Günter Billy Hollenbach

Das Ende der Knechtschaft


Скачать книгу

Deshalb konnten die mein Auto so einfach benutzen! Weil sie diesen Scanner hatten?!“

      Während wir den Fahrstuhl abwärts verlassen, ergänzt sie:

      „Davon gehen wir aus. Passt alles zusammen. Nur dieser Werkstattzettel in Ihrem Wagen passt nicht ins Bild. Ergibt für mich keinen Sinn.“

      Ihre Mitteilung lässt sie etwas langsamer gehen.

      „Außer ....,“ fährt sie mehr zu sich selbst fort, „außer da will uns jemand in die Irre führen und legt eine falsche Spur. Das soll ja schon vorgekommen sein.“

      „Der Zettel belastet mich. Genauer gesagt, jemand will, dass ich verdächtig erscheine. Macht das mehr Sinn?“

      Sie zuckt leicht mit den Schultern, schürzt die Unterlippe und schüttelt den Kopf ein wenig:

      „Aber wer? Wieso, wozu?“

      In der hellen Eingangshalle mit dem Wegweiserkunstwerk sieht sie mich einen Augenblick lang unschlüssig an:

      „Moment, wohin will ich eigentlich?“

      „Ihr Zahnarzt wartet, Frau Sandner.“

      „Ja, richtig, ich muss in die Tiefgarage. Nein, ich bringe Sie kurz nach vorn. Noch etwas Erfreuliches für Ihren Heimweg. Das behalten Sie ebenfalls für sich, klar?! Kollege Schuster hatte doch, da wo Sie geparkt hatten, in der Staufenstraße, eine Zigarettenkippe eingesammelt. Die DNA-Untersuchung ist veranlasst. Manchmal haben wir Glück. Wenn der Zufall uns gewogen ist und sich eine heiße Spur findet. Was nicht ist, kann ja noch werden. Wir kommen jedenfalls voran.“

      Diesmal bleibe ich nach wenigen Schritten stehen. Hier in der freundliches Halle fällt es mir leichter.

      „Danke, Frau Sandner; für Ihr Vertrauen und die Offenheit. Und, ... ich würde gern noch etwas außer der Reihe sagen, wenn ich darf.“

      Sie bleibt stehen, schiebt den Gurt ihrer Tasche auf der Schulter zurecht. Sieht mich vorsichtig erwartungsvoll an. Ihre Augen haben wirklich – eine freundliche Neugier.

      „Das wäre?“

      „Ich meine, äh, ich hoffe, Sie verstehen das so, wie ich es meine. Gestern, in dem Gespräch ... mir ist aufgefallen, auch heute, ich finde ... Ihre Art ... ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit ... und für Sie.“

      Sie schaut mich ruhig an, lässt meine Worte auf sich wirken, und errötet ein wenig. Wie nach einem Entschluss antwortet sie mit leichtem Nicken:

      „Vielen Dank. Das ist nett. Ich mache eben meine Arbeit.“

      „Trotzdem. Danke, nicht dass, sondern wie Sie sie machen.“

      „Angekommen, Herr Berkamp.“

      Ungewollt entfährt mir: „Und passen Sie auf sich auf!“

      Sie zieht die Augenbrauen zusammen, will etwas antworten; dreht sich aber unvermittelt der Tür zum Innenhof zu.

      Wir schweigen auf dem Weg zum vorderen Ausgang. In der Halle fragt sie knapp:

      „Wo steht Ihr Wagen?“

      „Drüben in der Hansa-Allee. Nur ein paar Schritte zu Fuß.“

      Sie gibt mir die Hand. Ich halte sie einen Tick länger.

      „Na dann, alles Gute, Herr Berkamp. Und keine Sorge. Für Sie ist der Fall weitgehend abgeschlossen. Bis zur Verhandlung. Wenn wir die Täter erst mal haben.“

      Sie dreht sich um und geht zurück zum Hauptgebäude.

      Ich schaue ihr verlegen nach, fühle mich ein wenig zu schnell stehen gelassen. Bin zugleich froh, dass ich sie getroffen und mit ihr allein gesprochen habe.

      *

      Stadtauswärts auf der Autobahn spielt Bob Seger’s „Against The Wind“ ungerufen in meinem Kopf. Wie passend. Gedanklich noch ganz mit der Hauptkommissarin beschäftigt, bin ich ohne meine übliche Musikbegleitung losgefahren.

      Beim Fahren achte ich hauptsächlich auf die Straße und höre fast nie Radio. Statt dessen lasse ich im Hintergrund eine der CDs mit Musikstücken laufen, die ich mir selbst zusammengestellt habe; mehr oder weniger bekannte Softrock-Balladen wie „Faithfully“ von Journey, Kelly Clarksons „Break Away“ oder Fleetwood Macs „Go Your Own Way“; Stücke mit einer gefälligen Melodie und einem Fünkchen Nachdenklichkeit im Text, die sich in klaren Farben wohltuend für meine Energiezentren anfühlen.

      Diese Hauptkommissarin Sandner mit ihrem neugierigen Blick und den braungrün schimmernden Augen. Bemerkenswert offen hat die Dame mit mir gesprochen, der ich an sich ein Außenstehender bin. Vielleicht will sie auch nur zeigen, wie unermüdlich und entschlossen sie bei der Sache ist. Wir kommen voran. So etwas sagt sie nicht leichtfertig daher; warum sollte sie?

      Ach, ist das gut! Das nennt sich Stoßseufzer. Einstweilen ist der Fall für mich abgeschlossen.

      Nur wenige Tage später werde ich eines anderen belehrt.

      Und die Frau Hauptkommissarin ebenfalls.

       14

      Freitag, 29. Juli

      Mein Blick bleibt an der schwarzen Schultertasche hängen. Die gleitet langsam an mir vorbei abwärts. Mich trägt die Rolltreppe daneben vom Tiefgeschoss des Frankfurter Einkaufstempels „MyZeil“ aufwärts. In dem Elektronikgeschäft im dritten Stock habe ich eine neue Farbpatrone für meinen Laserdrucker erstanden und anschließend ein paar Sachen unten in einem Drogeriemarkt eingekauft. Die gleiche Tasche wie ... richtig. Sogar dieselbe.

      Sie ist es tatsächlich, die Frau Hauptkommissarin, gegen halb zwei an diesem Freitag Nachmittag. Noch mehr überrascht mich, dass es mir heiß über den Rücken läuft, während ich ihr nachschaue. Mal wieder nicht aufgepasst, Robert. Ob sie mich gesehen hat?

      Unten geht sie geradeaus, demnach in Richtung des Lebensmittel-Supermarkts. Oben wechsele ich auf die entgegengesetzte Rolltreppe, drängele mich an zwei kichernden Mädchen vorbei und laufe erneut hinab.

      Frau Sandner steht suchend vor den Glastüren eines hohen Tiefkühlschranks, als ich in den ersten Gang hinter dem Brot- und Müsliregal husche. Sei nicht albern, Robert, geh einfach hin und ...

      „Das Auflauern, auf Deutsch „Stalking“, ist ein Straftatbestand und kann in schweren Fällen mit Gefängnis bis zu drei Jahren geahndet werden. Drehen Sie sich langsam um und gestehen Sie, Herr Berkamp,“ sagt sie in gespielt amtlichem Tonfall, sichtlich erfreut über ihre gelungene Überraschung. Ich bin nicht minder erfreut. Sie trägt ein olivenfarbiges Jackett über einem dunkelroten Sweatshirt und dunkelblauen Jeans.

      „Da Sie allerdings keine richterliche Anordnung auf Einhaltung eines Sicherheitsabstandes vorweisen können, begehen Sie einen klaren Fall von Amtsmissbrauch. Angesichts der Schwere Ihres Delikts frage ich Sie, ob ich Sie zu einem Kaffee einladen darf, Frau Sandner.“

      Sie stutzt nur kurz.

      „Nein, dürfen Sie nicht.“

      Augenzwinkernde Pause.

      „Tee dagegen würde sehr zu Ihren Gunsten sprechen.“

      „Oh ja, schön, ich grüße Sie, Frau Sandner. Gehen wir da drüben zu der Backstube, einverstanden?“

      „Ja, machen wir. Gehen Sie vor. Für mich einen schwarzer Tee ... und eine Nussecke, falls die welche haben. Ich kaufe nur schnell Körnerfutter für mein Müsli und Vitamintabletten, ja. Ich komme gleich nach.“

      Einige Minuten später sitzen wir in kantigen dunkelbraunen kunstlederbezogenen Sesseln neben den Rolltreppen, vor uns auf dem flachen Tischchen zwei Gläser Tee und ein Pappteller mit zwei Nussecken.

      „Wahrscheinlich