Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


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Dank.“

      „Verehrter Graf. Es ist mir eine Ehre, dass ihr mich empfangt.“

      Gerhard III. winkte ab, und ging zu seiner Schwester.

      „Genug der Förmlichkeiten. Es ist schön euch, und euren prachtvoll gewachsenen Sohn nach so langer Zeit wiederzusehen. Ihr seht verärgert aus. Ich vermute, dass die letzte Zeit nicht einfach für euch war. “

      „Gewiss nicht, mein Graf. Sie war hart, und ist es noch heute. Deshalb bin ich auch hier. Kann ich mit euch darüber reden?“

      „Später, meine Schwester. Auch ich bin ungeduldig zu erfahren, warum ihr so einen Gram in eurem Gesicht führt. Doch lasst uns erst speisen. Nach so einer langen Reise solltest Ihr Euch erst einmal kräftigen und erholen. Dann spricht es sich besser.“

      Der Graf klatschte in die Hände und die Diener eilten herbei. Nachdem die Ankömmlinge gestärkt waren, empfing Gerhard abermals Elisabeth und Albrecht.

      „Also, geliebte Schwester. Warum schaut ihr so leidvoll drein?“

      „Dieses gemeine Pack von Molne. Es verwehrt uns den Zutritt zu unserer herzoglichen woninghe. Wie Aussätzige ließen sie uns vor dem Tor stehen. Eine unglaubliche Schmach. Es war peinlich und erniedrigend. Wie geprügelte Hunde mussten wir gedemütigt davonziehen.“

      „Wie bitte?“ Zornesröte überzog mit einem Mal des Grafen Antlitz.

      „Was erlauben sie sich? Für wen halten sie sich?“

      War der Graf bei Elisabeths Ankunft bisher ruhig geblieben, so änderte sich dies schlagartig. Sein impulsives Wesen trat augenblicklich hervor. Zuerst fuhr er mit seiner rechten Hand über sein kahles Haupt. Dann musste er jedoch seine Aggressionen abbauen. Eine herumstehende Schale fiel ihm in die Hände, und flog mit hoher Wucht gegen die steinerne Wand der Burg. Scheppernd fiel die Messingschale zu Boden.

      „Was hast du bisher unternommen?“, fragte er wieder etwas ruhiger, nachdem der erste Wutausbruch abgeklungen war.

      „Noch nichts, mein Bruder. Ich bin sogleich zu euch geeilt. Ich weiß, dass ihr die Macht und die Möglichkeiten habt, diese aufsässige Brut in die Schranken zu weisen.“

      Das war klug von ihr gesprochen, denn sie kannte seinen Hang zum praktischen Handeln.

      „Das ist gut. Je weniger davon wissen, um so besser. Ich habe schon gehört, dass diese Stadt Molne im Konzert der Großen mitspielen will. Doch lehnen sie sich wohl zu weit aus dem Fenster. Deshalb wird es Zeit, ihnen die Flügel zu stutzen. Mit deinem Schwager Erich machen sie gemeinsame Sache, obwohl die Stadt und Vogtei Molne zu euren Landen zählt. Wusstest du davon?“

      „Davon hatte ich schon gehört, mein Bruder. Doch dachte ich nicht, dass sie so offen und mutig Partei gegen mich ergreifen werden. Ich muss eingestehen, dass ich anhand ihrer Unverfrorenheit doch ein wenig überrascht war.“

      „Ich nenne es weniger mutig, sondern eher unvernünftig und größenwahnsinnig. Sie verges­sen, dass sie nur eine Stadt sind, die gänzlich vom Handel abhängig ist. Sonst steckt nichts dahinter. Sie haben kein großes Heer, womit sie ihre Machtansprüche geltend machen und unterstreichen könnten.“

      Gerhard trat dicht an Elisabeth heran. Sie sahen sich in die Augen, und kannten sogleich die Gedanken des anderen. Ein Lächeln zeichnete sich ab. Gerhard drehte sich daraufhin um und ging zum Fenster. Den festen Blick auf die sich durch die Wiesen schlängelnde Eider gerichtet, sprach er weiter.

      „Dein Schwager Erich ist mir schon lange ein Dorn im Auge. Erich unterstützt nämlich offen den dänischen König Christian II., meinen Todfeind. So will er mir in den Rücken fallen. Für diese hinterlistige Tat wird auch er zur Rechenschaft gezogen werden. Jetzt geht er sogar noch einen Schritt weiter, und will euch auch noch Molne abspenstig machen.“

      „Was werdet ihr tun, mein Bruder? Könnt ihr mir zu unserem Recht verhelfen?“

      Gerhard ging zu Elisabeth zurück. Dann nahm er ihren Kopf in beide Hände.

      „Ich werde Molne zwischen meinen Händen wie ein rohes Ei zerdrücken. Sie haben es gewagt euch zu demütigen, und mich somit herausgefordert. Ich habe die Macht dazu. Sie werden es fürchterlich bereuen, und dafür teuer bezahlen.“

      Dann wandte er sich an seinen Neffen Albrecht IV., der die ganze Zeit still daneben gestanden und aufmerksam zugehört hatte. Nichts war ihm entgangen.

      „Albrecht, was sagst du dazu?“ Albrecht hatte das Wesen seiner Mutter geerbt. Deshalb war er trotz seiner Jugend für schnelles aber dennoch effektives Handeln.

      „Oheim, ihr macht genau das Richtige. Die Stadt muss brennen für ihren Frevel. Wir können uns nicht alles von diesem Pöbel gefallen lassen.“

      „So sei es!“, verkündigte Graf Gerhard III. von Holstein-Reinoldsburg, als er seinen obersten Feldherrn durch einen Diener rufen ließ.

      Als dieser sich meldete, verkündigte der Graf mit knappen Worten:

      „Sorgt sofort für die Abmarschbereitschaft des gesamten Heeres. Keiner bleibt hier. Wir ziehen zur Fehde gen Molne.“

      Colberch war missmutiger Laune. Genauer gesagt, nagten Sorgen an seinem Gemüt. Sorgen um seine Frau Gertrude. Sie war sehr krank und in der Obhut der Magd, die sich aufopfernd in seinem Haus um die Kranke kümmerte. Gertrude litt an einem Fieber, welches sie schon seit Tagen quälte. Es ließ sich einfach nicht senken.

      Er war auf dem Weg zum Heilig-Geist-Hospital von Molne, wo er als Hospitalvorsteher des Rates seiner Pflicht nachzugehen hatte. Das Hospital zum heiligem Geist war eine kirchliche Einrichtung und lag an der Seestrate. Es war ein großes und weitläufiges Haus und konnte viele Kranken aufnehmen. Kurz nach der Stadtgründung und der dänischen Besatzung war es als Armen- und Seuchenhaus errichtet worden. Dann war vor fünf Jahren zusätzlich noch eine Badestube errichtet worden, damit den armen luden bynnen mollne die Möglichkeit gegeben war, dreimal jährlich ein Bad nehmen zu können.

      Das große Hospital besaß sogar eine eigene Kapelle mit eigener Pfarrei mit Vikariat, die unabhängig von der St. Nicolaikirche war. Sie nannte selbst einen Friedhof ihr eigen. Ein junger Vikar namens Albert stand der Pfarrei vor.

      Die Einnahmen des Hospital wuchsen stetig, sodass es bald als Geldleiher gegenüber Rittern und der Stadt auftreten konnte. Das Hospital tätigte aber auch noch andere Geschäfte. Dem Johannes von Albertesfelde beispielsweise war vor drei Jahren, 1318, eine Wiese und ein Acker für 22 Mark lübsch von der Kapelle zum Heiligen Geist abgekauft worden. Damit wuchs die Bedeutung und Macht des Hospitals noch mehr.

      Aber das Hospital hatte noch eine andere Bedeutung. Als Colberch zur Tür ging, sah er, wie eine Prähme anlegte. Hinter dem Hospital befand sich nämlich der älteste Hafen der Stadt. Dieser Hafen war ein Garant für den großen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt gewesen, und hatte demnach einen großen Anteil daran. Ständig legten Prähme an und wurden be- und entladen. Sie kamen aus Lubecke oder von der Elbe. So hatte es sich eingebürgert, dass die Stecknitzfahrer im Hospital sogar ihren eigenen Versammlungsraum hatten. Selbst eigene Übernachtungskammern für die Fahrer standen bereit. Daneben befand sich auch noch, ebenfalls in der Seestrate, ein Lagerhaus, das casam soltböden, mit mehreren Böden für die Salzlagerung.

      Doch hatte Colberch wahrlich andere Sorgen, als sich um die Belange der Flussfahrer und des Salzhandels zu kümmern. Er betrat das Haus und ging in den Saal, wo die Kranken lagen. Die Beginen kümmerten sich um die Kranken. Ein unheilschwangerer Geruch empfing ihn. Es war eine Mischung aus Schmutz, Schweiß, Kräuter, Fäkalien, Elend und dem undefinierbaren Geruch des nahenden Todes.

      Aber das merkte Colberch alles nicht. Seine Sorge galt ganz allein seiner Frau, die er nach all den Jahren der Ehe noch genauso liebte wie am ersten Tag. Seine Gedanken galten nur ihr. Selbst die Querelen mit der herzoglichen Familie, die die Ratsversammlungen zur Zeit bestimmten, hatte er verdrängt. Nachdem der Herzogin Elisabeth und ihrem Sohn der Zutritt verweigert worden war, mehrten sich die Gerüchte, dass ein Angriff auf