wie einen persönlichen Händedruck werteten und darauf warteten.
„Wir haben uns für heute Abend etwas Besonderes überlegt, aber dazu leider erst nach der Pause mehr.“ Sie lachte. „Ansonsten, musiktechnisch, wollten wir heute . . .“ sie verstummte. Ihr Blick hatte den letzten Tisch erreicht. Ungläubigkeit stand auf ihrem Gesicht. Da war er. ER! War er es wirklich? Ihr Herz verhaspelte sich, sie schluckte, schüttelte den Kopf und wandte den Blick wieder nach links zur Theke.
„Also . . .,“, sie räusperte sich. „Also wie gesagt, nach der Pause haben wir für Euch . . .“ Ihre Gedanken rasten, ihr Herz auch. Er war hier? Hier? Aber bestimmt nicht wegen ihr. Nun ja, vielleicht wegen der Band, aber nicht wegen ihr. Sie schaute wieder nach rechts. Dorthin, wo er immer noch saß. Und sie anstarrte? Sein Blick schien sich tief in ihre Seele zu bohren.
„Scheiße.“, sagte sie und da das Mikro schon offen war, hörten es alle. ‚Ich muss mich zusammen reißen!‘, dachte sie. Sie lachte nervös ins Mikro und sagte: „Sorry, aber ich hab was vergessen.“ Damit drehte sie sich um. Niki und Sue standen schon bei ihr.
„Was ist los?“, fragten sie aufgeregt. „Wirst Du krank?“
„Ich kann nicht atmen!“, flüsterte Emily.
„Emily, was ist los? Du zitterst ja!“, fragte Niki.
„Er ist hier!“ Ihre Hände zitterten.
„Wer? Wer ist hier?“
“Meine Halluzination! Bitte, sagt mir, dass er echt ist und ich nicht halluziniere. Er sitzt da hinten am Tisch.“
In der Bar machte sich Unruhe breit. Niki, ganz der Profi, blickte einmal von links nach rechts und zurück. Dann sah sie Henry hinter der Theke, der ein fragendes „Was?“ mit seinen Lippen formte und die Hände hob.
„Henry, bitte bring uns doch noch die Runde Caipirinhas und für jeden ein Glas Wasser hoch. Das haben wir vergessen.“
Henry schaute etwas ungläubig, aber dann lachte er und rief laut „Ok, Mädels, kein Problem.“ Das Publikum lachte und viele riefen: „Ja, Henry, mir auch!“.
„Ja, ich weiß, wen Du meinst und ja, er ist immer noch da. Und ehrlich gesagt, sieht er etwas irritiert in unsere Richtung. Es tut mir leid, Em, aber Du musst Dich zusammen reißen. Und Du weißt ja gar nicht, ob der wegen Dir hier ist. Vielleicht hat der 'ne schreckliche Olle zu Hause und muss sich mal was Aufregendes ansehen.“ flüsterte Niki.
Sue und Emily lachten.
„Du bist unverbesserlich, Niki, danke.“, flüsterte Emily.
„Das erste Lied such ich aus!“ Niki wisperte Sue etwas ins Ohr und diese nickte. Sie sprach noch mit Henni und Chris, während Henry mit den Drinks auf die Bühne kam und jedem von ihnen den Caipi in die Hand drückte.
„Emily?“, flüsterte er. „Ist alles ok?“
Sie nickte, nahm einen großen Schluck und stellte sich vors Mikro. Sie holte tief Luft und als die ersten Töne erklangen, glaubte sie, ihren Ohren nicht zu trauen. DAS sollte sie singen? Sie drehte sich böse blickend zu Niki um, doch diese lächelte nur und zuckte mit den Schultern. Die ersten Töne von Vanessa Amorosi ‚Everytime I close my eyes‘ erklangen und mit voller Leidenschaft begann sie zu singen.
Danach musste sie noch ‘I wanna be your everything’ und ‘You were led on’ von Vanessa Amarosi singen. ‘Run’ von Leona Lewis und ‘Turn to you’ von Melanie C und noch vieles mehr. Die Mädels hatten wirklich kein Erbarmen mit Emily.
Sie versuchte krampfhaft, nicht in seine Richtung zu schauen, aber das war nicht einfach. Wie magnetisch wurde sie von ihm angezogen. Sie wusste nicht, wie sie ihr Herzrasen unter Kontrolle bringen sollte. Und er schaute nur sie an. Natürlich sahen alle zur Bühne, aber an vielen Tischen wurde auch leise gesprochen. Und das war auch ok, schließlich wollten sie eigentlich nur „Begleitmusik“ sein. Nur er bewegte sich nicht. Er saß unbeweglich und schaute sie an. Nur sie. Nach den ersten Takten war ihre Nervosität zwar nicht verschwunden, aber wie immer wurde sie ruhiger und konnte sich nicht nur auf den Text konzentrieren, sondern auch auf ihn. Bei manchen Textzeilen sah sie ihn ganz bewusst an und viele Zeilen sang sie nur für ihn.
„Jetzt machen wir eine kurze Pause. Vergesst nicht, hier gibt’s tolle Cocktails.“ Alle lachten. Kaum waren sie von der Bühne runter, wurde Emily von ihren Bandmitgliedern und Henry umringt.
„Was ist los? Was war los? Ist alles ok? Geht es Dir gut? Was ist passiert? Hast Du Kopfschmerzen?“ Sie redeten alle gleichzeitig auf sie ein.
„Halt!“, sagte Niki. „Jetzt lasst sie doch mal in Ruhe.“
„Henry, ich brauch noch 'nen Caipi, bitte, kannst Du mir einen machen?“
„Erst will ich wissen, was da los war! Dann mach ich Dir einen.
„Ok. Ok.“ Sie schaute in die Runde. „Wisst ihr noch, letztes Jahr, da hab ich doch auf der Rheinkirmes diesen Typen gesehen. Ich weiß, es klang damals schon bescheuert – und heute immer noch – aber ich hatte doch immer dieses Gefühl, als würde uns was verbinden. Ich hab ihn nie wiedergesehen, jedenfalls nicht, dass ich es wüsste, und ihn deshalb ‚meine Halluzination und seine Bodyguards‘ genannt.“ Alle nickten wissend. „Nun, meine Halluzination ist hier und sitzt dahinten am Tisch. Jedenfalls hoffe ich, dass ihr ihn alle sehen könnt und er keine Halluzination ist, sonst muss ich echt zum Arzt.“ Gleichzeitig drehten sich alle um. „Wo? Wer? Welcher ist es?“ wurde gefragt. Sue erklärte es, denn Emily stand immer noch mit dem Rücken zum Raum und wollte nicht in seine Richtung sehen. „Ja! Ja. Es ist unschwer zu erkennen, welchen Du meinst, denn er lässt Dich nicht aus den Augen.“
Henry brummelte ein „Ok“ und verschwand hinter der Bar.
„Und jetzt? Was machst Du jetzt?“, wurde Emily gefragt.
„Keine Ahnung. Abwarten und Tee trinken vielleicht?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Sie schaute zu Henry, der Caipirinhas mixte. „Jetzt geh ich erst mal unsere Caipis holen.“, sagte Emily und ging zur Theke. Es dauerte nicht lange, da wurde es dunkel neben ihr, denn ein Schrank hatte sich neben sie gestellt.
„Hey“, sagte er leise. Sie schloss kurz die Augen, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie holte tief Luft, bevor sie sich zum ihm umdrehte. Sie war mit ihren 1,70 schon nicht gerade klein für eine Frau, aber sie musste dennoch den Kopf fast in den Nacken legen, um in seine Augen zu schauen. In ihrem Kopf entstand ein kurzes Déjà-vu, aber sie konnte es nicht fassen. Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen. ‚Was, wenn sie nicht blau wie das Meer sind?‘ So blieb sie an seinen Lippen hängen. ‚Scheiße‘, dachte sie. ‚Schlechte Idee‘, denn in ihrem Kopf entwickelten sich sofort Bilder von seinem Mund auf ihrem Mund, auf ihrer Haut. Sie schluckte, atmete flach. In den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass er eine Hand hob und dann fühlte sie einen Druck am Kinn, als er ihren Kopf an hob.
„Sieh mich an.“, verlangte er leise. Er sprach deutsch mit einem starken amerikanischen Akzent. Seine Stimme war tief und irgendwie . . . heiser? Nun musste sie ihn ansehen. Um Emily herum wurde es still, nur das Klopfen ihres Herzens war in ihren Ohren zu hören und sie versank in seinen Augen. Es fühlte sich an, als würde er bis in ihre Seele sehen. ‚Wie kitschig‘, dachte sie noch. Aber so war es.
Drake
Drake wusste nicht, woher er die Kraft nahm, sie nicht sofort zu küssen, hier auf der Theke zu nehmen. Ihr Duft, so nah, so rein. Ihre Augen, er versank. ‚Nach Hause kommen, ankommen‘, war sein Gedanke. Sein Herz raste, er bekam keine Luft mehr. Ihre Haut unter seinen Fingern . . . seine Fingerspitzen brannten. Ganz langsam kam sein Gesicht, seine Lippen immer näher. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Henry, der die Caipirinhas brachte. Und dann passierten so viele Dinge so schnell hintereinander, dass er es fast nicht fassen konnte.
Emily
Drake knurrte, ganz leise. Aber nicht leise genug. Während Emily wie erstarrt darauf wartete, sich von ihm Küssen zu lassen, hörte sie dieses leise Knurren. Dieses Geräusch