Gerd Lange

Radpilgern Extrem


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was mir ständig an interessanten Dingen während meiner Tour begegnet. Dies bedauere ich wirklich.

      Hier zwischen Trier, Konz und Metz befinde ich mich auch streckenweise auf der 473 km umfassenden „Velo Route SaarLorLux“, mit folgendem Streckenverlauf:

      Saarbrücken - Kleinblittersdorf - Sarreguemines - Sarralbe - Dieuze - Moyenvic - Delme - Verny - Ars-sur-Moselle - Metz - Thionville - Schengen - Remich - Dalheim - Luxembourg - Graulinster - Echternach - Igel - Trier - Konz - Mettlach - Merzig - Dillingen - Saarlouis - Völklingen – Saarbrücken.

      Von Konz aus erreiche ich nach kurzer Zeit den Moselort Oberbillig. Oberbillig ist mit dem gegenüberliegenden, luxemburgischen Wasserbillig durch eine Autofähre verbunden. Will man den Ort erreichen und befindet sich wie ich auf der anderen Moselseite, so muss man eine Brücke, die über den Grenzfluss „Sauer“ oder Sure, wie er in Luxemburg genannt wird, benutzen.

      Mit dem Überqueren der „Sauerbrücke“ verlasse ich Rheinland-Pfalz und befinde mich ab sofort in Luxemburg. Ich bin ganz überrascht, denn damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Da bin ich wohl mal wieder schlecht vorbereitet gewesen?

      Aber ich erinnere mich, dass es so ja auch gewollt war. Nicht alles bis ins Detail vorbereiten, sondern aus der Situation heraus entscheiden.

      Ich frage noch kurz einen Passanten, der gerade seine Brötchen beim Bäcker gekauft hatte, welcher der beiden Uferstraßen nach Metz führt? Nicht das ich erst mal die „Sauer“ entlang fahre und nach kurzer Zeit sauer bin, weil ich dem falschen Flusslauf folge.

      Leider habe ich das Nachfragen bei Ortskundigen nicht immer befolgt und in Nancy wurde daraus ein „kleiner Umweg“ von ca. 50 Kilometern und 50 Kilometer mit dem Fahrrad sind mal schlappe 150 Minuten.

      Apropos Bäckerbrötchen, fehlt da nicht noch etwas? Wieso habe ich nicht gleich den Herrn gefragt?

      Sofort stelle ich meine Sinnesorgane und besonders meine olfaktorische Wahrnehmung auf Empfang:

      >> Ja, ich rieche es, gleich bin ich am Ziel meiner morgendlichen Sucht! <<

      Ich denke an das Buch „Parfüm“ des deutschen Schriftstellers Liebeskind, welches ich seiner Zeit in einer Woche verschlungen hatte und an den Hauptdarsteller „Grenouille“, der Gerüche kilometerweit wahrnehmen konnte.

      Da ich, von Latten, wenn der Wind günstig steht, durchaus in der Lage bin 30 Meter wahrzunehmen, werde ich auch um zwei Straßenecken weiter mit einer Bäckerei belohnt.

      Kaffee, zwei Brötchen dazu und runter zum Moselufer auf eine Bank und erst mal gefrühstückt. Es ist noch früh und es sind kaum Luxemburger unterwegs. Die Mosel heißt hier in Luxemburg „Moselle“ und so schaue ich mir noch den Flusslauf etwas genauer an und sauge die Stimmung der Landschaft auf. Dabei ziehe ich mir die Brötchen rein.

      Gut gestärkt geht es um 9:30 Uhr weiter auf einer sehr gut ausgebauten Fahrradstrecke. Ich befinde mich auf der Luxemburger Weinstraße und bewege mich entlang der Mosel in Richtung Schengen. Die Städte Schengen und Perl sind die Einfallstore, wo jene 42 Kilometer beginnen, an denen sich die beiden Nachbarländer Deutschland und Luxemburg die Mosel teilen. Auch wenn ich sehr oft auf Landstraßen fahren muss, diese sind sehr großzügig ausgebaut und dem Sicherheitsabstand der Verkehrsteilnehmer wurde gut Rechnung getragen.

      Hier reiht sich wie an einer Schnur gezogen Weinanbaugebiet an Weinanbaugebiet. Der Weinbau in Luxemburg ist bis ins Mittelalter und früher dokumentiert. Er bezieht sich in Luxemburg größtenteils auf das Moselgebebiet mit den steilen Hängen und Gesteinsböden. Hier fing es wie fast überall an Mosel und Rhein mit den Römern an, die nach ihrem Siegeszug durch Gallien auch das nördliche Moseltal und Germanien eroberten. Und da Trinkwasser damals noch stark verunreinigt war, haben die Römer dem Wein zum Löschen des Durstes den Vorzug gegeben. Der Alkoholgehalt von Wein und Bier war damals nicht so hoch wie wir ihn heute kennen.

      Und im Mittelalter diente ein Quantum an Wein sogar zur Desinfektion des Wassers.

      Weil die Kirche Wein für ihre Messen benötigte, übernahmen sie später im Mittelalter, wie überall in Europa, den Weinanbau.

      Luxuriöse Häuser prägen teilweise die Landschaft entlang der Mosel und zeugen von gewissem Wohlstand, der hier mit dem Rebensaft erzielt wird.

      Mittlerweile macht mir der Schmerz mehr und mehr Sorge. Hätte ich nicht eigentlich schon längst einen Arzt konsultieren müssen? Im Moment kann ich auch nicht im Internet recherchieren. Also wenn ich gleich mit Grit telefoniere, dann lasse ich sie mal Zuhause im WWW nach einer Arztadresse sehen.

      Die knapp 42 Kilometer bis Schengen sind eigentlich ziemlich schnell gefahren und unterwegs habe ich auch keine Pause mehr eingelegt. So erreiche ich Schengen gegen 11:30 Uhr.

      Hier werde ich aber erst mal etwas verschnaufen und vielleicht bekomme ich noch einen Stempel. Vor dem Europadenkmal und einem Segment der Berliner Mauer am Moselufer stelle ich mein Rad ab und schaue mich etwas um. Eigentlich hatte ich nach dem historischen Gewicht des Schengener Abkommens eine gewaltige Stadt erwartet. Das Gegenteil ist der Fall. Schengen ist ein kleines Winzerdorf an der Mosel mit gerade mal 4500 Einwohnern.

      Hier wurde am 14.06.1985 Europäische Geschichte geschrieben und auf dem Moselschiff MS Marie-Astrid unterschrieben. Fünf Europäische Mitgliedstaaten nämlich die Regierungen der Staaten der Benelux Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich unterzeichneten ein Abkommen, das die Abschaffung der Grenzkontrollen vorsieht. Das Abkommen gilt, wie die Einführung der gemeinsamen Währung - den Euro - als Europäischer Meilenstein. Sehenswert auch das Europäische Informationszentrum „Centre Européen“. Hier erhält man ausreichende Informationen zur Geschichte und der Grenzen der einzelnen Staaten, die dem Abkommen angehören.

      Ich besichtige das Schloss von außen mit dem rekonstruiertem Barockgarten und fahre mit dem Fahrrad durch den Ort Schengen. Die Kirche befindet sich auf einer steilen Anhöhe, zu der ich das Rad sehr zur Freude meiner faulen Rippe schieben muss, bekomme aber von oben einen fantastischen Ausblick. Meine Stempel Aktion geht erneut ins Leere, da alles geschlossen ist. Also schmeiße ich noch einen Kraftriegel ein und fahre weiter Richtung kontrollfreie Französische Grenze.

      Nach einigen gefahrenen Kilometern erreiche ich Frankreich. Das Land, indem ich den längsten Teil meiner Exkursion verbringe werde. Insgesamt rund schlappe 1600 Kilometer. Diese Kilometer werden es in sich haben. Sie werden mich zur Verzweiflung und zur Erschöpfung führen. Ich werde an Grenzen herangeführt, bei denen der gesunde Menschenverstand sofort und lautstark „Stopp!“ schreit. Aber hier werde ich auch Erfahrungen „ER LEBEN“, die mir sonst immer verborgen geblieben wären. Ich werde Wetterkapriolen ausgesetzt sein und mich manchmal fragen, ob ich noch normal bin, mit dem was ich hier mache. Mir werden hilfsbereite aber ebenso egoistische Menschen begegnen. Auf mich warten steile Landstraßen, die ich mühselig hochkriechen werde und viele Abfahrten „fliege“ ich beherzt runter. Berge nötigen mir Respekt ab und wunderschöne Aussichten und Landschaften werde ich größtenteils lieben.

      >> Kurz um: „Augen AUF und durch Gerd“<<

      Aber jetzt erst mal mit „Zuhause telefonieren“, denn vielleicht sind meine Symptome ja Anzeichen eines Herzinfarktes und ich muss SOFORT in ein Krankenhaus und mit einem Professor Dr. „Hatschiiiii“ sprechen?

      Ich halte in Höhe des Französischen Hoheitszeichen in einer Parkbucht und wähle erst mal meine Frau an. Nachdem ich ihr mein Befinden erkläre und mit der Bitte mal nachzusehen ob ich zur letzten Ölung muss, ruft sie kurz darauf zurück und gibt Entwarnung.

      >> Und ganz wichtig von Latten, das Atmen nicht vergessen<<.

      Nach den erklärten Beschwerden kann es nur eine Prellung sein. Also nicht mehr herzhaft lachen und tiefes Ein- und Ausatmen vermeiden. Wo kann ich mir dies denn zugezogen haben. Ich finde es beim besten Willen nicht heraus und begründe die Ursache mit dem schlechten Zustand der Matratze in meiner Kaschemme. Wir plaudern noch kurz miteinander und danach war ich heil froh, dass es nichts Ernstes ist und ich so meine Reise fortsetzen kann.

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