Thomas Hölscher

Der Pferdestricker


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gegeben. Ich habe mich dabei mit jemandem unterhalten und Bier getrunken. Am liebsten hätte ich noch ein Telefongespräch geführt oder dabei auf dem Klo gesessen. Ich verachte diesen Kerl unheimlich. Eigentlich verachte ich alle Schwulen.

      5.10.1999

      Habe Lars heute getroffen. Er hat sofort angefangen mit meinem Auftritt auf seiner Fete. Er hat irgendetwas geredet von meinem Sklaven und von einer Sado-Maso-Szene, die ich mit Klaus unbedingt mal besuchen soll. Warum müssen die Leute immer Wörter benutzen, um etwas zu bezeichnen, von dem sie doch ohnehin keine Ahnung haben? Dieses ganze schwule Gerede ist Karnevalsgelaber. Ein großer Selbstbetrug. Selbst in Köln dauert der Karneval nur ein paar Tage. Was soll man mit dem Rest des Jahres machen?

      Was Klaus betrifft, so geht er mir mittlerweile auf die Nerven. Das einzige, was ich mir mit ihm noch vorstellen kann ist, dass ich ihn in den Arsch ficke oder umlege. Letzteres meine ich ganz im Ernst: Diese Vorstellung macht mich manchmal ungeheuer an. Ich stelle mir dann vor, ihn mit meinem Ding zu ersticken oder ihm die Kehle durchzuschneiden, wenn ich in seinem Mund zum Orgasmus komme. Es ist wohl besser, wenn ich ihn in die Wüste schicke. (Die eine Sache muss ich allerdings unbedingt noch ausprobieren.)

      13.10.1999

      Klaus wollte nicht, dass ich es mache, und gerade deshalb habe ich es doch getan. Das stand schließlich noch auf dem Programm. Wenn ich ihn vorher nur verachtet habe, dann widert er mich nun an. Immer wenn ich in ihn eingedrungen bin, kam es mir vor, als steche ich ihn ab. Als steche ich ein Schwein ab. Wie kann ein Mann so etwas mit sich machen lassen? Ich habe ihm heute gesagt, dass ich ihn satt habe. Er glaubt es wohl noch nicht. Was für Klaus gilt, das gilt übrigens für alle Schwulen.

      29.10.1999

      Ich habe Druck, aber es ist mir zu dumm, Klaus anzurufen. Er war beleidigt oder so etwas ähnliches, nachdem er gemerkt hatte, dass ich es ernst meine. Ich hätte ihn seine eigene Scheiße von meinem Ding lecken lassen sollen. (Eigentlich ist das eine grandiose Idee! Ich möchte wissen, ob er das auch tun würde.)

      Ich kann ihn ja anrufen, wenn ich ihn umlegen möchte!

      4.11.1999

      Kann ich es eigentlich auch mit einer Frau machen? Seit ein paar Tagen interessiert mich diese Frage ungeheuer. Einen Mann zu ficken ist vielleicht auch für den, der es tut, würdelos. Aber warum soll es mit einer Frau eigentlich nicht funktionieren? Ich werde es auf jeden Fall ausprobieren.

      Ich stelle mir stundenlang vor, wie es ein wird. Ich muss mir vorher allerdings genau überlegen, wo es passieren kann und wie die Frau sein muss, mit der es passieren kann.

      Um mit dem Letzteren anzufangen: Auch die Frau muss unterwürfig sein, so wie Klaus unterwürfig war. Dass das besonders unmännlich ist, glaube ich nicht: die meisten Männer können nur mit unterwürfigen Frauen Sex haben. Wirklicher Sex ist wahrscheinlich nie mehr als ein Machtspielchen, der große Knall zwischen möglichst großen Unterschieden. Nur habe ich weder Geld noch Lust, um für einen solchen Firlefanz nach Thailand zu fahren. Es muss also anderswo passieren. In den Puff gehen kann ich nicht, das steht auch fest. Da hätte ich Angst vor der ganzen Atmosphäre. Oder vielleicht nicht Angst: Aber in dieser professionellen und abgezockten Umgebung würde es nie funktionieren. Da könnte ich einfach nicht.

      7.11.1999

      Es müsste irgendwo auf dem Straßenstrich passieren. Wenn ich sie erst einmal in meinem Wagen habe, kann alles geschehen. Aber ich weiß immer noch nicht wo. Am liebsten wäre mir eine der Schlampen aus einem Ostblockland, die jetzt angeblich überall herumstehen. Oder eine, die es tut, weil sie Geld für Rauschgift braucht. Die finde ich noch widerlicher.

      15.12.1999

      Ich kann an nichts anderes mehr denken als an Nutten. Aber ich weiß immer noch nicht, woher ich eine bekommen kann.

      20.12.1999

      Vielleicht ist das die Lösung! Ein Kommilitone war am vergangenen Wochenende in Berlin und hat erzählt, dass auf der Oranienburger Straße alle Nase lang eine Nutte aus Russland steht. Ich werde in den nächsten Tagen nach Berlin fahren. Das ist auf jeden Fall besser als irgendwo hier in der Nähe.

      24.2.2000

      Morgen Mittag geht es los. Ich hoffe nur, dass Mutter nicht wieder fragt, wo ich denn die Nacht über war. Sie geht mir mit ihrer Fürsorglichkeit immer mehr auf die Nerven.

      26.2.2000

      Es ist jetzt schon Samstag, halb vier morgens. Ich sitze in meinem Auto irgendwo in einem Waldstück in Spandau und bin völlig frustriert.

      Ich bin am Abend die ganze Oranienburger Straße ein paar Mal auf und ab gegangen, und es war genau so, wie Daniel gesagt hat: Nutten im Überfluss. Aber die Straße ist viel zu belebt, und ich habe mich nicht getraut. Dann habe ich gedacht, dass ich schon anderen Leuten aufgefallen sein musste und habe mich auf die Terrasse eines vietnamesischen Restaurants gesetzt, von wo aus ich zwei Nutten beobachten konnte. Mir ist noch ganz schlecht von dem Fraß.

      Es ist nicht nur die Belebtheit der Straße, was die Sache für mich gefährlich macht. Ganz offensichtlich haben die Weiber auch Zuhälter, die im Hintergrund die ganze Umgebung im Auge behalten. Ab und zu bekamen die Nutten einen Anruf über ihre Handys und waren plötzlich verschwunden. Meistens ist kurz danach eine Polizeistreife vorbeigefahren. Ich kann die ganze Sache auf gar keinen Fall mit meinem eigenen Auto in Angriff nehmen. Es sollte mich nicht wundern, wenn die Zuhälter die Kennzeichen notieren. (Ich würde es jedenfalls tun, wenn ich einer wäre.)

      Ich weiß jetzt nicht, was ich machen soll. Hier bleiben oder nach Hause fahren? Es wird langsam schrecklich kalt.

      27.2.2000

      Es war unglaublich! Gewaltig! Gott sei Dank, dass ich da geblieben bin und nicht zu früh die Flinte ins Korn geworfen habe.

      Ich gebe zu, dass der Zufall mir geholfen hat, und wenn ich die ganze Sache einmal vor anderen erzählen will, werde ich einige Dinge besser auslassen. Am Samstagabend habe ich irgendwo in Spandau ein Auto am Straßenrand stehen sehen, das nicht verschlossen war und in dem der Zündschlüssel noch steckte. Ich bin damit zur Oranienburger Straße gefahren und dann ging alles wie von selbst. Nachdem ich sie erst einmal in meine Gewalt gebracht hatte, war der Rest der Nacht das Geilste, was ich je erlebt habe.

      Ihre Tasche mit dem Handy hatte ich unterwegs bereits irgendwo aus dem Fenster geworfen, damit sie uns nicht stören oder sogar orten konnten. Ich war erst um zwei Uhr nachts wieder an meinem Auto im Spandauer Forst und bin sofort nach Hause gefahren. Ihren BH habe ich mitgenommen. Ich sehe ihn mir oft an, als wenn ich selber nicht glauben kann, dass ich das geschafft habe.

      Es gibt nur ein wirkliches Problem: Mutter glaubt einfach nicht, dass ich zwei Nächte bei einem Bekannten in Bochum durchgebracht habe. Sie will unbedingt den Namen dieses Bekannten wissen und würde es mit Sicherheit auch fertig bringen, dort anzurufen. Sie geht mir langsam aber sicher derart auf die Nerven, dass ich sie umbringen könnte. (Wenn man so etwas von Müttern überhaupt behaupten darf.)

      1.3.2000

      Das mit Berlin hat hier nirgendwo in der Zeitung gestanden. Ich weiß nicht so recht, ob ich darüber froh oder enttäuscht sein soll. Das mit der Nutte muss ich unbedingt noch einmal machen. Im Augenblick bin ich dabei, mich nach geeigneten Gelegenheiten hier im Ruhrgebiet umzusehen. Ich kann dafür schließlich nicht jedes Mal nach Berlin fahren.

      14.5.2000

      Heute ist etwas Seltsames passiert. Ich bin völlig ziellos durch die Gegend gefahren. In Kirchhellen bin ich, ohne es zu wollen, plötzlich auf dem Parkplatz von Warner Brothers’ Movie World gelandet. Die Parkplätze waren völlig überfüllt, und ich habe die Leute verachtet, die ganz offensichtlich nur noch die Bilder im Kopf haben, die Hollywood ihnen präsentiert. Neben diesem perversen Vergnügungspark (schon dieses Wort!) liegt Schloss Beck, ein kleinerer Park mit ein paar Kinderkarussells und Buden. Vom Zaun aus habe ich hineingeschaut. Da war eine Ponyreitbahn, ein Rund, durch das zwei Mädchen die Pferde mit den Kindern geführt haben. Dann kam ein Junge, er war vielleicht 16 oder 17 Jahre alt, und sofort habe ich gemerkt, dass er etwas von den Mädchen wollte. Für sein Alter sah der Kerl ganz gut aus, er hatte fast gar keine