Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


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dass sein gefangener König Waldemar und dessen Sohn wieder befreit würden. Für seinen König und sein dänische Reich würde er selbstverständlich bis in den Tod kämpfen.

      Die Späher Graf Albrechts meldeten dem Grafen, dass die deutschen Fürsten ebenfalls kampfbereit waren. Von Mulne aus gesehen, hatte Gebhard von Bremen sich ganz rechts aufgestellt. Sein Kontingent bestand fast nur aus dem Fußvolk. Nur sechzig Panzerreiter waren ihm unterstellt. Neben ihm stand Graf Adolf IV. von Schauenburg, zu allem entschlossen. Er war bereit, alles zu wagen, damit er wieder in den Besitz der nord­albingischen Ländereien gelangen würde, die die Dänen seinem Vater geraubt hatten.

      Heinrich von Schwerin stand mit seinen Bannern daneben. Voller Selbstsicherheit wartete er auf den Beginn der Schlacht. Diese Selbstsicherheit resultierte daraus, dass selbst bei einer militärischen Niederlage er immer noch einen Trumpf im Ärmel hätte, der eine Niederlage in einen Sieg umwandeln könnte. Der König und sein Sohn befanden sich immer noch in seinem Gewahrsam, und nur er wusste wo sie sich aufhielten. Das war sein großer Trumpf.

      Ganz links wartete Borwin II. von Mecklenburg. Er wusste, dass er es mit den Lüneburgern zu tun haben würde. Aber dies ängstigte ihn nicht. Er war sich sicher, dass die zahlenmäßige Überlegenheit am Ende einen deutlichen deutschen Sieg erbringen würde. Insgesamt standen der Allianz fünftausendzweihundert Männer zur Verfügung. Davon alleine zweitausend­achthundert Panzerreiter. Somit würden nahezu zehntausend bewaffnete Männer, teilweise beritten, aufeinander stoßen. Eine friedliche Lösung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr abzusehen.

      Graf Albrecht sah seinen Vorteil in der Aufstellung der deutschen Heere. Dies wollte er ausnützen, denn seine Späher hatten gemeldet, dass Gebhard II. nur wenige Panzerreiter hatte.

      Es war noch früher Morgen, und das erste dämmrige Licht war gerade erst hervorgetreten, als Albrecht das Angriffssignal gab. Sofort setzten sich seine Panzerreiter in Bewegung. Sein Ziel war es, die Stellung der fast ausschließlich aus Fußvolk bestehendenden Truppen des ehemaligen Bischofs Gebhard II. zu überrennen. Allerdings ließ er seine Mannen nicht einfach ungestüm anrennen.

      Die Panzerreiter trabten zuerst nur auf den Feind zu. Sie sollten möglichst lange in geschlossener Formation bleiben, und erst keine hundert Meter vor dem Feind wurden die Pferde durch die Panzerreiter zum Galopp angetrieben.

      Graf Albrecht war froh, dass er in friedlichen Zeiten darauf bestanden hatte, seine Reitertruppen gründlich auszubilden. Dabei wurden auch taktische Manöver wie Angriffe, Abwehr, Schwenkungen, Hinterhalte legen und Flankenangriffe bis zur Vollendung geübt. Dies war zwar ein teures Unterfangen gewesen, denn ein stehendes Heer wollte bezahlt werden. Doch letztlich hoffte er, dass sich der hohe Aufwand auch auszahlen würde.

      Mit brachialer Gewalt stießen die elfhundert Panzerreiter auf die wie angewurzelt dastehenden Reiter Gebhards. Mit einem derart starken Flankenangriff hatten sie wahrlich nicht gerechnet. Sie wurden einfach überrannt. Dahinter stand das Bremer Fußvolk. Sie sahen, wie ihre Panzerreiter einer nach dem anderen niedergemacht wurden. Das war das Angriffssignal des Bannerherrn. Er ließ sein Fußvolk vorrücken. Zuerst waren die Bogen­schützen an der Reihe. Mann an Mann stehend, viele Glieder tief, schossen sie ihre tödliche Fracht ab. Unmengen von Pfeilen erhoben sich in die Luft und wurden, nachdem sie einen Bogen vollführt hatten, zur Erde gelenkt. Dort trafen sie auf die Panzerungen der Reiter. Wie Regentropfen, die auf Gestein treffen, perlten sie ab. Einige bohrten sich in die Erde, andere wenige trafen die wenigen ungeschützten Stellen der Pferde. Eigentlich blieben sie wirkungs­los.

      Deshalb war der Bannerherr gefordert, sein Fußvolk einzusetzen. Er war beim Aufprall der Panzerreiter darum bemüht gewesen, die Reihen seiner Fußtruppen geschlossen zu halten, um somit eine undurchdringliche Wand zu bilden. Ihr Kriegsschrei ertönte. Die Lanzen waren nach vorne gestreckt und ihr Ende in die Erde gesteckt, um die anstürmenden Pferde aufzuspießen.

      Doch gegen die immense Wucht der elfhundert Panzereiter war jeder Widerstand zwecklos. Die Fußtruppen wurden regelrecht niedergetrampelt. Die Schwerter der Panzerreiter sausten mit einer so enormen Wucht auf die stehengebliebenen Männer herab, dass sie wie Fallobst auf die Erde fielen. Die Kolben mähten jeden nieder, der ihnen im Weg stand. Nach wenigen Minuten war ersichtlich, dass das Bremer Banner gegen diese enorme Wucht keine Chancen hatte, und nach einer halben Stunde war ihr Schicksal besiegelt. Wer noch laufen konnte tat dies. Er warf seine Waffen weg und flüchtete nach hinten. Es war eine ehrlose Auflösung.

      Den ersten Teil der Schlacht hatten die Dänen für sich entschieden. Inzwischen waren sich die übrigen Truppen bis auf zweihundert Meter nahegekommen. Durch den Kampfeslärm animiert, gelüstete es alle endlich zu kämpfen.

      Mit der gleichen Strategie trafen nun die zweitausendsiebenhundert Panzerreiter der deutschen Allianz auf die fünfhundert Panzerreiter des Otto von Lüneburg. Nur, diesmal waren die Vorzeichen genau umgekehrt. Diesmal waren die Deutschen in zahlenmäßiger Überlegenheit. Die fünfhundert Lüneburger wurden ebenfalls nahezu überrannt.

      So hatte sich also der anfängliche Erfolg des Grafen Albrecht zu einem großen Nachteil gewandelt. Denn eines hatte der Graf nicht bedacht. Er hatte sich durch die Verlockung des anscheinend leichten Sieges vom eigentlichen Kampfplatz weglocken lassen. Er war einer Finte aufgesessen. Damit war sein Verbündeter Otto der zahlenmäßigen Übermacht schutzlos und alleine ausgeliefert. Er hatte seinen einzigen Verbündeten im Zentrum der Schlacht allein­gelassen. Bis er diese Situation begriffen und die nötigen Maßnahmen getroffen hatte, war es bereits zu spät. Eilig versuchte er seine Reihen zu ordnen, um wieder im Zentrum der Schlacht eingreifen zu können.

      In diesem Zentrum war Folgendes passiert: Während die Panzerreiter miteinander beschäftigt waren, rückten beide Seiten mit ihren Fußtruppen vor. Zwar zügig, aber dennoch nicht zu schnell. Immer wieder waren sie darauf bedacht ihre Reihen zu schließen, so wie sie es tausendmal geübt hatten. Wären sie schon früher gelaufen, so wären die Männer schon beim Aufprall außer Atem, und somit erschöpft gewesen. Der Aufprall sollte möglichst so geschlossen wie möglich geschehen. Sie waren nur noch fünfzig Meter voneinander entfernt. Dann stürmten sie aufeinander los.

      Ein ohrenbetäubender Kriegsgeschrei erscholl aus den Kehlen tausender Waffen schwen­kender Krieger. Tausende schreiende, wie entfesselnd laufende, Schwerter schwingende Männer sah jeder auf sich zu kommen. Es waren nur wenige, die die Gefahr und den Tod vor ihren Augen erkannten und fast in Lähmung erstarrten. Die meisten wurden jedoch vom Fanatismus ihrer Nachbarn mitgerissen. Jeder achtete auf seinen Nachbarn, um die Formation stets geschlossen zu halten. Sollte dies einmal nicht gelungen sein, wurde die Lücke von den nachrückenden Männern sofort geschlossen.

      Zwei eng geschlossene Linien brüllender Männer stürmten aufeinander zu. Der Siegeswille und die Entschlossenheit zu töten war in jedem Gesicht deutlich abzulesen.

      Dann war der Augenblick gekommen, dass Tausende Männer aufeinander trafen. Das durch Mark und Bein dringende Kampfgeschrei wurde leiser, wurde aber bald durch metallische Geräusche abgelöst. Eisen auf Eisen schlug aufeinander. Die Schreie sterbender Männer erfüllte die vormittägliche Luft. Stunde um Stunde verging. Es war noch immer kein eindeutiger Sieger zu erkennen, auch wenn sich der Vorteil, der durch die Panzerreiter erzielt worden war, allmählich deutlich für die deutschen Seite auswirkte.

      Inzwischen war über der schon seit Stunden tobenden blutigen Schlacht der Nachmittag angebrochen. Diese äußerst brutale und blutige Schlacht fand fast unter gänzlichem Ausschluss der Mulner Bevölkerung statt. Fast alle saßen sie in ihren Häusern und fürchteten sich vor dem Ende der Schlacht und vor dem, was dann unwiderruflich folgen würde.

      Wie gesagt, fast alle.

      Denn zwei zwölfjährige Jungen empfanden das genaue Gegenteil. Neugierde, Abenteuerlust, Blutdurst und die Sehnsucht nach Sensationellem hatte sie nicht zu Hause verweilen lassen können. Sie hatten sich in den Morgenstunden von zu Hause weggeschlichen und konnten es nicht abwarten, dem Schlachtgetümmel beizuwohnen. Auf der westlichen Seite versteckten sie sich hinter wild wachsenden Büschen und verfolgten mit großen Augen das Kampf­getümmel. Sie sahen, wie Graf Albrecht versuchte, sich mit seinen Panzerreitern in das Schlachtengetümmel im Zentrum zu werfen, was ihm nicht gänzlich gelang. Er kam einfach