zu machen.
Sie verließ die Halle durch die Tür in der hinteren Wand und betrat den Flur dahinter, von dem aus auf der linken Seite eine Holztreppe nach oben zu den Kammern im ersten Stock führte. Auf der rechten Seite lagen Küche und Speisekammer, und am Ende des Flurs befanden sich die Unterkünfte des Hausgesindes.
Die Mägde in der Küche sahen Dindra merkwürdig an, während sie Etrus Wunsch weitergab. Sie hatten mit leisen Stimmen geschwatzt, aber ihr Getuschel sofort eingestellt, als Dindra eintrat.
„Was ist?”, brummte sie und lachte, als sie alle Augen rund und fragend auf sich gerichtet sah.
„Der Drache”, quietschte Mondri mit ihrer dünnen Mäuschenstimme, als ob nichts weiter gesagt werden müsste.
„Ja ja”, sagte Dindra und winkte ab. „Er tut euch schon nichts.” Sie kicherte. „Wenn ihr ihm allerdings zu nahe kommt, könnte es sein, dass er euch mit seinen Krallen den Hals durchschneidet.” Sie dachte an das Gefühl von Maquons Kralle an ihrem Kinn, und das Lachen verging ihr wieder.
Mondri wimmerte. „Drachen haben auf den Höfen nichts zu suchen.”
Intri, die dicke Köchin, deren braunes Haar bis zu ihren breiten Hüften herabhing, nickte. „Was ist, wenn er das Haus in Brand setzt?” Sie wischte mit den Händen fahrig über die fleckige Schürze, die sie über ihrem weiten braunen Rock trug.
Dindra dachte an das schwelende Gras, das Maquon verbrannt hatte, als sie sich ihm näherte. „Der Reiter sagt, so etwas würde ein Drache niemals tun.”
„Er ist ein hübscher Bursche”, sagte Mondri verträumt.
Intri schnaubte. „Für meinen Geschmack viel zu schmächtig.” Sie seufzte. „Ich werde heute Nacht kein Auge zutun.”
Dindra überließ die Mägde ihrer Arbeit und füllte in der Speisekammer Bier aus einem Fass in einen Krug, den sie in die Halle brachte. Vielleicht würde es Etru ein wenig geselliger machen.
Wie sie es erwartet hatte, saßen sich ihr Vater und Ryll steif gegenüber und führten ein gezwungenes Gespräch. Etru beantwortete Rylls Fragen nach dem Hof und kam erst nach einem Becher Bier ein bisschen in Fahrt, als er die Gelegenheit ergriff und sich darüber beklagte, dass es immer zu wenig Regen gebe.
„Alle Hofbesitzer sagen das”, meinte Ryll lachend. „Aber Ihr müsst unsere Arbeit verstehen. Die Ebene ist weit, selbst der Teil, den wir von Goldfels aus versorgen. Die Zahl der Dörfer ist groß und die Zahl der Drachen in einer Station ist begrenzt. Wir können sie nicht beliebig auf die Ebene hinausfliegen. Sie müssen bereit sein, von den Blitzen zu essen, und zwischen den Einsätzen brauchen sie lange Ruhezeiten.”
„Mag sein”, brummte Etru. „Aber wir geben den Stationen auch viel. Wir versorgen sie mit allem was sie brauchen. Ohne die Höfe könnten die Stationen nicht bestehen.”
„Und ohne die Stationen gäbe es keine Höfe”, sagte Ryll. „Gorn ist ein trockenes Land”, zitierte er den Drachensegen. „Das wisst Ihr besser als ich. Wir haben es den Drachen zu verdanken, dass es überhaupt fruchtbar ist.”
Etru schien nicht zufrieden. „Es könnte viel fruchtbarer sein. In manchen Zeiten der heißen Sonne fällt die Ernte gering aus, weil es nicht genug Regen gibt, nicht, weil die Erde nicht mehr hergeben könnte. Wir arbeiten hart auf den Höfen, wir geben den Stationen, was sie verlangen, und es ist bitter, mit anzusehen, wie das Land brach liegt oder das Getreide verkümmert. Der Anteil für die Stationen bleibt immer gleich, aber die Höfe müssen sich mit dem begnügen, was übrig bleibt.”
Ryll hob beschwichtigend die Hände. „Glaubt mir, die Drachenzähmer und die Leiter von Goldfels verstehen Eure Sorgen. Sie setzen die Drachen nach ihren Möglichkeiten ein und verteilen die Einsätze gerecht über die Ebene. Denkt immer daran, wie es ohne die Drachen wäre.”
„Ihr meint, wir sollten dankbar sein”, sagte Etru in einem Ton, der andeutete, dass er nicht viel von solcher Dankbarkeit hielt.
Ryll nickte unbeeindruckt. „Wir sollten alle den Drachen dafür dankbar sein, dass sie die Ebene zu dem gemacht haben, was sie ist.”
Etru räusperte sich und verzog das Gesicht, als würde er bitteren Schleim schmecken und am liebsten ausspucken. Stattdessen nahm er einen großen Schluck aus seinem Bierkrug und verfiel in Schweigen. Dindra kannte Etrus Ansichten. Sie glichen denen aller anderen Hofbesitzer des Dorfes und vermutlich der ganzen Ebene. Sie sahen nur ihre Höfe und waren gleichgültig gegenüber den Bedürfnissen der Drachenstationen, die sie mit ihren Erträgen versorgen mussten, wofür sie sich aber nicht genug entschädigt fühlten. Dindra glaubte Ryll, was er über die Stationen erzählte und hätte gerne mehr darüber gewusst. Zunächst musste sie jedoch den Tisch decken und half dann den Mägden dabei, das Essen aufzutragen. Sie aß sonst oft bei ihnen in der Küche, aber heute hatten sie einen Gast, und Etru legte Wert darauf, dass es dann förmlich zuging.
Als die drei um den großen Tisch in der Kaminhälfte der Halle saßen, sah Ryll Etru erwartungsvoll an. Dieser schien mit sich zu ringen, aber dann murmelte er widerstrebend den Drachensegen, was er ansonsten höchstens an Festtagen tat. Ryll wiederholte die Worte und Dindra stimmte ein. Durch eines der Fenster konnte sie Maquon sehen, der gerade den Kopf hob und zum Haus herüberschaute, als lauschte er den Worten, die ihn ehrten. Dindra lächelte. Einen Drachen vor sich zu sehen, während man den Segen sprach, war eine besondere Erfahrung, und sie dachte wieder daran, wie es wäre, in Goldfels zu leben. Die Sehnsucht, die sie dabei verspürte, erschreckte sie. „Es ist ein Traum”, ermahnte sie sich. „Nichts weiter als ein Traum.”
Das Gespräch bei Tisch entwickelte sich zäh, denn Etru blieb eine Weile lang wortkarg und widmete sich ganz dem Verzehr des saftigen Bratens, zu dem Bohnen und knuspriges warmes Brot gereicht wurde.
„Es schmeckt großartig”, verkündete Ryll. Etru nickte gnädig.
Da die beiden ansonsten standhaft schwiegen, beschloss Dindra, die Unterhaltung in Gang zu bringen.
„Was ist eigentlich die Aufgabe von Drachenreitern?”, fragte sie Ryll.
Er legte Messer und Gabel beiseite und schien erfreut über die Gelegenheit, davon zu sprechen.
„Wir sorgen für die Drachen in den Höhlen der Station und wir lenken sie zu den Orten, die von der Stationsleitung für ihren Einsatz ausgesucht werden.”
„Lassen sie sich wirklich lenken?” Dindra kam es sonderbar vor, dass die riesigen Geschöpfe den Befehlen von Menschen gehorchten.
„Natürlich muss man lernen, wie man es macht, und natürlich lassen sie sich nur von einem Reiter lenken, den sie akzeptiert haben und auf den sie durch die Drachenzähmer eingestimmt wurden.”
„Es soll sehr gefährlich sein”, sagte Etru. „Es heißt, wenn die Drachen von den Blitzen essen, seien sie unberechenbar. Ich habe gehört, dass so manche Drachenreiter bei den Einsätzen ums Leben gekommen sind.”
Dindra wunderte sich, woher er so viel darüber wusste. Mit ihr hatte er nie über die Drachen sprechen wollen.
„Das mag vorgekommen sein”, gab Ryll zu. „Aber in meiner Zeit auf Goldfels habe ich so etwas nicht erlebt. Während der Gewitter sind wir durch die Magie des Drachengesangs geschützt. Ein Drache würde einen Reiter niemals absichtlich in Gefahr bringen.” Dindra hörte, wie er unter dem Tisch nervös mit den Füßen scharrte. Offenbar dachte er an Maquons unerklärliches Verhalten einige Stunden zuvor. „Wenn etwas passiert, ist es normalerweise die Schuld des Reiters. Nachlässigkeit bei der Kontrolle der Sättel oder schlechte körperliche Verfassung, die zu Unfällen beim Landen oder beim Auf- und Absteigen führen. Deshalb sind Drachenreiter meist junge Leute, die in der Schule der Station durch Übungen gedrillt werden.”
„Nichts für Mädchen”, sagte Etru in einem fast wütend klingenden Ton, der Dindra erstaunt aufblicken ließ.
„Oh, nein, Etru Etrussohn”, widersprach Ryll. „Unter den Drachenreitern sind mindestens ebenso viele Mädchen wie Jungen. Das Reiten