Thomas Hölscher

Der Pferdestricker


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auf das hinterste und kleinste der Ponys. Die dummen Gänse protestierten zwar, aber irgendwie hatte man sofort das Gefühl, dass sie gar nicht meinten, was sie sagten, sondern hätten genau auf das gewartet, was der Junge tat. Außerdem war das ein Kerl, der sich ganz offensichtlich durchsetzen konnte und sich um das Geschnatter dieser blöden Gänse ohnehin nicht scherte. (Das Wort „durchsetzen“ ist seltsam in diesem Zusammenhang.)

      Es war wirklich ein sehr kleines Pony, und der lange Kerl saß darauf wie auf einem Schemel: die Füße auf dem Boden, die Beine angewinkelt, und das Gewicht seines Körpers auf dem Tierrücken. Irgendwie geht mir dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf.

      10.6.2000

      Schon mehrfach habe ich von dem Jungen aus dem Vergnügungspark geträumt. Wenn ich dann wach wurde, musste ich onanieren. Ich habe den Kerl schräg von hinten gesehen, und deutlich waren die Konturen seiner Arschbacken auf dem Tier zu sehen. Einmal hat er sich auf dem Hals des Tieres abgestützt, die Beine ganz angewinkelt, und sein gesamtes Gewicht von dem Tier tragen lassen. Ich weiß auch nicht warum, aber einen solchen Arsch kann niemand ficken. Natürlich habe ich den Kerl noch einmal sehen wollen und bin noch mehrfach nach Kirchhellen gefahren; aber wochentags ist dort gar nichts los, und an den beiden letzten Sonntagen war er nicht da. Ich möchte den Kerl fragen, ob es ihm Spaß gemacht hat. (Leider habe ich ihn nicht von vorn gesehen; dann hätte sich die Frage vielleicht erübrigt!)

      Ich habe mittlerweile stundenlang neben dem Zaun gestanden und habe Angst, dort aufzufallen. Das will ich auf gar keinen Fall. In meinen Träumen hat es dem Kerl auf jeden Fall Spaß gemacht. Wenn ich ihm im Traum zwischen die Oberschenkel schaue, kann man nämlich sehen, dass es ihm Spaß macht.

      11.6.2000

      Warum hat der Junge einen Ständer, wenn er auf dem Tier sitzt? Er empfindet das gleiche, was ich empfinde, wenn Klaus oder die Nutte vor mir auf dem Boden knien. Es muss einfach geil sein, auf so einem Tier zu sitzen. (Ob der Junge auch zu den Nutten in Berlin gehen würde? Ich gehe immer mehr davon aus, dass er seine Sache dort sehr gut machen würde. Besser auf jeden Fall als ich. Den BH habe ich weggeworfen. Dass sich dieser Kerl mit jemandem wie Klaus abgibt, ist einfach unvorstellbar. Es sei denn, er hätte auch Bock, diesen Kerl umzulegen.)

      15.6.2000

      Pferde sind wirklich die unterwürfigsten Wesen, die diese Erde hervorgebracht hat. Seit Tagen schon beschäftige ich mich nur noch mit Pferden.

      Grauenhaft finde ich diese überzüchteten Wesen, die halbe Elefanten sind und ganze Wagen durch die Gegend ziehen. Noch schlimmer sind die perversen Viecher, die mit einer Mücke von Mensch auf dem Rücken auf ein Signal hin durch die Gegend rennen, als sei der Teufel hinter ihnen her, und alles das nur, weil ein paar Verrückte eine Menge Geld auf ihren Sieg oder ihre Niederlage gesetzt haben. Auf all diesen Biestern hätte der Kerl aus dem Vergnügungspark ausgesehen wie ein Floh.

      Der war aber kein Floh.

      Am schlimmsten sind die Biester, auf denen irgendein dummes Arschloch seine soziale Position durch die Gegend tragen lässt. Die findet man auch hier zuhauf, vor allem am Wochenende. Dann kommen sie mit ihren Pferdeanhängern und lassen sich im teuren Reiterdress durch die Gegend tragen. Widerlich!

      Mich interessieren nur die Tiere, die uns erlauben, die Zeit zurückzudrehen bis zu dem Zeitpunkt, als zum ersten Mal ein Mensch auf die naheliegende Idee kam, dieses unterwürfige Wesen für sich arbeiten zu lassen, es für seinen Spaß zu gebrauchen und sich auf dessen Rücken setzte. Das war kein Arbeitstier und auch kein Rennpferd: Das war ein zu friedliches und zu gutmütiges Wesen, wenig größer als wir, das ganz einfach die Schlechtigkeit des Menschen nicht erkannt hatte. Also ein dummes Wesen, das selber die Schuld trägt für das, was dann mit ihm passierte. (Der Ausdruck „die Schuld tragen“ passt in diesem Zusammenhang wirklich sehr gut!)

      Zunächst hat es mich gestört, dass diese Tiere ganz offensichtlich eine Art Lieblingsbeschäftigung für kleine Mädchen sind. Aber das habe ich schon überwunden. Die kleinen Gänse sehen in diesen Tieren lediglich Wesen, die sie streicheln, verwöhnen und lieb haben können. Ich habe damit etwas anderes vor. Etwas ganz anderes. Etwas, das nur Männer tun können. (Schwule auch? Interessante Frage. Ich weiß es wirklich nicht. Aber eigentlich glaube ich es nicht. Nein, Schwule können es nicht! Schwule können das definitiv nicht. Schwule sind gar keine Männer. Schwule sind eher wie die Pferde: Dumm und blauäugig und damit selber Schuld an dem, was man mit ihnen macht.)

      2.7.2000

      Endlich habe ich gefunden, was ich suche. Es ist schon verrückt: Manchmal fährt man tagelang suchend durch die Gegend und findet nichts, und plötzlich erledigt sich alles wie von selbst. Dieser reiche Sack hat vor seinem Haus ein Tier stehen, das genau meinen Vorstellungen entspricht. Ich kann jetzt nicht weiterschreiben. Ilona heiratet übermorgen, und heute Abend spielen sie unten Polterabend. Ich muss nach unten gehen, sonst kommen sie gleich noch und holen mich.

      Ich hasse diese spießbürgerlichen Rituale, aber noch mehr hasse ich den Ärger, den man sich einhandelt, wenn man sich ihnen entziehen will. Das ist einfach Verschwendung von Energie. Und ich habe nun Wichtigeres zu tun.

      Gregor hat mich heute an der Uni gefragt, ob ich das Wort Pollack eigentlich noch als Beleidigung empfinde. Natürlich hat er das nur getan, um mich zu ärgern; aber ich weiß mich dann nie zu wehren. Ich war nie ein Pollack und werde nie einer sein!

      9.7.2000

      In den letzten Tagen habe ich stundenlang im Gebüsch gesessen und das Tier beobachtet. Das alles ist sehr mühsam, weil ich nicht wage, mit dem Auto dorthin zu fahren. Das wäre viel zu gefährlich. Ich gehe zu Fuß und muss das letzte Stück querfeldein laufen. Die permanenten Fragen gehen mir gegen die Natur. Wo willst du denn jetzt noch hingehen? Wo bist du eigentlich jeden Abend? Was soll man darauf schon sagen?

      Dieses Tier ist wirklich perfekt. Es ist schneeweiß, sein Fell ist so kurz, dass man auf die Haut des Tieres sehen kann, und von der Größe und Statur entspricht es genau meinen Vorstellungen. Es ist feingliedrig, fast grazil (seltsames Wort, aber es trifft zu). Außerdem hat es etwas geradezu Laszives, als wolle es auch noch herausfordern, was ich mit ihm vorhabe. Es benimmt sich wie die Nutte, und es wird auch erleben, wohin das führt. Ein erwachsener Mann könnte mühelos auf seinen Rücken springen, seine Füße würden dann dicht über dem Erdboden baumeln.

      13.7.2000

      Ich habe es mir lange überlegt: Ich kann es nicht selber tun. Es würde mich einfach nicht anmachen. Ich will, dass Jonas Z. es für mich tut. Er wohnt hier in der Nachbarschaft und er wird es tun, er hat es mir bereits versprochen.

      Manchmal denke ich, dass dieser Jonas ein dummer Mensch ist; aber dann finde ich mich jedes Mal selber arrogant. Jonas sieht auch ganz gut aus und ist einfach so, wie er ist, und ob er auch ganz anders sein könnte, darüber macht Jonas sich nie Gedanken. Für nichts wäre er im Theater weniger geeignet als für die Rolle des Hamlet! Und das finde ich gut. Bei ihm ist jedenfalls gar nichts mit der frischen Farbe der Entschließung, der des Gedankens Blässe angekränkelt wird. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte genau so unbeschwert leben wie Jonas. Aber das kann ich nicht. Ich kann es einfach nicht. So ist das eben, es gibt Dinge im Leben, mit denen man sich am besten abfindet.

      Auch der Platz ist ideal. Dieser Teil der Weide ist vom Haus aus kaum einsehbar.

      Jonas ist einssiebenundachtzig, und wenn er erst auf dem Rücken des Tieres sitzt, werden seine Füße dicht über den Grasspitzen schweben. Ich habe Jonas heute auf die Waage gestellt. Das war gar nicht so einfach! Ich musste mir irgendeine dumme Geschichte ausdenken, die rechtfertigt, weshalb ich das Gewicht eines anderen Mannes wissen möchte. Aber es ist mir gelungen: er wiegt 81 Kilogramm. Ich war ein wenig enttäuscht und will versuchen, dass er schwerer wird. Außerdem muss ich mir einen Namen für dieses Tier ausdenken.

      20.7.2000

      Wenn ich neben dem Zaun sitze, werde ich mittlerweile fast verrückt, und allein die Erinnerung an den penetranten Pferdegeruch macht mich geil. Das ist nicht übertrieben und auch nicht unanständig: Alleine der Geruch macht mich geil. Und wenn es mich anschaut, empfinde ich es nur noch als lasziv. Es wartet auf nichts anderes als auf das, was Jonas mit ihm tun wird. Es ist für gar nichts