Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


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unversöhnliche ehemalige Bischof Waldemar von Schleswig. Da sein größter Feind im Kerker schmachtete, hielt er es nicht mehr hinter den Klostermauern zu Loccum aus. Der Siebzigjährige fand Unterstützung beim Erzbischof Gerhard II. von Bremen. Zusammen fielen sie in Holstein ein.

      Inzwischen war Albrecht von Orlamünde von den dänischen Adeligen zum Reichsverweser eingesetzt worden. Ihm war das schwere Amt aufgebürdet worden, ein großes Königreich zu verwalten. Sogleich sammelte er sein Heer und drängte die in Holstein Eingefallenen über die Elbe zurück. Selber blieb er anschließend in Hamburg.

      Es begannen Verhandlungen mit Heinrich von Schwerin, um die Freilassung des Königs und des Prinzen zu erwirken. An den Vorverhandlungen in Nordhausen nahmen kaiserliche Räte teil. So kam es, dass am 4. Juli 1224 der Dannenberger Vertrag geschlossen wurde. Für die Zahlung von 40 000 Mark Silber an das Reich sollte der König frei kommen. Die Freiheit des Königs und seines Sohnes stand also kurz bevor.

      Graf Albrecht zog mit seinem starken Heer an das nördliche Elbufer bei Bleckede. Die deutschen Fürsten zogen ihm später entgegen und lagerten am südlichen Elbufer.

      Mit seinen hohen Gefolgsleuten überquerte Graf Albrecht die Elbe, wo er sich mit den deutschen Fürsten über den bereits geschlossenen Vertrag stritt. So erklärte er kurzerhand, von Wut gepackt, den Danneberger Vertrag für null und nichtig.

      Die Dänen verstauten ihre mit 40 000 Mark Silber gefüllten schweren Kisten wieder auf ihre Boote und fuhren zornig an das nördliche Ufer zurück.

      Dies hatte natürlich zur Folge, dass der dänische König und sein fünfzehnjähriger Sohn wieder in den Kerker eingesperrt wurden. Die Freiheit war so nah gewesen; die Enttäuschung groß.

      Durch diese fehlgeschlagene Geldübergabe spitzten sich die Ereignisse dramatisch zu. Dem deutschen Reich waren die Hände gebunden. Ohnmächtig sah es zu, wie die deutschen Fürsten eigenmächtig die Entscheidung suchten.

      Dem Grafen Albrecht von Orlamünde waren die Verbündeten abhanden gekommen. Nur einer hielt zu ihm. Es war der Welfe Otto von Lüneburg. Zu Weihnachten 1224 weilte Albrecht in Hamburg. Zum eigenen Schutz, und weil er den Hamburgern nicht mehr traute, ließ er sich dort Geiseln stellen, was gängige Praxis war.

      An einem kalten Wintertag, dem 11. Januar 1225, traf er sich mit dem verbündeten Lüneburger Heer des Otto von Lüneburg in Segeberg. Vereint, und zu allem entschlossen, zogen sie nach Südosten. Es sollte die Entscheidungsschlacht werden.

      Diese von den deutschen Fürsten ebenfalls herbeigesehnte Entscheidungsschlacht stand in diesen kalten Januartagen kurz bevor. Zu diesem Zweck setzen die vereinten Heere über die Elbe und zogen nach Norden. Kurz vor der Stadt Mulne schlugen sie jeweils ihr Lager auf.

      Zwei gewaltige Heere trafen sich, zu allem bereit, bei Mulne.

      Südlich des Werders wurde das Gelände als Acker benutzt. Hier befanden sich die Hufen der Grundbesitzer. Weiter nach Süden hin ging das Gelände dann über in eine wildwachsende Wiese ohne Baumbestand. Ganz im Süden beschnitt ein Waldgebiet das Gelände. Dort hatten sich die deutschen Fürsten niedergelassen und ihr Lager aufgeschlagen. Hier fanden sie genug Gehölz, um in der kalten Winternacht die Feuer zu unterhalten. Das dänische Heer hatte auf dem Werder, neben der unbefestigten Stadt, sein Feldlager bezogen.

      Kapitel 2

       Schlacht

       1225 – 1227

      „Trotzdem ahne ich Schlimmes für die Stadt. Es ist so ein Gefühl, welches sich nicht so einfach abstreifen lässt, auch wenn du mich mit wohlklingenden Worten zu beruhigen versuchst, Thiedardus.“

      Prabislav konnte sich einfach nicht durch die Worte seines Freundes in Sicherheit fühlen, auch wenn dieser sich die größte Mühe gab.

      „Deine Furcht ist unnütz. Werdago hat das Wort des Grafen Albrecht. Niemand seines Heeres wird nach der Schlacht die Stadt plündern, um Beute zu machen. Die Kosten für den Kriegszug bezahlt er aus Tributzahlungen anderer Städte und Grafschaften und aus den zu erwartenden Lösegeldzahlungen für die gefangenen Panzerreiter.“

      „Ach, mein Freund, glaubst du das wirklich? Mich kannst du nicht so leicht überzeugen.

      Die Ausrüstung seiner Panzerreiter kostet ein Vermögen, welches die kaiserlichen und dänischen Gefolgsleute selbst aufzubringen haben. Bedenke doch, dass es häufig in ihren Kriegen und Feldzügen gar nicht um die Eroberung von Gebieten, sondern einfach darum geht, Beute zu machen. Solche Raubzüge, in denen Städte und Dörfer verwüstet, Ernten niedergebrannt, Menschen getötet und Frauen vergewaltigt werden, kommen immer wieder vor. Es sind ganz legitime Kriegshandlungen. So finanzieren sie ihren aufwendigen Lebensstil. Wenn außerdem die Kriegsleute das Wort Beute vernehmen, verwandeln sie sich in gierige Furien. Warum sollten sie ausgerechnet vor Mulne haltmachen?“

      Eine nicht zu unterdrückende Furcht war in seinem Gesicht zu lesen. Er sah zu Johannes hinüber, der dezent nickte.

      „So unrecht hast du gar nicht. Die Ausrüstung ist teuer. Die Knechte und das Vieh, sowie das Futter wollen bezahlt werden. Alleine ein Pferd braucht pro Tag zehn Pfund Gras oder Heu, sowie die gleiche Menge an Futtergetreide. Wo soll das Geld denn herkommen, wenn nicht aus Beutezügen? Ich habe auch meine Befürchtungen, dass nach dem Krieg die plündernden Krieger durch unsere Häuser und Straßen ziehen, und sich gütlich tun.“

      „Vergiss auch nicht“, warf Prabislaw darauf ein, „dass einige dieser einst so ehrbaren Ritter jetzt als Raubritter auch Blut geleckt haben. Heute rauben und brandschatzen sie. Solche Raubzüge, in denen ganze Landstriche verwüstet und Menschen getötet werden, gelten als rechtens. Sie sehen das als ein rechtmäßiges Mittel an, um an Geld zu kommen.“

      Thiedardus lehnte sich zurück. Er verstand zwar die Furcht seiner Freunde, aber so ganz konnte er ihre Meinung nicht teilen.

      „Das mag ja alles sein. Homines sumus non dei, wir sind Menschen und keine Götter. Natürlich berauben und plündern sie auch Städte und Dörfer. Vergewaltigungen gehören dazu wie der Viehraub. Eine Vergewaltigung zählt bei ihnen als Heldentat. Ich will es ja nicht bestreiten, doch ist dies hier eine andere Lage. Es geht hier nicht um einen normalen Beutezug. Nein, dies hier ist ein Eroberungszug von beiden Seiten. Die Dänen sind seit dreiundzwanzig Jahren jetzt hier die Herrscher. In den letzten Jahren ging es uns schlechter. Dies will ich nicht bestreiten. Dennoch haben sie uns nicht ausgeplündert. Wenn es ihre Absicht gewesen wäre, bräuchten sie nicht erst bis nach der Schlacht zu warten. Die Gelegenheit dazu hatten sie ausreichend in den vergangenen vielen Jahren.

      Aber auch den deutschen Fürsten traue ich es nicht zu. Es geht ihnen darum, die Dänen zu vertreiben. Sie wollen Mulne und ganz Nordalbingien wieder in das deutsche Reich einglie­dern. Deshalb werden sie keine Beute machen wollen. Ich bin mir ganz sicher, dass sie uns nicht plündern werden. Sie werden keine Kuh schlachten, die ihnen Milch gibt.“

      Thiedardus Worte hatten die Freunde wohl vernommen, alleine es fehlte ihnen der Glaube. Sie schwiegen und sahen sich um. In der hintersten Ecke des Wohnraumes saß Helene und war in ihrer Näharbeit vertieft. Sie war damit beschäftigt, eine Gugel, eine Kapuze mit angesetztem Kragen, zu nähen. Gekonnt zog sie die Nähnadel, die aus einer Schweineborste bestand, mit dem Garn durch den Stoff. An dem Gespräch beteiligte sie sich nach Frauenart nicht. Es geziemte sich schließlich nicht für Frauen, an Männergesprächen teilzunehmen.

      Nach dieser kurzen Pause ergriff Johannes das Wort.

      „Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Seit die Heere gestern angekommen sind, ist die Stimmung in der Stadt ganz anders. Die Bürger sind wie gelähmt vor Angst. Keiner geht mehr seiner Arbeit nach. Seht uns doch an. Auch wir sind früher nach Hause gegangen. Keiner traut sich mehr aus dem Haus. Mein Nachbar sagte flüsternd, dass er seine Truhe mit seinen Wertstücken