Patrice Parlon

Eine Lüge für die Freiheit


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Verbandszeug hervor. David zog sie wieder aus und warf die Sachen in die Ecke. „Dafür ziehst du sie nachher wieder an.“ fauchte er. Er schlug die Tür hinter sich zu und verschwand. Andreas schüttelte kurz den Kopf und widmete sich Coline. Der Rücken der jungen Frau sah einfach fürchterlich aus. Ihr Gesäß noch viel schlimmer. Mit viel Überwindung begann er sie zusammenzuflicken. Es dauerte geschlagene drei Stunden, bis er alle Wunden versorgt hatte. Anschließend führte er Coline in die Küche und servierte ihr eine warme Mahlzeit.

      Coline starrte teilnahmslos auf den Teller. Trotz ihres großen Hungers nahm sie keinen Bissen und Andreas verzweifelte fast. „Du musst essen! Komm ich helfe dir.“ Er führte einen kleinen Happen an ihren Mund. Doch sie wandte sich ab. Andreas versuchte es immer wieder, aber sie wollte nicht. Nach einer Weile wurde er böse. Er warf die Gabel auf den Teller, stand auf und schimpfte: „Verdammt noch mal! Iss endlich, sonst stopfe ich dich! Willst du das?“ Coline sah ihn verloren an. In ihren Augen glänzten Tränen. Keine Minute später verlor sie das Bewusstsein und kippte vom Stuhl. Er eilte zu ihr, hob das magere Geschöpf auf und trug sie ins Krankenzimmer. Dann rannte er zu Johanna, die mit kalten Worten reagierte. „Die tut doch nur so. Stell ihr das Essen hin und sie nimmt es von ganz allein.“ Er versuchte Johanna vom Gegenteil zu überzeugen. „Sie wird verhungern! Wir müssen sie dann künstlich ernähren!“ Johanna blieb hart. „Ha! Soweit kommt’s noch. Du machst dir viel zu große Sorgen. Die stirbt schon nicht.“

      Andreas ging fassungslos zurück, setzte sich auf die Bettkante und hielt Colines Hand. Er sah in die leeren Augen und fühlte ihre kalte Haut. Kreidebleich starrte sie an die Decke. Er versuchte ihr Mut zuzusprechen, doch es half alles nichts. Währenddessen machte sich auch David viele Gedanken um Coline und ihm kam die rettende Idee. Die Ringe! Doch gab es da ein Problem. Er hatte sie Johanna schon zurückgegeben. Er wusste auch, dass sie sie auf keinem Fall freiwillig hergeben würde. Dennoch fragte er sie. Johanna brüllte sofort los. „Was fällt dir ein? Ich gebe ihr die Ringe nicht wieder, nicht mal einen. Verschwinde und mach deine Arbeit!“ David redete weiter auf sie ein. „Aber wenn du sie ihr nicht gibst, dann stirbt sie! Es ist ihre einzige Chance. Wir haben nicht die Technik, um sie künstlich zu ernähren.“ Johanna brach in heißes Gelächter aus. „Wie glaubst du, sollten zwei lumpige Ringe helfen können? Sie kann sie nicht essen.“ David sah sie verärgert an. „Die Ringe sind doch verflucht. Weißt du nicht mehr, was im Buch steht? Sie haben die Kraft, sie aufzupäppeln. Es ist scheißegal, was Du glaubst. Coline ist von der Macht überzeugt. Warum hätte sie sich sonst die Mühe gemacht, sie aus deinem Zimmer zu stehlen? Und wenn es nicht hilft, kannst du sie ihr wieder wegnehmen.“ Wütend drehte er sich um und überließ Johanna die Entscheidung. Sie schaute ihm ratlos hinterher. Es dauerte eine Weile, bis sie sich das Ganze durchdachte. Schließlich ging sie in ihr Zimmer und holte die beiden Ringe.

      Johanna trat an Colines Krankenbett. Sie wollte ihr persönlich den Schmuck anlegen, doch Coline wich ihr aus. Sie zitterte am ganzen Leib und wimmerte kaum hörbar. Johanna versuchte es immer wieder, aber jedes Mal zog sie ihre Hände weg. Nach dem fünften Versuch verlor Johanna die Geduld und warf die Ringe auf die Bettdecke. Knurrend verschwand sie. Coline wartete noch eine Weile und nahm den goldenen Ring in die Hand. Sie murmelte: „Hole mich, befreie mich, erlöse mich.“ Sie steckte ihn an den Mittelfinger der linken Hand und den Silbernen an den der Rechten. Ein kalter Schauer überkam die wehrlose Frau und sogleich strömte neue Energie durch ihren Leib. Es dauerte eine ganze Stunde bis wieder genug Kraft in ihr steckte, um aufzustehen und etwas zu essen.

      Als David sie holen wollte, war sie nicht mehr da. Nur ein eingetrockneter Blutfleck blieb zurück. Sofort holte er Johanna. Sie raste vor Wut und bläute ihn aus dem Büro. „Finde sie! Aber schleunigst! Ich will sie in spätestens einer Stunde hier sehen.“ Er holte Andreas zur Hilfe und sagte auch Maxwell Bescheid. Sie versuchten vom Krankenzimmer aus, eine Spur zu entdecken. Doch da war nichts. Kein Fußabdruck, kein Blut, einfach nichts. David suchte draußen, während Andreas drinnen alles auf den Kopf stellte. Keiner von ihnen hatte auch nur eine Idee, wo Coline stecken könnte. David rief nach ihr und drohte lautstark mit Prügel. Natürlich antwortete sie nicht. Doch sie beobachtete den muskulösen Mann, wie er ratlos jeden Busch untersuchte und schließlich aufgab.

      Coline dachte schon an Flucht. Aber genauso schnell kamen ihr Zweifel. Also suchte sie vorerst einen Unterschlupf. Plötzlich hörte sie Johannas Gebrüll. „Komm raus! Wir wissen, dass du noch hier bist. Komm raus! Gnade dir Gott, wenn ich dich finde.“ Coline schwieg aus Angst vor weiteren Folterungen. Eine Flucht war unmöglich, denn ihr fehlten die Mittel. Sie hatte weder Geld noch vernünftige Kleidung.

      Verrat

      Coline wartete, bis auch das letzte Licht verlosch. Sie schlich sich durch einen der vielen Nebeneingänge in die Wäschekammer und stahl einige Sachen. Dann holte sie sich noch etwas Wegzehrung und huschte wieder hinaus. Sie kam bis zum Tor, ohne gesehen zu werden. Auf einmal stand David vor ihr. Er verbarg sich im Schatten, so sah sie sein grimmiges Gesicht nicht. Doch sie spürte seinen Zorn. Schweigend zeigte er zurück zur Tür. Selbstbewusst trat Coline einen Schritt zur Seite und wollte an ihm vorbeigehen. Sein Arm schnellte vor ihre Brust. Coline stoppte. Noch hatte sie den Mut weiterzugehen, doch da hörte sie Johanna toben: „Was glaubst du, wer du bist? Du wirst diese Frechheit büßen und zwar noch heute!“

      Coline rührte sich keinen Millimeter. Sie glaubte sonst, den ersten Schlag zu erhalten. Wieder brüllte Johanna durch die Dunkelheit. „Geh in den Saal! Ich werde dir schon noch Gehorsam beibringen!“ Diese Drohung gab ihr erneut Kraft zum Weitergehen. Sie schob Davids Arm zur Seite und machte den nächsten Schritt in die vermeintliche Freiheit. Johanna wiederholte energisch ihren Befehl, abermals ohne Erfolg. Coline ging weiter. Ihre Glieder zitterten, denn Johanna kam näher. Immer wieder befahl sie ihr stehen zu bleiben. Doch sie versuchte schneller zu gehen. Johanna hielt sich nicht mehr zurück und packte sie am Kragen. Derb zwang sie Coline in die Knie und keifte: „Du willst es ja nicht anders. David, mach deinen Job.“

      Coline sprang auf und rannte los. Innerhalb von Sekunden wurde es zu einer Hatz über den Hof. Coline wusste genau, dass es in einer Sackgasse enden würde. Dennoch versuchte sie ihr Glück. Schnell stürmte sie zum See. David hinterher. Dann war es so weit. Es ging nicht mehr weiter. David wurde langsamer. Überlegen fasste er an seine Gürtelschnalle. „Du machst es dir unnötig schwer. Ich muss dir wohl eine ordentliche Lektion erteilen.“ Coline sah ihn verängstigt an. Was sollte sie jetzt tun? Zitternd ging sie Schritt für Schritt rückwärts, bis sie knietief im Wasser stand. Keinen Moment ließ sie ihn aus den Augen, da er immer näher rückte. Langsam öffnete er seinen Gürtel und zog ihn mit einem Ruck aus den Ösen. Er legte im Gehen beide Enden aufeinander und ließ ihn durch seine Hand gleiten. Abrupt zog er ihn straff, sodass der Knall ein Echo nach sich zog. Coline wusste, was ihr bevorstand und sprang ins Wasser. Sie schwamm bis zur Mitte des Sees, da entdeckte sie Johanna auf der anderen Seite. Andreas kam von rechts und Maxwell von links. Coline war umzingelt und paddelte auf der Stelle. Nun musste sich Coline entscheiden, auf welcher Seite sie aus dem See stieg. Sie schwamm auf Maxwell zu, denn er hatte sie bisher noch nicht gequält.

      Als sie am Ufer ankam, standen alle Vier vor ihr. David näherte sich bis auf einen Meter und befahl: „Hose runter! Sofort!“ Coline schüttelte den Kopf. „Soll ich nachhelfen?“ fragte er boshaft. Wieder schüttelte sie den Kopf. Da packte David zu und beugte ihren Rücken! Er zog ihr die Hose runter. Coline erwartete voller Angst den ersten Hieb und da knallte es auch schon. Der Schmerz war kurz und heftig. Coline wusste nicht, ob sie schreien sollte. Diese Genugtuung wollte sie ihren Peinigern nicht geben. Schon traf sie der zweite Hieb.

      David setzte die Bestrafung bis zum zehnten Schlag fort. Weder schrie noch jammerte Coline. Stur stieß sie wilde Flüche aus. Es spornte David jedoch nur an. Er schimpfte: „Es scheint dir wohl noch nicht zu reichen. Du brauchst also eine richtige Abreibung.“ Schon schwang er wieder seinen Gürtel. Nach dem zwanzigsten Hieb brach Coline in Tränen aus. Sie schrie den Schmerz heraus und flehte ihn an aufzuhören. Doch David hörte nicht auf! Immer wieder sauste der Riemen durch die Luft und erst nach dem Vierzigsten Schlag war es vorbei. Coline fühlte dieses Brennen und Stechen auf ihrem Leib. Unfähig die Hose anzuziehen, sank sie vor ihm auf die Knie. Verheult sah sie sich um. Sie suchte nach Johanna,