Reiner W. Netthöfel

Tanja liest


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      „Ich lade Sie zum Essen ein.“

      „Bei Hilde?“, fragte der Exfahrer verwirrt. Wulvsen lachte.

      „‘Hilde‘ ist das beste Restaurant in der Stadt, Hönnes.“ Hönnes räusperte sich.

      „Das geht nicht.“, sagte er kategorisch, doch er hatte nicht mit seinem Chef gerechnet.

      „Und ob das geht.“

      „Sie haben mir meinen Traumwagen geschenkt …“

      „Und den sollen Sie jetzt ordentlich begießen.“

      „Dann kommen Sie wenigstens mit rein.“ Wulvsen zögerte, stieg dann aber aus und folgte Hönnes in das Reihenhaus. Im Flur kam ihnen ein junger Mann entgegen.

      „N’Abend Paps. Na, jetzt endgültig Feierabend? Hast du einen Kollegen mitgebracht?“ Hönnes aber hastete bereits die Treppe hinauf, so dass der Mann sich an Wulvsen wenden musste.

      „Sind Sie Vaters Nachfolger?“ Wulvsen räusperte sich.

      „Äh, nein.“

      „Ein Kollege aus der Firma?“

      „Sozusagen.“

      „Muss ja ein seltsamer Laden sein. Ein Chef, der sich versteckt, alle verschreckt, aber sonst ganz in Ordnung ist, wie mein Alter sagt. Der macht sich wohl einen Spaß daraus, den wilden Mann zu spielen.“, lachte der große Dunkelhaarige. Wulvsen blickte an dem Sohn hinunter.

      „Vielleicht sollten Sie sich was anderes anziehen.“

      „Wieso?“

      „Wir gehen essen.“, erklärte der vermeintliche Kollege des Vaters. Der Sohn, der von seiner Mutter in davon Kenntnis gesetzt worden war, dass seine Eltern essen gehen wollten, sich aber wunderte, dass dieser edel gekleidete Mann und seine Person mit einbezogen werden sollten, trollte sich kopfschüttelnd und wurde von den Eheleuten Hönnes abgelöst.

      „Sind Sie der Nachfolger meines Mannes? Das ist aber außergewöhnlich, dass Sie Ihren Einstand mit einem Ruheständler feiern.“, lächelte Frau Hönnes den Fremden an. Hönnes hub an, etwas klarzustellen, kam aber nicht dazu.

      „Normalerweise sitze ich hinten, Frau Hönnes, angenehm.“ Die Mundwinkel der Ehefrau rutschten nach unten und ihr Gehirn schien, nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, Unmenschliches zu leisten, doch nach einer Weile schien der Groschen gefallen.

      „Sie sind der A … äh, Herr Wulvsen?“, brachte sie hervor.

      „Ja, ich bin der Alte.“, gab Wulvsen lächelnd zurück. Hönnes war rot angelaufen, als der Sohnemann im Jackett die Treppe herunterkam und kurz stockte.

      „Is was passiert?“

      „Auf welchen Namen ist der Tisch reserviert?“, wollte der Chefkellner zum wiederholten Male von seiner Mitarbeiterin wissen.

      „Hönnes.“, antwortete die junge Frau geduldig.

      „Und Sie sind sicher, dass die Reservierung von Wulvsens Büro getätigt wurde?“ Auch das hatten sie durchaus schon besprochen.

      „So hat sich die Frau gemeldet.“

      „Haben Sie mal den Namen recherchiert?“

      „Wulvsen?“, fragte die Frau unschuldig. Der Mann sah an die Decke und stöhnte.

      „Nein, Hönnes.“ Die Frau schüttelte bestimmt den Kopf.

      „Keine Resultate.“ Timmermann war nervös. Wulvsens Büro reservierte nicht für irgendjemanden. Ein Hönnes war aber nicht bekannt. Weder ihm, noch dem weltweiten Netz. Es konnte sich natürlich um einen Scherz handeln. Aber was, wenn nicht? Er sah auf die Uhr und ging dann scheinbar zufällig an die Fensterfront, um einen Blick hinauszuwerfen. Wulvsen kam mit drei ihm nicht bekannten Menschen vom Parkplatz auf das Restaurant zu. Mist. Timmermann musste leider fort. Rasch lief er zu seiner Vertreterin Frau Stegner.

      „Wulvsen kommt. Selbst. Möglicherweise ist Hönnes ein Geschäftspartner oder nur Tarnung. Geben Sie Ihr Bestes, wir sind schließlich stolz, Wulvsen als Stammgast zu haben.“ Dann eilte er davon.

      Stegner hatte keine Zeit, ihn zu fragen, wer von den drei Männern, die jetzt mit einer Frau um die sechzig das Restaurant betraten, Wulvsen war, denn sie selbst kannte ihn nicht. Die anderen Kollegen zu fragen, würde auch nichts nutzen, denn die Geschäftsführerin hatte die Mannschaft unlängst ausgetauscht; außerdem würde sie sich diese Blöße nicht geben. Unsicher trat sie auf die vier Personen zu. Ein gutaussehender Mann Ende zwanzig, die ältere Frau, ein Mann in dem Alter der Frau in einem distinguiertem Anzug, ein Mann um die vierzig, vielleicht jünger, ebenfalls in einem Anzug. Von der Stange, wie Stegner einschätzte. Ebenso schätzte sie, dass der Lenker eines Weltkonzerns wohl etwas älter sein müsste.

      „Guten Abend, was kann ich für Sie tun?“ Sie sah den älteren Mann an, der wiederum den mittleren Mann, dann die Frau etwas hilflos ansah, die dann aber „Hönnes, wir haben … äh, für uns ist auf den Namen Hönnes reserviert.“, stammelte. Stegner führte die Gruppe an einen festlich eingedeckten Tisch und winkte einem Kellner. Sie persönlich schob den Stuhl unter den älteren Mann, von dem sie ausging, dass er Wulvsen sei, obwohl sie sein Verhalten etwas verstörend fand.

      „An Tisch sechs haben wir heute Abend Herrn Doktor Wulvsen mit Geschäftspartnern. Also bitte besondere Aufmerksamkeit.“, gab sie Order an die Kellner und das Küchenpersonal. Sie selbst hatte natürlich ein besonderes Auge auf den Tisch mit den besonderen Gästen und gab auf alles acht.

      „Was haben sie zu trinken bestellt?“, wollte sie demnach wissen.

      „Der Junge und der Mittelalte Bier und das Paar Wein.“ Typisch, dachte die brünette Stegner, dann ist alles klar. Ein Wulvsen würde in dem besten Restaurant am Platze wohl kaum Bier trinken.

      Der Kellner stellte die Biere vor Wulvsen und Hönnes Junior mit einem geringschätzigen Blick ab und ließ dann ein paar Tropfen des Weines, der dem alten Hönnes viel zu teuer vorgekommen war, in dessen Glas fallen. Ein paar Sekunden geschah nichts. Hönnes wunderte sich, dass der Kellner das Glas nicht weiter füllte, oder wenigstens ging. Seine Frau dachte das gleiche, kramte aber in ihrem reichlich gefüllten Archiv von Filmszenen in ihrem Kopfe nach vergleichbaren Beispielen. Der Junior sah seinen Vater dringlich an, drang aber nicht durch. Endlich hielt Wulvsen sein Glas dem Jungen entgegen und meinte neutral: „Gut, dass man dies hier nicht vorkosten muss.“ Frau Hönnes wurde dank dieser Hilfe fündig und dachte an Paul Newman und Julia Roberts, bei ihrem Mann fiel endlich der Groschen und der Sohn prostete Wulvsen dankbar und fürs erste aufatmend zu.

      „Ähm, ja.“, murmelte Hönnes, als die Tropfen auf seiner Zunge verdampft waren, was zur Folge hatte, dass der Kellner sein Glas halb füllte und ebenso mit dem seiner Frau verfuhr; dann wurden die Karten gereicht.

      Wulvsen schwante spätestens, als der Kellner die Bestellungen aufnahm, was gespielt wurde, denn Hönnes wurde als erster nach seinen Wünschen gefragt, was eigentlich der Dame am Tisch zustand. Da er das Personal noch nie gesehen hatte, vermutete er eine Verwechslung und war bereit, bis zu einem gewissen Punkte die Komödie mitzuspielen.

      Der erste Akt bestand darin, dass Hönnes, der sein leer gewordenes Glas selbst wieder füllen wollte, die Flasche vom Kellner aber fast aus der Hand gerissen wurde, um ihn von dem selbständigen Tun nach der Sitte des Hauses abzuhalten. Das hätte man nach Wulvsens Meinung auch besser regeln können und so zogen sich seine Brauen zusammen.

      Der zweite Akt brachte dann das amuse du geule zeitgleich mit der Vorspeise, und zwar ohne Entschuldigung. Da dies den Hönnes, auch dem Nachwuchs, egal zu sein schien, mischte sich Wulvsen nicht ein, machte aber ein reichlich missmutiges Gesicht.

      Als die Suppe sich aber als Kaltschale faktisch entpuppte, obwohl sie schriftlich durchaus