Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


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unter seinem Schilde. Jeder Fürst wäre froh gewesen, so einen Mann als Hauptmann seiner Truppen zu haben.

      Aber Petrus war nicht wie sein Verwandter geartet. Ihn trieb es von seiner Ritterburg in die Umgebung hinaus um zu rauben, zu plündern und zu vergewaltigen. Darin sah er seine Bestimmung. Er und andere Ritter nutzten ergo die Abwesenheit des Herzogs aus, um sich zu bereichern. Für Hermann Riebe war es trotz seines guten Charakters eine undankbare Aufgabe, gegen seinen raubenden Verwandten vorzugehen. Dies stürzte ihn nämlich in einen Gewissenskonflikt. Petrus wandte sich wieder dem aufmüpfigen Bauern zu.

      „Du hast hier gar nichts zu sagen. Das Einzige, was ich dir erlaube zu sagen ist, wo sich dein Säckel befindet.“

      „Nichts bekommt ihr, ihr ehrlosen Räuber. An wehrlosen Mägden könnt ihr euch wohl in der Überzahl vergreifen, aber sonst seid ihr feige.“ Winfried schrie wütend die Worte.

      Nachdenklich schaute der Ritter den Widerspenstigen an. Er war es nicht gewohnt, dass ein überfallener Dorfbewohner hartnäckig Widerstand leistete. Er erlebte es normalerweise, dass die Opfer jammerten, wimmerten und um ihr armseliges Leben flehten. Das mochte er, und das tat seinem Ego gut. Doch dieser Mann war anders. Er wehrte sich ohne Rücksicht auf seine Familie und sein eigenes Leben. Es galt daher ein Exempel zu statuieren.

      „Welches ist dein Haus?“

      Er erhielt keine Antwort. Dafür sammelte Winfried aus seinem Innersten den gesamten Speichel den er erreichen konnte, und zog ihn hoch. Mit voller Wucht spuckte er ihn dem Anführer der Räuber ins Gesicht. Der Speichel rann von dessen Augen und dem Bart langsam hinunter. Der Gedemütigte war von diesem Gefühlsausbruch so überrascht, dass er zuerst nur still dastand. Seine Augenlider verengten sich gefährlich zu schmalen Schlitzen. Alle Dorf­bewohner sahen ängstlich zu Winfried hinüber. Dazu hatten sie allen Grund.

      Petrus Riebe wischte sich den Speichel aus dem Gesicht. In den Augen war purer Zorn zu lesen. Dann ging es schnell. Seine Fäuste droschen auf den Wehrlosen ein. Es ging so lange, bis Winfrieds Gesicht blutig verschmiert war. Einer seiner wenigen Zähne fiel heraus.

      „Das geschieht allen, die sich mir widersetzen. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, ihn zu töten. Wer es weiterhin wagen sollte, sich mir zu widersetzen, den werde ich mit meinem Schwert durchbohren. Haben wir uns verstanden? Jetzt gebt mir eure Barschaft. Aber schnell. Und zeigt mir endlich, welches Haus diesem unvorsichtigem Trottel gehört.“

      Keiner wagte sich mehr gegen die gewalttätigen Männer aufzulehnen. Gehorsam folgten sie den Anweisungen. Sie ließen Walter bewusstlos liegen. So sah Winfried nicht, wie sein Haus in Flammen aufging. Das trockene Holz und Reet brannte schnell herunter. Oberhalb der hohen hellen Flammen stieg schwarzer Qualm wie eine Drohung gen Himmel und war weithin sichtbar.

      Dann durchsuchten die Räuber intensiv alle Höfe des Dorfes. Deren Besitzer ließen die Stärkeren gewähren. Doch sie trugen nicht viel heraus. Gering war die Beute der Raubritter. Deshalb machten sie sich bald auf den Weg nach Nordosten. Genauso schnell wie sie gekommen waren, ritt Petrus Riebe mit seinem Gefolge von dannen. Die Räuberbande ließ eine wütende und trauernde Dorfgemeinschaft zurück. Jolanthe lief sofort zu ihrem Mann und kümmerte sich um den Verletzten. Gernot, ein hagerer Bauer, trat zu Eckhard.

      „Es tut mir leid.“

      „Was nützt das jetzt. Unser Hof ist niedergebrannt und unser Haus und alles Eigentum verbrannt. Für dein Mitleid kann ich mir nichts kaufen.“

      „Deine Verbitterung ist verständlich. Wenn wir dir helfen können, so lass es uns wissen.“

      Wütend starrte Eckhard auf den hageren Mann.

      „Spare dir dein falsches Mitleid. Vorhin hätte mein Vater eure Hilfe gebraucht. Aber ihr feigen Leute habt nur ängstlich daneben gestanden und alles geschehen lassen. Danke, aber wir brauchen eure Hilfe nicht. Macht euch von dannen.“

      „Du tust uns Unrecht. Du weißt genau, dass jeder der aufbegehrt hätte, sofort getötet worden wäre. Auch du hast nur untätig danebengestanden und nicht deinem Vater in der Gefahr geholfen. Also werfe uns nicht Feigheit vor, wenn du selber feige warst.“

      Diese Worte trafen Eckart schwer, doch beinhalteten sie auch eine gewisse Wahrheit. Dies konnte Eckhard nicht leugnen. Auch er war feige gewesen. Aber was geschehen war, war nicht mehr zu ändern. Wortlos stand Eckhard da. Nachdem der erste Zorn abgeschwächt war, fragte Gernot weiter. Der Rauch stieg ihnen in die Nase.

      „Was werdet ihr jetzt tun?“

      „Ich werde erst mal meinen Vater pflegen. Und dann sehen wir weiter.“

      In den nächsten Tagen erholte sich Winfried. Die Schwellungen im Gesicht gingen zurück. Genächtigt hatten sie bei Gernot. Aber dies war kein dauernder Zustand. Eine langfristige Lösung musste gefunden werden. Hinzu kam noch, dass Jolanthes Niederkunft sich durch die Aufregung des Überfalles beschleunigt hatte. Vorzeitig kam sie nieder und gebar einen Sohn, genau wie ihr der benässte Weizenhaufen geweissagt hatte.

      Gernot, Winfried, Eckhard und andere Männer saßen bei einem Krug Met beisammen, um die Zukunft zu besprechen. Gernot hatte um eine Zusammenkunft aller Bauern gebeten.

      „Wir bauen euer Haus wieder auf. Alle Bewohner von Lutowe werden euch helfen. Die Arbeit auf den Feldern ist bis auf die Aussaat fast getan. Das bekommen wir schon hin. In wenigen Wochen könnt ihr wieder unter einem eigenem Dach nächtigen. Schließlich sind wir ein Dorf, und helfen uns gegenseitig.“

      Winfried hatte sich in den letzten Tagen viele Gedanken gemacht. Dann hatte er sich zu einem Entschluss durchgerungen, den er Jolanthe und den Kindern schon mitgeteilt hatte. Lediglich die Nachbarn wussten es noch nicht.

      „Danke für euer Angebot, doch braucht ihr nicht zu helfen. Das Haus wird nicht wieder aufgebaut werden. Wir ziehen von hier weg.“

      „Wie bitte? Aber … wo wollt ihr denn hin?“ Ungläubig hatte Gernot die Worte vernommen.

      „Wir gehen nach Mulne. Ich war gestern in der Stadt und habe mit meinem Bruder Gregor gesprochen. Wir können vorerst bei ihm wohnen, bis wir ein eigenes Haus inmitten der Stadt beziehen können.“

      „Aber warum?“ Gernot konnte es nicht glauben.

      „Ach, weißt du“, Winfried beugte sich nach vorne, „ich habe in den letzten Tagen viel darüber nachgedacht. So ein Überfall kann immer wieder geschehen. Diesmal sind wir noch gut davongekommen. Sie haben nur meinen Hof abgebrannt. Aber das nächste Mal kann es für mich, meine Kinder oder meine Frau tödlich enden. Adelheid ist bald in dem Alter, in dem sie die Blicke der Burschen auf sich zieht, sodass sie geschändet werden könnte. Das will ich ihr ersparen. Gudrun war mir eine Warnung. In der Stadt ist sie eher davor geschützt. In der Stadt kann sie auch Arbeit als Magd finden. Darüber hinaus, sieh doch was mir mein Palisadenzaun und der Graben genützt haben. Nichts, rein gar nichts. Nein, Gernot. Ich habe lange darüber nachgedacht, und bin zu dem Entschluss gekommen in die Stadt zu ziehen.“

      Eine Pause entstand, in der Gernot das Gehörte erst einmal verdauen musste.

      „Was wird aus deiner Hufe?“

      „Deswegen wollte ich mit dir sprechen. Ich werde am Tag herauskommen und meine Äcker bearbeiten. Pflügen, säen, ernten. Alles wird normal weitergehen. Nur nach der vollbrachten Arbeit werde ich wieder in die Stadt zurückgehen. Nur dafür bräuchte ich deine Hilfe. Ich wollte dich bitten, den Ochsen und die anderen Tiere bei dir unterzubringen, weil ich sie nicht mit in die Stadt nehmen kann.“

      Gernot zögerte, was Winfried nicht verborgen blieb. Er scheute die Mehrarbeit. Gernot hatte selbst schon genug zu tun, und das Leben als Bauer war wahrlich nicht einfach. Deshalb versuchte Winfried ihm seine Bitte schmackhafter zu machen. Er wusste auch schon, wie er den Freund locken konnte.

      „Du sollst auch dafür mit einem Drittel der Milch, der Eier und des Fleisches belohnt werden, wenn das Viehzeug geschlachtet wird. Bist du damit einverstanden?“

      Einen kurzen Moment war Gernot unschlüssig, doch dann blitzte es in seinen Augen auf, und er roch schon das zusätzliche Fleisch, welches ihm