Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


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Riebe in Lubecke. Nachdem er verurteilt wurde, folgte der Galgen. Aber damit war die Angelegenheit für Herzog Albrecht II noch nicht erledigt. Albrecht II hatte nämlich auf den Rat des Hermann Riebe gehört, und den Fehler begannen, dem flüchtigen Räuber Petrus Unterschlupf zu gewähren. Dies schrie nach Vergeltung.

      Dazu vereinigten sich am 16. Oktober des folgenden Jahres die Städte Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg gegen Albrecht II. Nach dem Winter zogen sie gen Racisburg. Um die Racisburg von allen Seiten angreifen zu können, bauten sie viele Prähme, flache Kähne. Darauf wurden Fußtruppen transportiert. Außerdem schossen sie mit ihren Bliden, das waren Wurfmaschinen für Steinkugeln. Doch trotz ihrer unermüdlichen Angriffe vermochten sie nicht, Albrecht II . in seiner Burg zu ergreifen.

      Auch wenn das Landfriedensbündnis nicht des Herzogs habhaft werden konnte, so hatte der Abschluss des zweiten Landfriedens vom 1. Januar 1291 doch einen Erfolg zu verbuchen. Herzog Johann war nicht mehr daran beteiligt, weil er sechs Jahre zuvor verstorben war. Das Ziel des neuen Bündnisses war nämlich die Zerstörung der Ritterburgen. Doch kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Landfriedensbündnis und Hermann Riebe und seinem räuberischen Anhang, welche unter anderem den freiwilligen Abbruch von Teilen der Befestigungsanlagen der Ritterburgen Wehningen und Walerwo, welche dem Grafen von Dannenberg gehörten, beinhaltete. Klocksdorf, Karlow und Schlagsdorf aus dem Gebiet des Bistums Racisburg traf es ebenfalls, genau wie die Ritterburgen Mustin, Dutzow, Borstorf, Linau und Nannendorf.

      Dies schürte allerdings nur den Hass der Adeligen, die daraufhin Fehde schworen.

      Kapitel 4

       Fehde

       1321 – 1342

      „Nein.“ Zur Unterstreichung seiner Worte schlug er mit der Faust auf den Tisch. „Wir lassen sie nicht in die Stadt. Sollen sie doch in ihrer festen Burg bleiben. Ich werde keinesfalls die Zugbrücke für sie herniederlassen. Nur für Herzog Erich, ansonsten kommt keiner von ihnen in die Stadt.“

      Voller Selbstsicherheit kommentierte Johannes de Belendorpe das Ersuchen der Herzogin Elisabeth und ihres Sohnes Albrecht IV., in die Stadt zu ihrem Slot eingelassen zu werden. In seiner Eigenschaft als erster – oder wie er sich selber gerne nannte – als worthaltender Bürgermeister teilte er den anwesenden Ratsherren mit, wie er darüber dachte. Seine Meinung war jedoch nicht so aufrührerisch, wie es den Anschein hatte. Er konnte sich breiter Zustimmung gewiss sein. Der zweite Bürgermeister Johannes de Gradu nickte zustimmend.

      „Ich bin der gleichen Meinung. Wir sind eine starke Stadt. Haben wir uns nicht vom Joch durch den herzoglichen Vogt befreien können? Seit vielen Jahren können wir unser Geschick ohne Vogt bestimmen. So soll es auch bleiben.“

      Ein einstimmiges Nicken war die Folge. Ratmann Gottfried de Krempe meldete sich zu Wort. Sein fülliger Bauch hinderte ihn jedoch daran, flink aufzustehen. Aber nicht nur seine Körperfülle, sondern auch sein Wort hatte Gewicht im Rat.

      „Sehen wir es doch einmal nüchtern. Racisburg ist die Stadt des Bischofs und der Fürsten. Viele Kleriker gehen dort ein und aus. Sie ist die Stadt der Fürstlichkeit und der Ehrwürde. Die fürstliche Rangordnung und deren Zurschaustellung bestimmen das Stadtbild.

      Doch jetzt stellen wir einmal unser Molne dagegen. Wir kommen ganz gut ohne diesen fürstlichen Firlefanz zurecht. Sollen sie doch dort bleiben. Unsere Stadt ist stark geworden. Stark geworden durch unsere eigene harte Arbeit. Arbeit, welche der Kaufmann, der kleine Händler, der schwitzende Handwerker, der Bauer und viele andere geleistet haben. Wir brauchen uns jedenfalls nicht wie eine wehrlose ängstliche Stadt zu ducken.“

      „Unser Molne ist so erstarkt, dass wir uns vor keinem fürchten müssen. Was soll uns denn passieren? Seht euch doch um. Wir sind fast eine Insel, die noch zusätzlich durch eine feste Mauer geschützt ist. Jeder kriegslüsterne Herr würde sich an uns die Zähne ausbeißen. Wir brauchen uns wahrlich vor niemandem zu fürchten.“

      Thidericus Rubeke hatte das ausgesprochen, was alle dachten.

      „Möchte jemand der ehrenhaften Ratsherren noch das Wort ergreifen?“

      „Es ist alles gesagt“, antwortete der schlanke und zierliche Colberch.

      „Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer ist dafür, dass wir der Herzogin Elisabeth und ihrem Sohn Albrecht IV. innerhalb unserer Mauern Zutritt gewähren?“

      Sein Blick wanderte umher. Er sah all die Ratsherren an, die auf ihren Stühlen thronten. Danneman, Colberch, Brand, Chorius, Thidericus Rubeke, Radolphus Muzen, Johannes de Wigheschen, Marquardus de Zoltwedele, Hermann Dusekop und Johannes de Gradu. Niemand hob seinen Arm.

      „Gut, dann die Gegenfrage. Wollen wir der herzoglichen Familie den Zutritt zu ihrer woninghe innerhalb unserer Stadtmauern verwehren?“ Einstimmig wurde der Antrag angenommen.

      Obwohl es erst Frühsommer im Jahre 1321 war, war die Hitze unerträglich. Herzogin Elisabeth saß auf ihrem Pferd und freute sich schon darauf, dass sie sich bald von dem Ritt würde ausruhen können. Sie ritt nie gerne und war dazu leicht erregbar und launisch. Deshalb wollte sie baldigst in ihre woninghe nach Molne. Ruhe und Erholung suchte sie in der Stadt, in ihrem Slot. Sie meinte, diese in ihrer Residenz in Racisburg nicht ausreichend genießen zu können. Viel zu viel Hofgesellschaft. Ihr Mann war auf seiner Burg geblieben. So war sie mit ihrem unmündigen Sohn Albrecht IV. alleine aufgebrochen. Nur ihr herzogliches Gefolge war dabei. Zum Schutz ritten einige Ritter nebenher, die den Tross säumten. Erfreut, die Strapaze fast überstanden zu haben, ritt sie an der Seite ihres Sohnes den Hügel hinab. Sie mochte keine Pferde, und daher war jeder Ritt für sie eine Qual.

      Auf der anderen, nördlichen Seite des Sees erblickte sie auch schon die imposante Erscheinung der St. Nicolai-Kirche. Sie ritten zur hölzernen Brücke, in der Gewissheit, dass sich nur ein kurzes Stück hinter dem Gultzower Tor ihre Residenz befand. Sie hatten fast die Holzbrücke erreicht, als ihr begleitender Ritter, der für ihr Leben verantwortlich war, unversehens anhielt. Sein rechter Arm schnellte unerwartet in die Höhe, und gebot Halt.

      Der gesamte Tross stockte. Elisabeth und ihr Sohn ritten ahnungslos an die Seite des Ritters.

      „Was gibt es, Ritter Thomas? Warum haltet ihr?“

      Sein Blick verriet Ratlosigkeit, als er der Herzogin berichtete.

      „Seht selbst, Herrin. Der Zugang zur Stadt ist uns verwehrt. Die Brücke ist hochgezogen.“

      Ritter Thomas irrte sich keineswegs. Die sechzig Meter lange Brücke war in Stadtnähe mit zwei separaten Klappteilen ausgestattet. Der kleinere konnte extra für Fußgänger hernieder gelassen werden, wogegen der größere für die Reiter und Fuhrwerke vorgesehen war.

      „Das wird wohl seinen Grund haben“, meldete sich der junge Albrecht zu Wort. „Vielleicht ist eine Krankheit in der Stadt ausgebrochen. Dann wäre es doch gut und nur zu verständlich, wenn sie uns davor warnen und schützen wollten.“ Albrecht fürchtete sich vor Krankheiten, hätte dies aber nie zugegeben. Der Ritter verzog ungläubig das Gesicht.

      „Das glaub’ ich weniger. In diesem Fall würde eine Fahne mit dem passenden Symbol auf dem Tor wehen. Aber ich sehe keine, die vor einer Seuche warnt. Hm, das muss einen anderen Grund haben. Ich werde bis zum Ende der Brücke vorreiten und um Einlass bitten. Vielleicht haben sie nur vergessen, die Klappteile wieder herunterzulassen. Herzogin, wartet bitte hier mit eurem Sohn und dem Tross. Ich bin bald zurück.“

      Der Ritter ritt voran und hielt am äußersten Ende der Holzbrücke sein Pferd an. Von dort konnte er mit den Torposten sprechen, die auf dem Tor standen. Denn das hölzerne Doppeltor war verschlossen. Mit lauter und fordernder Stimme rief er herüber.

      „Herzogin Elisabeth von Sachsen-Lauenburg, und ihr Sohn Albrecht VI .begehren Einlass innerhalb der Mauern der Stadt Molne. Öffnet augenblicklich die Tore.“

      Als Ritter Thomas erwartete, dass sich die Brücke nun durch die