beiden Männer strahlten. Sie waren am Ziel ihrer Wünsche. Sie konnten ihr Glück nicht fassen. Endlich war es soweit. Nun galt es dennoch eine gewisse Bescheidenheit an den Tag zu legen.

      „Ihr seid zu gütig, mein König. Wir werden euer Vertrauen nicht missbrauchen Zu eurer vollsten Zufriedenheit werden wir unser Amt ausführen.“ Werdagos Worte klangen feierlich.

      „Das hoffe ich doch sehr, dass ihr mir weiterhin keine Scherereien macht. Dies würde nur unnötige Probleme aufwerfen.“ Ein Seufzer war aus des Königs Worten herauszuhören.

      „Aber ich bin noch aus einem anderen Grund mit euch hier heraufgestiegen. Wie ich sehe, habt ihr die Bergspitze hier von Häusern freigelassen. Dies war wohl nicht ohne Grund geschehen. Wie werdet ihr bisher von der Kirche besorgt? Ich sah hier noch kein Gotteshaus.“

      „Der Pfarrer des Dorfes Bredenvelde kommt regelmäßig hierher. Wir sind kirchlich ein Teil seiner Gemeinde. Die Gottesdienste halten wir im Freien, ansonsten im Krug ab.“

      „Hm.“ Der König kraulte seinen Bart. „Das dachte ich mir. Deshalb habe ich beschlossen, hier an dieser Stelle wo ich stehe eine große Kirche bauen zu lassen. Sie soll nach dem Schutzpatron der Seefahrer und Kaufleute, dem heiligen Sankt Nikolaus, benannt werden, wie es Sitte bei Kirchen unweit des Meeres ist. Ich gehe einmal davon aus, dass euer zuständiger Bischof Isfrid von Racisburg sich nicht meinem Wunsch widersetzt, und somit dem Namensvorschlag zustimmen wird. Aus diesem Grund werde ich euch einen Kirchen­bau­meister und Fachleute senden, die euch bei der Errichtung der Kirche helfen werden. Die Kirche soll nach dänischer Baukunst und Art errichtet werden. Ist dies nach eurem Gefallen?“

      Der König sah in glückliche Gesichter. Werdago konnte vor Freude nicht mehr an sich halten.

      „Ihr seid zu gütig. Das werden wir euch nicht vergessen. Wir sind eure treuesten Untertanen.“

      Mit einer wegwerfenden Handbewegung tat Waldemar diese Erklärung ab, als hielt er das eben Gesagte nur für Geschwätz.

      „Genug der Lobeshymnen. Übrigens soll am Fuße des Eichberges im Osten8 ein fürstlicher Wohnhof neben dem Haus des Konrad entstehen. Dieses Slot soll als herzogliche Residenz dienen. Auch dafür werde ich Bauarbeiter senden. Jetzt lasst uns aber zurückgehen.“

      Werdago verharrte jedoch und wandte sich an den König, der eigentlich aufbrechen wollte.

      „Eine Sache wollte ich euch noch fragen, mein König.“

      „Was gibt es denn noch?“

      „Wie soll es denn jetzt mit der Grafschaft Racisburg weitergehen? Werdet ihr für uns einen neuen Grafen ernennen, oder wird dies eine verwaiste und vakante Grafschaft bleiben?“

      Ein Blitzen in Waldesmars Augen bekundete, dass er Werdagos Ansicht teilte.

      „Genau aus diesem Grund möchte ich euch als ersten Bürgermeister haben. Ihr seid ein schlauer Mann, und denkt mit. Es ist richtig, dass die Grafschaft zur Zeit vakant darniederliegt. Doch soll sich dieser Zustand bald ändern. Ich verrate nicht zuviel, wenn ich euch schon andeute, dass ich einen neuen Grafen benennen werde. Wer dies sein wird, möchte ich zur Zeit noch nicht verraten. Wartet es ab.“

      Die drei ungleichen Männer gingen den Berg hinunter und verschwanden zwischen den Fachwerkhäusern. Zwei Tage später wurde die von Prabislaw geschriebene und vom König unterzeichnete Urkunde ohne große Feierlichkeiten dem ersten Bürgermeister Werdago über­geben. Der König reiste mit seinem Heer am nächsten Tag wieder ab. Zurück ließ er zufriedene Bürger, die endlich ihr Ziel erreicht hatten. Der einzige Wermutstropfen waren die auf Dauer zu stellenden Geiseln, deren Gefangenschaft noch neun lange Jahre dauern sollte. Es schien eine noch unendlich lange Zeit zu sein. Nicht nur für Prabislav.

      Das Lübische Stadtrecht war das von Lubecke übernommene Recht, das zu späterer Zeit in nahezu über hundert Städten im Ostseeraum verpflichtend sein sollte. Heinrich der Löwe verlieh Lübeck verschiedene Privilegien. Dadurch bekam die Stadt 1160 das Soester Stadt­recht. Hieraus entwickelte sich unter Federführung des Rates das sogenannte Lübische Recht über einen längeren Zeitraum hinweg.

      Waldemar hielt Wort. Anfang des Jahres 1204 setzte er seinen Neffen Albrecht von Orla­münde als Graf von Racisburg ein. Er erhielt die Burg und das Land Racisburg. Dafür verlor er die Länder um Wittenburg und Boizenburg, die Gunzelin II. von Schwerin erhielt. Es war jener Gunzelin, der 1201 die Waffenhilfe im Kampf gegen Adolf III. geleistet hatte. Auch der Abotritenfürst Heinrich Borwin von Mecklenburg ging bei der Neuverteilung der Ländereien nicht leer aus. Er erhielt das Land Gadebusch. Als Ausgleich dafür wurden dem Grafen Albrecht von Orlamünde die Sadelbande im Südwesten der Grafschaft bei Bergedorf zugesprochen.

      Im