Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


Скачать книгу

gemeint.

      In der Stadt waren alle zufrieden. Nur wenige Bürger waren den Angriffen zum Opfer gefallen. Am meisten hatte der Handel mit Salz und mit den umliegenden Bauern gelitten. Nun kehrte wieder Normalität ein.

      Die Belagerung war noch gut überstanden worden. Man hatte der martialischen Kraft stand­halten können. Nun konnte die Stadt im Konzert der Großen mitspielen. Ein gewisser Stolz war wegen des guten Ausgangs in fast allen Gesichtern abzulesen. Bei einem Bürger aller­dings weniger, denn Colberch lebte seit dem Tod seiner Frau zurückgezogen und ließ sich nicht mehr sehen.

      Ein einziges Mal betrat er noch das theatrum.

      „Ich trete von meinem Amt als Ratsherr und Hospitalvorsteher zurück.“

      Der Bürgermeister und die Ratsmitglieder nahmen den Rücktritt an, und sogleich wurde ihm sein rotes Kissen ausgehändigt. Es war im Rat üblich, dass ein neuernannter Ratsherr ein Kissen für seinen Stuhl in das theatrum schickte. Dies war als Geste für die Inbesitznahme des Ratsstuhles und sogleich des Ratsamtes anzusehen. Wenn sich in seiner Amtszeit der Ratmann bei groben Pflichtverletzungen oder sträflichem Lebenswandel wie zum Beispiel Ehebruch erwischen ließ, so erhielt er sein Kissen zurück. Durch diesen Akt war die Absetzung vollzogen. Colberch hatte sich keiner Amtsverletzungen schuldig gemacht, doch fand er nicht mehr die Kraft, sein Amt zum Wohle der Stadt auszuüben. Daher hatte er von sich aus darum gebeten, sein Kissen ausgehändigt zu bekommen. Dies geschah unter bedauernden Kommentaren seiner Ratsbrüder, denn er war stets angesehen gewesen.

      Ein klirrend kalter Tag war der Tag der Petri-Stuhlfeier am 22. Februar des folgenden Jahres. Es stand die Wahl des neuen Rates an. Viele neue Namen gab es im Vergleich zum alten Rat. Der Rat setzte sich von nun an aus Brand, Emeke Soltvedele, Johannes Wigheschen, Henneke de Bruteno, Johannes Trammo aus Smylowe, Thiderikus Petzeke Thiderikus Rubeke und Henrikus Sebeneke zusammen. Von den Bürgern der Stadt waren auch ein neuer wort­haltender Bürgermeister und sein zweiter Bürgermeister gewählt worden. Denn Johannes de Belendorpe war unverhofft verstorben, und Johannes de Gradu stellte sich nicht mehr zur Verfügung, nach den unseligen Ereignissen im vergangenem Sommer.

      Bald war Ersatz gefunden in Hermann Dusekop als erstem, und Gottfried de Krempe als zweitem Bürgermeister.

      Nach der Petri-Stuhlfeier kehrte in das handelsstarke Städtchen wieder Normalität ein. Die Einnahmeverluste waren nach einigen Monaten wieder ausgeglichen. Die Ruhe erfreute alle. Aber nicht für lange, denn bald wurde die Stadt wieder Spielball der mächtigen Fürsten, diesmal aber ohne ein Verschulden Molnes.

      Es begann, als am 22. April der siebenundvierzigjährige Herzog Johann II. von Sachsen- Lauenburg ein Opfer seiner angegriffenen Gesundheit wurde. Daraufhin wurde sein Sohn Albrecht IV. neuer Landesherr.

      Er ließ sich augenblicklich über den Zustand seiner Staatskasse berichten. Es gefiel ihm gar nicht, dass sie gähnend leer war. Infolge dessen ritt er zur Reinoldsburg und bat seinen Onkel Gerhard um einen Betrag von 6000 Pfund löthigen Silbers. Dies war die Summe seiner Schuld, die es zu tilgen galt. Auch wenn er innerhalb der Familie Geld verlieh, so ließ sich Gerhard auf kein großes Risiko ein. Er forderte Sicherheiten. Diese konnte Albrecht IV. dem Onkel aber nur geben, wenn er seine Besitztümer verpfändete. Dafür überschrieb er Gerhard III. die Stadt Molne, das Slot, daselbst und alle Schlösser, Burgen und Herrschaft, welche er habe und ihm gehöre, seinem Onkel, dem Grafen Gerhard III von Holstein.

      Damit war Albrecht erst einmal wieder flüssig, und er konnte seinen Hofstaat aufrecht­erhalten. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Wiedereinführung eines landesherrlichen Vogtes in der Stadt Molne. Dessen Name lautete Stowphenberch.

      Der Rat und die Bürger Molnes waren darüber keineswegs erfreut. Wegen der Verpfändung änderte sich jedoch nicht viel. Gerhard hielt sich verdeckt im Hintergrund. Er hatte gelernt, dass eine handelsstarke Stadt für ihn nur Vorteile brachte. Denn auch sein Säckel füllte sich durch die Betriebsamkeit. Dadurch versüßt, vergaß Gerhard die Schmach in der werborch, als die Stadt seiner Belagerung tapfer getrotzt hatte. So ließ er Molne in Ruhe.

      Diese Zeit war aber auch nach einigen Jahren beendet. Albrecht IV. hatte die 6000 Pfund gespart und konnte die Stadt wieder einlösen. So war Molne 1329 wieder in seinem Herrschaftsbereich eingegliedert.

      Hermann Dusekop und Gottfried de Krempe warteten vor der woninghe der Herzöge. Sie waren zu dieser Tagesstunde herbestellt worden. Die Diener öffneten ihnen und ließen sie zum Herzog vor. Herzog Albrecht IV. und seine Mutter warteten bereits. Nach den formalen Ehrerbietungen zeigte der Herzog auf den verzierten Tisch aus Eichenholz, der an der Seite des Saales stand. Auf ihm befand sich nur eine ausgebreitete Urkunde, die noch nicht mit heißem Wachs gesiegelt worden war.

      „Bürgermeister Dusekop, dort seht ihr die Urkunde. Lest sie Euch noch einmal durch, bevor ich sie siegeln lasse.“

      Dusekop nahm die Urkunde auf und las den Text aufmerksam durch. Seine Zufriedenheit versuchte er beim Lesen mit einem neutralen Blick zu verstecken. Der Herzog selber war nicht so glücklich über diesen Handel, weil er dadurch seine Schwäche gegenüber der Stadt eingestehen musste. Er ließ sich anhand der Urkunde in seinem Lande durch die Stadt in seinen Rechten beschneiden. Dennoch war in der Urkunde alles so verzeichnet, wie der Bürgermeister und der Herzog es ausgehandelt hatten.

      In dieser Urkunde verpflichteten sich nämlich Herzog Albrecht IV. und Elisabeth, innerhalb der Stadt keine Zwingburg oder jegliche sonstige Form eines castrums zu erbauen.

      Der Rat wollte nämlich keine neue Burg innerhalb oder außerhalb der Stadt haben, von der sie beherrscht werden würde. Dies galt es zu verhindern. Hermann Dusekop war vor acht Jahren als Ratsherr selber dabei gewesen, als Gerhard vor den Toren der Stadt seine werborch erbaut und die Macht besessen hatte, dem Rat seine Bedingungen zu diktieren. Dies war dem Rat ein warnender Hinweis gewesen, ein derartiges Bauwerk für die Zukunft zu verhindern. Vor dem Steintor befanden sich immer noch Reste der werborch. Nach all den Jahren war es noch nicht gelungen, alle Spuren davon zu tilgen. Den Bürgern und dem Rat der Stadt war es daher wichtig gewesen, nie wieder in ihrer Nähe eine Zwingburg zu wissen. Sie fürchteten sich davor.

      Obwohl die Belagerung und die Streitigkeiten mit der herzoglichen Familie jetzt schon acht Jahre zurücklagen und der damalige Vertrag auch eingehalten worden war, hatte all die Jahre der Konflikt weiter geschwelt. Erst jetzt galt es, sich durch einen neuen Vertrag zu versöhnen. Der Herzog und seine Mutter, die immer noch aktiv an den Regierungsgeschäften beteiligt war, mussten auf eine gewaltsame Beherrschung der Stadt verzichten. Dazu waren sie gezwungen worden. Zu gerne hätten sie von einer Zwingburg in der Stadt aus diese rebellischen Bürger beherrscht. Sie bestätigten erneut die lübschen Rechte der Stadt. Der Rat gelobte dafür, ihren herzoglichen Herren allzeit gehorsam zu sein, wie es Brauch war.

      Dusekop konnte sich seiner Zufriedenheit nur schwer entziehen. Für ihn war diese Urkunde ein Friedensvertrag zum Vorteil der Stadt. Eigentlich wurde darin nur der alte Zustand bestätigt. Dusekop reichte die Urkunde an Gottfried de Krempe weiter. Als dieser nach der Lesung nickte, reichte Gottfried die Urkunde dem jungen Herzog zurück.

      „Mein Herzog, es ist zu unserer Zufriedenheit. Wir hoffen, dass wir Euch unsere Dankbarkeit als treue Untertanen noch oft beweisen können.“

      „Das hoffe ich auch.“

      Albrecht war der leicht hochnäsige Ton des Bürgermeisters nicht entgangen. Doch tat er so, als habe er ihn überhört. Dann siegelte er im Beisein von Zeugen die Urkunde.

      Ein Jahr darauf litt der Herzog erneut unter der adeligen Krankheit der Geldarmut. Als ob es keinerlei Alternative geben würde, so führte sein Weg ihn wieder nach Holstein. Jedoch war dieses Mal die Summe höher, die er sich von seinem Onkel lieh. Es ging um die Summe von 10000 Mark Silber. Aber diesmal war das Geld nicht dafür gedacht, Löcher in seiner Kasse zu stopfen, um den Hofstaat aufrechtzuerhalten. Das Geld wurde nämlich mit seiner Mutter Elisabeth als Mitgift nach Dänemark gebracht. Herzogin Elisabeth heiratete in ihrer zweiten Ehe Erich, einen Sohn Christophs von Dänemark. Durch die Hochzeit versuchte ihr Bruder Gerhard, mehr Einfluss am dänischen Hof zu erlangen.