Michael Aulfinger

Möllner Zeiten


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ehrgeizige Herzogin Elisabeth aus dem Herzogtum Sachsen-Lauenburg. Albrecht war darüber nicht unglücklich. Endlich konnte er trotz seiner jungen Jahre so leben, wie er es für richtig hielt. Seine Mutter hatte ihn stets bevormundet. Jetzt war er froh darüber, die Regierungsgeschäfte alleine bewältigen zu können.

      Viel Arbeit wartete auf ihn. Der junge Herzog war nicht mit Dummheit geschlagen. Mit Herz und Verstand meisterte er die ihm gestellten Aufgaben. Auch der Salzhandel verlangte ihm Entscheidungen ab. In einer Urkunde vom 07. September 1342 verfügte der Herzog, Wan also vell soltes is to Molne, dat men schepen mag 24 pramen, eder 30, und dar enttwischen degene kemen, de dat solt begehret und dat water eschet von deme de de schlusse bewahret, des negesten dages darna schal man dat water geven, also dat se to Lubecke mögen kamen to allen tiden von Paschen went to unser Frowen dage der ersten.

      So wurde verfügt, dass dann, wenn soviel Salz in der Stadt gelagert wurde, dass es auf 24 bis 30 Prähme verladen werden könnte, und falls Käufer hierfür vorhanden waren, und das Wasser vom Schleusenwärter gefordert wurde, am nächsten Tage dem aufgestauten Wasser freien Lauf gelassen werden sollte. Dies sollte aber nur in der Zeit zwischen Ostern und dem 15. August geschehen. Es gab auch Stecknitzfahrer aus Molne und nicht nur aus Lubecke oder Lauenburg. Einige Bürger der Stadt hatten nicht nur die Prähme erbaut und waren am Transport beteiligt, sondern einige besaßen sogar Salinenanteile. Der Salzhandel brachte so den Reichtum in die Stadt.

      Kapitel 5

       Der fremde Mann

       1350

      Die Sonne stand schon tief und würde in einer Stunde am westlichen Rand des Sees die Baumkronen berühren. Rudolf warf trotzdem noch seine Angelschnur in den Wassergraben neben dem Steintor aus. Er war nicht alleine. Neben ihm saß sein bester Freund Arnulf. Auch er hielt seine Angel gelangweilt in das Wasser. Bisher hatte noch kein Fisch angebissen. Vielleicht lag es am Köder? Sie hatten Regenwürmer am Ufer des Molner Sees ausgegraben. Aber noch wollten beide nicht aufgeben. Einmal – es mochten schon viele Wochen her sein – da hatten beide Jungen die grätenreichen Brassen an dieser Stelle geangelt. Schweigsam saßen die Freunde nebeneinander und starrten auf den Stadtgraben hinab.

      Da hörte Rudolf, wie eine von einem alten Gaul gezogene Karre neben ihm, aber noch vor der Brücke, anhielt. Das war nichts Ungewöhnliches, denn ständig verkehrten hier Fuhrwerke und brachten Waren in die Stadt oder aus ihr heraus. Die Karre quietschte und klapperte auf dem unebenem Boden wie jede gewöhnliche Karre eines Händlers oder Bauern.

      Aber diese Karre hatte eine andere Ladung als Salz, Getreide oder Tücher. Ein älterer Mann entstieg ihr. Er trug eine kunstvoll verzierte Kiste, die aber äußerst schwer wirkte, denn er mühte sich ab, sie von der Karre zu heben. Polternd und Staub aufwirbelnd glitt sie kurz vor seinen Füßen zu Boden. Stöhnend richtete er sich aus seiner gebückten Haltung auf und fasste sich, begleitet von einem schmerzverzerrten Gesicht und einem herausgekrächzten „Arrrghh“, an den Rücken. Der Bauer trieb seinen Ochsen derweil an, und der Karren fuhr weiter.

      Dann winkte er überraschend Rudolf und Arnulf zu, die beide den Vorgang aufmerksam verfolgten. Neugierig folgten sie dem Wink und legten vorher ihre Angeln ab.

      „Gottes Gruß.“ Artig begrüßten sie den Fremden mit der üblichen Ansprache.

      „Wenn ich ihn sehe, werde ich ihn gerne von Euch grüßen.“

      Üblicherweise war es Sitte, auf den Gruß mit Gottes Dank zu antworten. Angesichts der ungewohnten schelmenhaften Art der Grußerwiderung sahen sich die Freude jedoch verdutzt an. Rudolf fand als Erster die Worte wieder.

      „Fremder Herr, was ist euer Anliegen? Ihr habt uns zu euch gewinkt. Womit können wir euch dienen?“

      „Ihr seid ja zwei kräftige Knaben. Da seid ihr genau die richtigen Träger für mich. Wollt ihr meine Kiste tragen?“

      Die Freunde sahen sich kurz an, nickten und wandten sich wieder dem Fremden zu.

      „Aber natürlich. Nur, Herr, müsst ihr uns sagen, wo wir sie hintragen sollen.“

      „Das werde ich, doch zuerst müsst ihr mir sagen, in welcher Herberge gut zu nächtigen ist. Außerdem muss ich noch zu einem Apothekermeister. Könnt ihr mir auch dabei einen empfehlen?“

      Arnulfs Augen blitzen auf.

      „Oh ja, zufällig befindet sich am Marktplatz eine Herberge, die auch einem Apotheker gehört. Seine Stube mit den Arzneien und Kräutern ist im gleichen Haus. So habt ihr beides unter einem Dach.“

      „Das hört sich gut an. So lasset uns sogleich aufbrechen, damit ich mich beim Apotheker versorgen kann. Die Reise ist mir nicht gut bekommen. Seitdem ich unterwegs bin, fühle ich mich krank und unwohl.“

      Nach diesen Worten musterten die Jungen den alten Mann genauer. Er trug keinen Hut. Sein Haar war fast weiß, und das Unwohlsein stand ihm im Gesicht geschrieben. Falten zeichneten sich schon ab. Aber dennoch war in seinen Augen etwas zu erkennen, was den Jungen von erst dreizehn Jahren noch unbekannt war. Die Augen des Fremden blitzten manchmal trotz seiner Krankheit und seines Alters auf. Es war dann ein Leuchten in ihnen, die ein schelmisches Wesen verrieten. Die Intelligenz war dann nicht zu übersehen.

      Gekleidet war der Fremde mit einem dunkelblauen normalen Wams mit Kragen. Der Wams war in einem ordentlichem Zustand. Ein sauberes weißes leinenes Hemd lugte unter den langen Ärmeln hervor.

      An den Beinen trug er eine weite Spießgesellenhose, die in zwei vertikal laufenden Farben genäht war. Die Enden verschwanden dann in zwei braunen Wildlederstiefeln, die vorne sehr spitz zuliefen. Zusammengefasst war der fremde Herr gut gekleidet, und schien anhand seiner Kleider, welche aus gutem Stoff waren, nicht gerade zu den Ärmsten zu zählen.

      „Dann ist es besser, wenn wir euch gleich zu der Herberge bringen“, resümierte Rudolf. „Seine Stube mit den Heilmitteln ist wohl schon geschlossen, denn es ist schon spät. Doch bin ich sicher, dass er sie für euch öffnen wird. Der Apotheker verabscheut nämlich keinen zusätzlich verdienten Taler.“

      „Dann zeigt mir den Weg.“

      Die beiden Jungen hoben zusammen die Kiste auf. Sie war jedoch so schwer, dass sie sie nach wenigen Schritten ebenfalls polternd fallen ließen.

      „Bei Gott“, fluchte Rudolf. „Was zum Teufel habt ihr denn in der Kiste? Sie ist so schwer, als wenn sie bis oben hin mit Goldmünzen gefüllt wäre. Habt ihr etwa euren ganzen Reichtum in dieser schönen Kiste?“

      Der fremde Mann beugte sich umsichtig zu den Jungen herunter, und flüsterte ihnen etwas zu. Dabei war er bedacht, dass niemand – auch nicht die Wachen, die unweit an der Brücke standen – von seinen Worten etwas mitbekam.

      „Versprecht mir, niemandem etwas davon zu sagen. Euch aber will ich es kundtun. In dieser Kiste befindet sich mein gesamtes Vermögen. Passt also gut darauf auf. Wir wollen doch nicht, dass üble Räuber mir alles stehlen, oder?“

      Wie selbstverständlich stimmten die Jungen ein, als wenn es nichts anderes geben würde.

      „Aber natürlich, mein Herr. Ihr könnt sicher sein, dass ich euren Schatz wie meinen Augapfel hüten werde.“ Rudolf nickte inbrünstig.

      Erneut hoben die Freunde die schwere Kiste hoch, und nun ging es besser vorwärts. Gemeinsam passierten sie die Brücke und die Wache, welche den Fremden kurz kontrollierte, und durchschritten anschließend das Innentor. Als sie sich auf der breiten Hauptstraße befanden, wurde beiden die Kiste erneut zu schwer. Sie mussten sie für einen Moment auf dem lehmigen Boden der Hauptstraße absetzen.

      „Verehrter Herr, verzeiht, doch müssen wir einen Moment verschnaufen.“

      Völlig erschöpft, und mit schmerzenden Armen, welche sich anfühlten als wenn sie gar einen ganzen Klafter13 in die Länge gezogen worden wären, hockten sich die Knaben auf die Kiste, und pusteten schwer.

      „Euer … Schatz … ist … wahrlich