Gerd Lange

Radpilgern Extrem


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Aufgrund der steigenden Temperaturen, lege ich schon vor einiger Zeit meine Jacke ab und bin nur noch mit dem Nötigsten bekleidet. Hier ist aber unbedingt noch zu erwähnen, dass ich bis hier hin noch nicht wund gefahren bin. Ich hoffe, dass es auch so bleibt.

      Ich bemerke, dass die Straßen hier nicht ganz so großzügig ausgebaut sind. Da aber am heutigen Sonntag kaum Autos unterwegs sind, lässt es sich sicher fahren. Sehr viele Radfahrer sind in kleineren Gruppen aber auch einige in Großgruppen unterwegs. Und immer häufiger stelle ich mit großer Freude fest, dass mir freundlich gegrüßt wird.

      >> Buon Rute<<, heißt es immer häufiger. Diese zwei Wörter geben mir ein gutes Gefühl.

      Ich komme etwas vom „La Moselle Ufer“ ab und bemerke den Anstieg von 300 Höhenmetern, die mir mit dem Gepäck schon einiges an Energie abverlangen. Hier in Königsmacker in der Region Lothringen genieße ich einen schönen Ausblick auf die Französische Mosel. Ich kann den Flusslauf etwas verfolgen und Blicke auf einen Campingplatz am Ufer. In der Ferne mache ich vier gewaltig rauchende Türme aus. Da muss ich mal nachhaken was es damit auf sich hat. Weil ich unbedingt wieder an das Moselufer heran möchte, frage ich einen Radfahrer nach dem Weg.

      >> Missiö, Excuiese ma, cey esse Metz<<, so grausam muss es sich angehört haben.

      >> „Fahren sie den Abhang herunter, unten an der kleinen Kreuzung biegen sie rechts und wieder nach links und schon sind sie auf dem richtigen Weg“<<, antwortet der Herr in wohltuendem Deutsch.

      Der freundliche Franzose hatte 20 Jahre in Deutschland gearbeitet und war von meinem Vorhaben, bis nach Santiago de Compostela zu fahren, beeindruckt.

      >>“ Das wäre mal etwas für mich, aber da müsste ich noch vorher 20 Kilo an Gewicht verlieren“<<, so der nette Herr, der mit einem Rennrad unterwegs ist und bestimmt seine 120 kg auf die Waage brachte.

      Wir plauderten noch ein wenig und ich drücke mir noch Power Gel mit Bananen Geschmack in den Hals. Schon geht es wieder weiter.

      Hier unten, an der mit viel Schatten versehenen Mosel entlang zu fahren, ist in Anbetracht der angestiegenen Temperaturen eine echte Wohltat, die ich sehr genieße.

      Am Beginn meiner Weiterfahrt schmerzten meine Knie für 30 Sekunden. Das ist mir aber auch schon vorher aufgefallen. Nach kurzen Pausen und nach einigen Pedaltritten ist der Schmerz allerdings schnell wieder weg.

      >>Seltsam, eventuell sollte ich mehr Magnesiumpulver zu mir nehmen, auch das muss ich unbedingt beobachten. <<

      Die unterschwelligen Krankheiten scheinen sich zu häufen. Zuerst die wund gefahrenen Leisten, meine Rippe, dann die Krätze an der Hand und jetzt noch die Knie. Ich ersehne, dass es nicht noch mehr wird, denn ich würde mich gern mehr auf das Radeln konzentrieren.

      Nach kurzer Zeit habe ich wieder eine Begleitung. Ein drahtiger grauer Herr 65 Jahre und auf einem fünf Tausend Euro Karbon Rennrad unterwegs, wie er mir mit Stolz erklärte. Es ist ein, wenn jetzt auch in der prallen Sonne fahrend, netter Deutsch-Englisch-Französisch-Hand-Fuß Dialog.

      Er löst auch die Frage der vier rauchenden Türme auf.

      >> Cattenom<< Ich konnte mir schon fast denken, dass es Atommeiler ist. Aber die Größe, dies muss ich mir mal auf der Zunge zergehen lassen.

      Also eine riesige Kernkraftanlage mit vier Druckwasserreaktoren und zwar:

      Cattenom 1 Cattenom (Moselle) Druckwasserreaktor 1300 Nettoleistung in MW

      Cattenom 2 Cattenom (Moselle) Druckwasserreaktor 1300 Nettoleistung in MW

      Cattenom 3 Cattenom (Moselle) Druckwasserreaktor 1300 Nettoleistung in MW

      Cattenom 4 Cattenom (Moselle) Druckwasserreaktor 1300 Nettoleistung in MW

      Gehört hatte ich natürlich schon davon, vor allem von den vielen Reaktorstörfällen. Nur, dass das AKW so nah an Hilden liegt, hätte ich nicht gedacht. Es gab Zeiten da setzte ich mich der Atomkraft und ihren Nachteilen auseinander. In den 1980 Jahren bin ich mit meinem Bruder Gerold und mit der Absicht etwas zu bewegen auf die Ostermärsche gezogen. Denn dort wurde nicht nur für Frieden, sondern auch schon gegen AKWs, protestiert. Lang ist es her und die „Prios“ wichen anderen alltäglichen Themen. Wenn man sich erst einmal als Glied in der riesigen Kette wiederfindet, die funktionieren muss, bleibt kaum noch ein Zeitfenster, um sich mit diesen und vielen anderen wirklich wichtigen Tatsachen bzw. Missständen zu beschäftigen.

      Eigentlich ist es schade, aber ein Leben reicht da nicht aus und jeder findet für sich heraus, was ihm wichtig ist und wofür er sich einbringt oder engagiert oder, oder, oder …

      >> Ach was ist es herrlich, ich kann über all diese Dinge nachdenken und habe noch einige Zeit dafür. <<

      Wie ich aus einigen Foren entnehmen konnte, sind die Uranvorkommen endlich und reichen wohl nur noch für einige Jahrzehnte. Somit werden meine Ur-Ur Enkel zumindest von einem Super GAU verschont bleiben. Da Cattenom den Stresstest nicht ausreichend bestanden hat, möchte ich mir nicht ausdenken, was passiert, wenn sich eine Terrorbewegung mit einem Flugzeug da drauf stürzt.

      >> „von Latten alles ist gut. Du hast eine nette Etappenbegleitung, die dich bis Thionville mit Informationen eindeckt. Cattenom arbeitet gerade störungsfrei, also ruhig bleiben, entspannen“<<, sage ich zu mir.

      Der Lorentz haut ganz schön rein und ich kühle mir immer wieder meinen Kopf, in dem ich mein Kopftuch mit Trinkwasser begieße. Das bringt für kurze Zeit Erholung, denn wir fahren die ganze Zeit in der prallen Sonne. Mein Reisebegleiter ermahnt mich immer wieder, nicht zu schnell zu fahren. Ich trete aber auch wie von Sinnen in die Pedale und spüre keinerlei besondere Belastungen. Es läuft wie am Schnürchen und ich genieße die Abrollgeräusche meiner Reifen. Dieses Geräusch entsteht bei warmen Temperaturen und ab 25 Kilometer Geschwindigkeit auf Asphalt. Dieser Klang sagt mir immer, dass ich in der für mich optimalen Fettverbrennung unterwegs bin.

      Mein ständiger Blick auf meinem Tacho zeigt die 26 bis 30 Stundenkilometer zu meiner Freude an und ich bin im Gegensatz zu meinem Begleiter voll bepackt. Uns trennen gewichtstechnisch mindestens 50 Kilogramm aber auch 12 Jahre und so nehme ich immer wieder, was mir sichtlich schwerfällt, etwas an Fahrt heraus. Wir plaudern noch über weniger wichtige Dinge des Alltags. In Thionville bekomme ich Tipps von meinem Begleiter darüber, wie ich weiter zu fahren habe und dann verabschieden wir uns voneinander. Ich muss noch versprechen, nicht zu schnell in der Hitze unterwegs zu sein.

      Ich komme jetzt streckenweise, bedingt durch die ansässige Industrie, immer etwas vom Weg des Moselufers ab und muss mich mithilfe vieler freundlicher Franzosen wieder auf Kurs bringen lassen. Nach dem Passieren der Gewerbezonen, gelange ich ans Moselufer zurück und kann mich wieder gut orientieren. Irgendwann kommen dann wieder Hinweisschilder für Radfahrer. Bis Metz also noch 28 Kilometer. Es ist jetzt 13:30 Uhr und ich bin, trotz meiner geringen Einschränkung, gut vorangekommen. Ich schätze mal, dass ich in einer knappen Stunde in Metz sein werde.

      Kurz vor Metz biege ich noch in eine mit alten Mauern umgebene Ortschaft ein, um vielleicht noch einen Stempel abzuholen. Aber hier in Saint- Julien- le Metz ist auch alles verschlossen und menschenleer, also fahre ich weiter Richtung Tagesziel Metz.

      Ich erreiche das Ortseingangsschild „Metz“ um 14:30 Uhr. Dort nehme ich direkt Kurs auf das nächstgelegene Restaurant, denn ich muss unbedingt etwas Kaltes zu mir nehmen. Also steuere ich ein Arabisches Restaurant an, wo ich draußen auf der Terrasse erst mal Platz nehme und ein großes kaltes Bier bestelle.

      >> Wunderbar, jetzt bist du also in Metz angekommen und hast dir durch die Hitze erst mal ein kaltes Bier verdient<<.

      >> “I would like to eat something, do you have salad” <<, frage ich.

      >>” Yes from our refreshment Bar” <<, antwortet der Kellner.

      Ich trinke einen kräftigen Schluck, halte noch meine Eindrücke in meinem