weiß? Ich kann es Dir nicht sagen. Das ist der Grund, warum ich Dich beschützen will und muss. Dir darf nichts passieren. Du bist mein Leben.“
„Lass ihr Zeit.“, sagte Bastian zu ihm, als sie das Lokal verließen. Was sollte er auch sonst tun? Nun hatte sie den Spielball und war am Zug.
*****
Emily
Nachdem Emily versuchte hatte, sich an alles zu erinnern, was Drake ihr erzählt hatte und ihren Freunden ausführlich berichten musste, lag sie nun in ihrem Bett. Allein. Wach. Sie hatte immer noch seine Stimme im Ohr. „Verstehst Du, was ich Dir damit sagen will? Du bist mein Leben. Du bist die Eine für mich. ‚Die Eine.‘ DIE Eine. ‚Zusammen sein werde‘ hatte er gesagt, nicht ‚Zusammen sein möchte“. Sie schlief ein.
Und träumte. Von ihm. Wie er sie ansah, seine Augen verwandelten sich in ein Meer, in das sie hinein lief und dann fast ertrank. Jemand rettete sie. Ein Indianer mit langen schwarzen Haaren und Federkopfschmuck, bunt bemalt. Aber er hatte seine Augen. Er hielt sie im Wasser fest, dann standen sie am Strand. Er küsste sie. Er ließ sie los und sie wurde von ihm weggezogen. Nun stand sie in einem Tipi. Riesengroß und brechendvoll. Sie sah nur halbnackte Indianer. Ihre Blicke suchten ihn, doch sie fand ihn nicht. Als sie sich umdrehte, stand sie vor einer Art Arena. In der Mitte waren zwei Männer. Drake. Sie hatten beide Speere in der Hand. Der andere Indianer lag auf dem Boden und Drake beugte sich über ihn. Da stieß der, der am Boden lag, Drake den Speer in die Brust und Drake brach zusammen. Sie schrie auf, schrie seinen Namen, wollte zu ihm. Doch sie war umringt von Indianern. „Du bist keine von uns!“, sagten sie. „Du bist keine von uns!“ Es klang wie eine Formel. Sie rief nach ihm, rief seinen Namen. Dann stand sie vor dem Zelt, es gab keinen Weg zurück.
Zitternd und weinend erwachte sie. Sie erkannte, sie war auf dem besten Wege sich in ihn zu verlieben.
10.
Emily
Emily hatte die Terrassentüre weit geöffnet, um die Wärme in die Wohnung zu lassen. Die Musik war laut und sie stand singend und tanzend auf der Terrasse, wo sie den Tisch deckte oder kochend in der Küche. Am Vormittag hatte sie ihn per WhatsApp gefragt, ob er am Abend zum Essen kommen wollte. Und er hatte ja gesagt. Nein, sie hatte nicht alles verstanden, was er gesagt hatte. Also eigentlich schon, aber den ‚wahren‘ Hintergrund, davon war sie fest überzeugt, kannte sie immer noch nicht. Aber wenn sie ihn auf Abstand hielt, sich nicht auf ihn einließ, würde sie es nie erfahren. Wenn er ihr das Herz brechen wollte, würde er es tun. Ihr war klar, dass es für sie sicherlich mit jedem Tag, den sie mit ihm verbrachte, mehr schmerzen würde. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wenn er ihr Herz brechen würde, würde sie . . . ja, sie würde wieder aufstehen. Sie würde nicht untergehen. Monrose sangen grad ‚This is me‘ und sie sang lauthals mit. Genau. Das bin ich! Und ich lasse mich nicht unterkriegen.
Nun saßen sie auf ihrer Terrasse, aßen, lachten, redeten. Es war, als hätte es die letzten Wochen nicht gegeben. Er erzählte ihr von seiner Heimat, von Montana, dort wo sein Clan lebte.
Das 1.6 Millionen Acres große Blackfeet Reservat befand sich im äußersten Norden von Montana. Das Gebiet grenzte an die Rocky Mountains und den Glacier National Park und dehnte sich nach Osten auf die Plains aus. Überall in dieser Gegend, erzählte er, sah man die farbenprächtigen Tipi's der Blackfeet in saftig grünen Wiesen oder an Flussufern stehen. Bedingt durch den angrenzenden Park, der Grenze zu Canada und einigen geschützten Wildnis-Gebieten lebten die Blackfeet in einem landschaftlich reizvollen Gebiet. Es gab Seen und Flüsse, die so idyllisch lagen, dass man sich fast in die guten alten Tage des Stammes zurückversetzt fühlen konnte.
Browning war die Hauptstadt der ca. 8000 Blackfeet im Reservat und etwa der gleichen Anzahl von Indianern, die außerhalb des Reservats lebten. Der Ort bot eines der besten Stammesmuseen, das Museum der Plains Indianer, und war jährlich am 2. Wochenende im Juli Veranstaltungsort der North American Indian Days, eines der größten indianischen Treffen in den USA.
Der Stamm der Blackfeet bestand aus vier verwandten Stämmen zu denen die Piegan oder Pigunni in den USA und die Northern Piegan, Bloods und Blackfeet von Canada gehörten. Die Gruppe seines Stammes hatte sich irgendwann 1866/67 von den anderen gelöst, nachdem Red Cloud, ein anderer einflussreicher Oberhäuptling, in einem Guerillakrieg zwischen 1865 und 1868 die US-Truppen gezwungen hatte, ihre Forts am Powder River zu räumen. Seitdem war ihre Gruppe eigenständig.
Emily hörte zwar zu, aber sie konnte gar nicht alles, was er erzählte, behalten. Aber er hatte eine schöne Stimme. Tief und warm. Sie sah ihn nur an, versuchte, sich jedes Detail zu merken. Seine tiefschwarzen, zotteligen Haare. Seine blauen Augen, die von langen Wimpern umrahmt wurden. Wieso hatten immer die Männer solche Wimpern? Dass seine Lippen weich waren, wusste sie. Er war Indianer, wahrscheinlich hatte er deswegen so wenig Körperbehaarung. Er trug heute ein weißes Hemd, das er locker über einer dunklen Jeans trug. Die Ärmel waren hochgekrempelt und die ersten beiden Knöpfe standen offen. Es war Mitte Juli und es war wirklich heiß die letzten Wochen gewesen. Sie hatten einen schönen Sommer, hoffentlich blieb das noch ein paar Wochen so. Heute trug er Turnschuhe. Einen Arm hatte er locker über die Lehne gelehnt, während er mit dem anderen immer wieder gestikulierte. Sie schaute auf seine Hände, die groß waren und stark aussahen und doch so zärtlich sein konnten. Ihr Blick ging zurück zu seinem Gesicht und blieb an seinen Lippen hängen.
Seine Lippen, wie sie sich auf ihrem Körper angefühlt hatten. Ihre Gedanken schweiften ab. Wann sie sie wohl das nächste Mal auf ihrem Körper spüren würde? Sie konnte nichts dafür. Es war einfach eine Reaktion, aber sie spürte, wie es zwischen ihren Beinen zu kribbeln begann, ihre Perle zu pochen anfing und sie feucht wurde. Irgendwann bemerkte sie, dass sich seine Lippen nicht mehr bewegten.
Drake
Drake hatte sich fast wie ein junger Welpe gefreut, der etwas Neues zum Spielen bekam, als sie ihn angeschrieben hatte. Nun saß er bei ihr und erzählte von seiner Heimat. Er war ein guter Beobachter und bemerkte sofort, als ihre Aufmerksamkeit nachließ. Während ihr Blick über seinen Körper ging, stand er schon in Flammen. Aber er hatte sich für heute vorgenommen, sie nicht anzufassen, ihr nicht zu nahe zu kommen. Er wollte wirklich, dass das mit ihnen funktionierte und deshalb wollte und musste er es langsam angehen. Wobei er sich nicht wirklich sicher war, wie lange er sich zurückhalten konnte, bis er – endlich – mit ihr schlafen würde. Ihre Reaktion blieb von ihm nicht unbemerkt. Sofort hatte er einen trockenen Mund und eine Erektion. Er brach mitten im Satz ab und sah sie nur an.
Drake glaubte, dass sich Emily heute bemüht hatte, nicht aufreizend zu sein, sondern ganz normal. Ihre Haare hatte sie einfach locker zusammengefasst. Sie trug eine Jeans, die Drake schon fast als zu eng bezeichnet hätte und ein weißes Achselshirt. Er hätte schwören können, dass sie sowas wie einen Oma-BH trug und sicherlich auch eine entsprechende Hose. Vorbereitung war schließlich alles. Als Mann ging man nicht heiß zu einem Date, sondern verschaffte sich vorher Erleichterung. Ob man das als Frau auch tat, wusste er nicht. Aber: Als Frau zog man sich, wenn man sicher gehen wollte, dass nichts passieren würde, einfach Oma-Unterwäsche an. So einfach war das. Emily war nicht geschminkt und hatte kein Parfüm benutzt. Er war sich nicht sicher, ob er eine Creme an ihr roch, aber mehr auch nicht. Nur ihr unverfälschter Duft. Und genau das war es, was sie für ihn unwiderstehlich wirken ließ.
Emily
Als Emily bemerkte, dass Drake nicht mehr sprach, sah sie wieder in seine Augen. Drake sagte leise ihren Namen.
„Oh, entschuldige, ich . . . nicht das Du glaubst, das wäre langweilig, was Du mir erzählst, aber ich . . .“, sie redete viel zu schnell und verhaspelte sich. Dann griff sie nach ihrem Wasser und nahm einen großen Schluck. „Ich hab noch selbstgemachtes Eis da. Magst Du?“
Zusammen gingen sie in die Küche und Emily sagte Drake, wo er Eisschalen finden konnte, während sie das Eis aus dem Gefrierschrank holte. Gemeinsam verteilten sie das Eis in die Schalen. Dabei konnten sie nicht verhindern, dass sich ihre Finger berührten, auch wenn sie es versuchten. Jedes Mal hielten sie kurz inne, sahen sich an. Dann berührten sich ihr Hände ein paar Mal absichtlich und sie begannen, in der Küche rum zu blödeln.