I. Tame

Mika liebt …


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du von ihr eine Handy-Nummer?“

      „Tut mir leid! Wir wohnen im gleichen Haus. Wenn wir was voneinander wollen, rennen wir kurz eine Etage rauf oder runter.“

      David zuckt bedauernd kurz die Augenbrauen hoch.

      „Ja, wer ist das denn?!“, dröhnt plötzlich eine Stimme von der Seite. „Das Herrchen von Blondie! Was machst du denn hier? Ich dachte, du und dein super-cooler Ober-Mac habt euch ins Ausland verpisst?!“

      Grinsend schiebt sich Ben ungefragt neben David auf die Sitzbank.

      „Hi, Ben“, erwidert Keno nicht gerade begeistert.

      Doch Ben richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf David, während er weiter mit Keno redet.

      „Dave hier war ganz fertig, als dein John einfach von heute auf morgen verschwunden ist. Das ist seinem niedlichen Hintern gar nicht gut bekommen … Entzugserscheinungen“, brummt er hinterher.

      „Halt einfach den Mund, Ben!“, erwidert David leise, doch mit fester Stimme.

      „Ich bin wohl nicht der Einzige hier am Tisch, der seine Liebsten besser behandeln sollte, was?“, fragt Keno süffisant in Bens Richtung. „Sonst hätte sich David nicht so einen geilen Ersatz wie John an Land ziehen müssen.“

      „Da gibt der Richtige die schlauen Ratschläge – genau der Richtige!!“, poltert Ben zurück. „Du bist ja noch nicht mal in der Lage, einen Kerl zu halten, der den Boden unter deinen Füßen anbetet. Lass‘ mich raten!! Du suchst Mika, hab‘ ich Recht? Erst der typische Keno-Arschtritt und dann die unvermeidliche Keno-Revival-Tour. Sehr witzig!“, höhnt Ben weiter.

      Doch Keno widerspricht nicht. Er nickt lediglich und nippt gedankenverloren an seinem Bier.

      „Hey, Dave!“ Jetzt dreht Ben sich endgültig zu David hin. Sein Tonfall wird rauer, weicher. „Sag mal, hast du nicht Lust, morgen mit mir nach München zu fahren?“

      „München?“, unterbricht Keno ihn. „Was ein Zufall.“ „Was gibt’s denn in München?“

      Jetzt sieht Ben ihn doch an. Wie immer mit einem höhnischen Grinsen.

      „Mal davon abgeseh’n, dass dich das einen Scheißdreck angeht …“ Jetzt dreht er sich wieder in Davids Richtung.

      „Da findet eine super-extravagante Party statt. Nur handverlesene Gäste. Das soll der Knaller sein. Na, was ist?“ Während er spricht, streicht er sanft mit dem Daumen über Davids Handrücken. David sieht ihn zweifelnd an.

      „Heyy“, haucht Ben geradezu. „Wir könnten uns versöhnen.“

      David lacht leise auf. „Wie du davon ausgehst, dass ich das auch will. Super! Zeugt von unheimlichem Einfühlungsvermögen. – Ich fahr‘ ganz bestimmt nicht mit dir irgendwohin. Ich dachte, ich bin zu langweilig für dich, einfach nicht mehr interessant. Hat sich das plötzlich geändert?“

      Ben presst angepisst die Lippen aufeinander. „Es war ein Versuch. Aber gut, dann bleib‘ hier und sei sauer. Ich werd‘ schon jemanden finden, der mir die Zeit da versüßt.“

      Trotz seiner erteilten Abfuhr blickt David traurig zur Seite.

      Ben steht abrupt auf und beugt sich noch einmal zu Keno vor. „Und was dich betrifft! Nein, ich weiß nicht wo Mika ist. Und wenn ich es wüsste …“ Er blickt Keno tief in die fragenden Augen. Dann grinst er gemein. „Du müsstest mir schon kräftig einen blasen, bevor ich DIR weiterhelfe!!“

      Laut auflachend dreht er sich weg und schiebt sich durch das Kneipenpublikum in Richtung Theke.

      David beobachtet Keno eingehend. Dessen ganze Körpersprache, sein verzweifelter Blick. Er tut ihm tatsächlich leid; obwohl er sich fest vorgenommen hatte, diesem Chaos-Typen kräftig die Rübe zu waschen, wenn er ihn in die Finger bekommt. Doch jetzt … wie er völlig verloren vor sich hin starrt. Er leidet. David weiß genau, wann jemand ehrlich leidet oder nur schauspielert. Als Sub kennt er sich damit aus. Und Keno spielt nichts vor. Er ist total am Ende. Jetzt blickt er auf und sein Blick trifft auf Davids.

      „Ich muss ihn finden, Dave!“, gibt er tonlos von sich, ohne den Blick abzuwenden. „Das ist wirklich lebenswichtig. Ich muss Mika warnen.“

      „Wovor denn, um Gottes Willen?!“, fragt David nervös und legt tröstend eine Hand auf Kenos. Sie verschränken ihre Finger ineinander.

      „Vor meiner Vergangenheit.“

      Das Weihnachtsfest wird in Amerika üblicherweise am 25.12. morgens begonnen. Doch in Johns Familie pflegt man die alten deutschen Traditionen. Daher ist der 24.12. Tag der Bescherung.

      Als John sich duscht und für den Feiertag umzieht, überlegt er intensiv, wie er seine Mutter und seine Schwester vor dem unausweichlichen Drama bewahren kann. Sie sind die Leidtragenden dieses Tages. Vielleicht schafft er es, seinen Vater an einen anderen Ort zu locken. Wie auch immer: irgendwann einmal ist die Stunde Null gekommen. Und John muss sich nur Kenos verzweifeltes Schluchzen in Erinnerung rufen, um die Adrenalinproduktion seines Körpers auf Hochtouren zu fahren. Diese Drecksau hat Cat auf dem Flughafen gesehen und direkt massiv bedroht.

      Daher ist heute ‚D-Day‘! Heute wird Klartext geredet und wenn’s so sein soll … John spannt seine Muskeln vor dem Spiegel an, bevor er sein Hemd überzieht. Wenn es also sein soll, dann gibt’s heute auch Lack. „Gründe hab‘ ich genug!“ John starrt lange sein ernstes Gesicht im Spiegel an. „Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass er es getan haben soll. Ich weiß, dass Cat die Wahrheit sagt. Aber die ganze Sache ist so … absurd. So was passiert in irgendeinem billigen Horrorfilm. Doch nicht …“ „… doch nicht im wahren Leben“, flüstert er seinen Gedanken zu Ende. Mit einem Ruck reißt er sich aus seinen lähmenden Gefühlen heraus. Er muss wach sein; aufmerksam, auf der Lauer. Sein Alter soll ihn nicht in einem schwachen Moment erwischen. John lockert seine Schultern, rudert mit den Armen und testet einen Roundkick. Alles bestens.

      Die Türklingel schreckt ihn nur für eine Sekunde auf. „Wer kann das denn sein?“ Er öffnet die Wohnungstüre und starrt in Georges Gesicht. Da steht er vor ihm in seinem teuren braunen Kaschmirmantel, den eleganten dazu passenden Schal locker um den Hals geschlungen.

      „Hallo John“ begrüßt er seinen Sohn, als wäre nichts geschehen. Als hätte sich nicht die ganze Welt verändert, seit ihrem letzten Treffen. John starrt ihn einfach an. Er gibt keinen Ton von sich. Er starrt – wortlos – versucht, in diesen grau-blauen Augen – eine Kopie seiner eigenen – ein Stück Ehrlichkeit zu erkennen. Vergeblich. Georges Grinsen wird noch breiter.

      „Hey! Hat’s dir die Sprache verschlagen?“ Jetzt lacht er auch noch, dass seine Jacketkronen hervorblitzen. Dieser kurze Moment holt John schlagartig zurück in die Gegenwart.

      „Hallo Dad“, knurrt er ironisch, bevor seine rechte Hand vorwärts schnellt, in den Mantel packt und George mit einem Ruck in die Wohnung zieht. Die Haustüre knallt hinter ihm zu. Und schon schubst er seinen Vater heftig voran in Richtung Wohnzimmer. George ist mindestens genau so groß wie John, doch sein Körper schlackert wie der einer Stoffpuppe. Johns auflodernde Wut lässt seine Kräfte außer Kontrolle geraten. Nicht, dass es ihn kümmern würde.

      „Bitte … John … hör‘ mir doch erst mal zu!“, stottert George, darum bemüht, Haltung zu bewahren und sich immer wieder aufzurichten, bevor der nächste kräftige Stoß ihn weiter schubst.

      In dem kleinen schäbigen Wohnzimmer stehen sie sich schließlich gegenüber. Nur ein Meter trennt sie voneinander. Äußerlich ist John seine Erregung nicht anzumerken. Seine Atmung geht ruhig, er blickt seinen Vater ohne erkennbare Emotion an. George ergreift die Chance zu reden.

      „John … wirklich … du musst mir glauben! Lass dich nicht von Keno hinters Licht führen.“ Während